Die schönsten Kinderbücher (Illustriert). Гарриет Бичер-Стоу

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Die schönsten Kinderbücher (Illustriert) - Гарриет Бичер-Стоу


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der Kirche!"

      Und der Angestoßene stieß den Zweiten an und so fort, und in kürzester Zeit flüsterte es an allen Ecken: "Der Alm-Öhi! Der Alm- Öhi!", und die Frauen mussten fast alle einen Augenblick den Kopf umdrehen, und die meisten fielen ein wenig aus der Melodie, so dass der Vorsänger die größte Mühe hatte, den Gesang schön aufrechtzuerhalten. Aber als dann der Herr Pfarrer anfing zu predigen, ging die Zerstreutheit ganz vorüber, denn es war ein so warmes Loben und Danken in seinen Worten, dass alle Zuhörer davon ergriffen wurden, und es war, als sei ihnen allen eine große Freude widerfahren. Als der Gottesdienst zu Ende war, trat der Alm-Öhi mit dem Kinde an der Hand heraus und schritt dem Pfarrhaus zu, und alle, die mit ihm heraustraten und die schon draußen standen, schauten ihm nach, und die meisten gingen hinter ihm her, um zu sehen, ob er wirklich ins Pfarrhaus eintrete, was er tat. Dann sammelten sie sich in Gruppen zusammen und besprachen in großer Aufregung das Unerhörte, dass der Alm-Öhi in der Kirche erschienen war, und alle schauten mit Spannung nach der Pfarrhaustür, wie der Öhi wohl wieder herauskommen werde, ob in Zorn und Hader oder im Frieden mit dem Herrn Pfarrer, denn man wusste ja gar nicht, was den Alten heruntergebracht hatte und wie es eigentlich gemeint sei. Aber doch war schon bei vielen eine neue Stimmung eingetreten, und einer sagte zum andern: "Es wird wohl mit dem Alm-Öhi nicht so bös sein, wie man tut; man kann ja nur sehen, wie sorglich er das Kleine an der Hand hält." Und der andere sagte: "Das hab ich ja immer gesagt, und zum Pfarrer hinein ginge er auch nicht, wenn er so bodenschlecht wäre, sonst müsste er sich ja fürchten; man übertreibt auch viel." Und der Bäcker sagte: "Hab ich das nicht zuallererst gesagt? Seit wann läuft denn ein kleines Kind, das zu essen und zu trinken hat, was es will, und sonst alles Gute, aus alledem weg und heim zu einem Großvater, wenn der bös und wild ist und es sich zu fürchten hat vor ihm?" Und es kam eine ganz liebevolle Stimmung gegen den Alm-Öhi auf und nahm überhand, denn jetzt nahten sich auch die Frauen herzu, und diese hatten so manches von der Geißenpeterin und der Großmutter gehört, das den Alm-Öhi ganz anders darstellte, als die allgemeine Meinung war, und das ihnen jetzt auf einmal glaublich schien, dass es mehr und mehr so wurde, als warteten sie alle da, um einen alten Freund zu bewillkommnen, der ihnen lange gemangelt hatte.

      Der Alm-Öhi war unterdessen an die Tür der Studierstube getreten und hatte angeklopft. Der Herr Pfarrer machte auf und trat dem Eintretenden entgegen, nicht überrascht, wie er wohl hätte sein können, sondern so, als habe er ihn erwartet; die ungewohnte Erscheinung in der Kirche musste ihm nicht entgangen sein. Er ergriff die Hand des Alten und schüttelte sie wiederholt mit der größten Herzlichkeit, und der Alm-Öhi stand schweigend da und konnte erst kein Wort herausbringen, denn auf solchen herzlichen Empfang war er nicht vorbereitet. Jetzt fasste er sich und sagte: "Ich komme, um den Herrn Pfarrer zu bitten, dass er mir die Worte vergessen möchte, die ich zu ihm auf der Alm geredet habe, und dass er mir nicht nachtragen wolle, wenn ich widerspenstig war gegen seinen wohlmeinenden Rat. Der Herr Pfarrer hat ja in allem Recht gehabt und ich war im Unrecht, aber ich will jetzt seinem Rate folgen und auf den Winter wieder ein Quartier im Dörfli beziehen, denn die harte Jahreszeit ist nichts für das Kind dort oben, es ist zu zart, und wenn auch dann die Leute hier unten mich von der Seite ansehen, so wie einen, dem nicht zu trauen ist, so habe ich es nicht besser verdient, und der Herr Pfarrer wird es ja nicht tun."

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      Die freundlichen Augen des Pfarrers glänzten vor Freude. Er nahm noch einmal des Alten Hand und drückte sie in der seinen und sagte mit Rührung: "Nachbar, Ihr seid in der rechten Kirche gewesen, noch eh Ihr in die meinige herunterkamt; des freu ich mich, und dass Ihr wieder zu uns kommen und mit uns leben wollt, soll Euch nicht gereuen, bei mir sollt Ihr als ein lieber Freund und Nachbar alle Zeit willkommen sein, und ich gedenke manches Winterabendstündchen fröhlich mit Euch zu verbringen, denn Eure Gesellschaft ist mir lieb und wert, und für das Kleine wollen wir auch gute Freunde finden." Und der Herr Pfarrer legte sehr freundlich seine Hand auf Heidis Krauskopf und nahm es bei der Hand und führte es hinaus, indem er den Großvater fortbegleitete, und erst draußen vor der Haustür nahm er Abschied, und nun konnten alle die herumstehenden Leute sehen, wie der Herr Pfarrer dem Alm-Öhi die Hand immer noch einmal schüttelte, gerade als wäre das sein bester Freund, von dem er sich fast nicht trennen könnte. Kaum hatte dann auch die Tür sich hinter dem Herrn Pfarrer geschlossen, so drängte die ganze Versammlung dem Alm-Öhi entgegen, und jeder wollte der Erste sein, und so viele Hände wurden miteinander dem Herankommenden entgegengestreckt, dass er gar nicht wusste, welche zuerst ergreifen, und einer rief ihm zu: "Das freut mich! Das freut mich, Öhi, dass Ihr auch wieder einmal zu uns kommt!", und ein anderer: "Ich hätte auch schon lang gern wieder einmal ein Wort mit Euch geredet, Öhi!" Und so tönte und drängte es von allen Seiten, und wie nun der Öhi auf alle die freundlichen Begrüßungen erwiderte, er gedenke, sein altes Quartier im Dörfli wieder zu beziehen und den Winter mit den alten Bekannten zu verleben, da gab es erst einen rechten Lärm, und es war gerade so, wie wenn der Alm-Öhi die beliebteste Persönlichkeit im ganzen Dörfli wäre, die jeder mit Nachteil entbehrt hatte. Noch weit an die Alm hinauf wurden Großvater und Kind von den meisten begleitet, und beim Abschied wollte jeder die Versicherung haben, dass der Alm-Öhi bald einmal bei ihm vorspreche, wenn er wieder herunterkomme; und wie nun die Leute den Berg hinab zurückkehrten, blieb der Alte stehen und schaute ihnen lange nach, und auf seinem Gesichte lag ein so warmes Licht, als schiene bei ihm die Sonne von innen heraus. Heidi schaute unverwandt zu ihm auf und sagte ganz erfreut: "Großvater, heut wirst du immer schöner, so warst du noch gar nie."

      "Meinst du?", lächelte der Großvater. "Ja, und siehst du, Heidi, mir geht's auch heut über Verstehen und Verdienen gut, und mit Gott und Menschen im Frieden stehen, das macht einem so wohl! Der liebe Gott hat's gut mit mir gemeint, dass er dich auf die Alm schickte."

      Bei der Geißenpeter-Hütte angekommen, machte der Großvater gleich die Tür auf und trat ein. "Grüß Gott, Großmutter", rief er hinein; "ich denke, wir müssen einmal wieder ans Flicken gehen, bevor der Herbstwind kommt."

      "Du mein Gott, das ist der Öhi!", rief die Großmutter voll freudiger Überraschung aus. "Dass ich das noch erlebe! Dass ich Euch noch einmal danken kann für alles, das Ihr für uns getan habt, Öhi! Vergelt's Gott! Vergelt's Gott!"

      Und mit zitternder Freude streckte die alte Großmutter ihre Hand aus, und als der Angeredete sie herzlich schüttelte, fuhr sie fort, indem sie die seinige fest hielt: "Und eine Bitte hab ich auch noch auf dem Herzen, Öhi: Wenn ich Euch je etwas zuleid getan habe, so straft mich nicht damit, dass Ihr noch einmal das Heidi fortlasst, bevor ich unten bei der Kirche liege. Oh, Ihr wisst nicht, was mir das Kind ist!", und sie hielt es fest an sich, denn Heidi hatte sich schon an sie geschmiegt.

      "Keine Sorge, Großmutter", beruhigte der Öhi; "damit will ich weder Euch noch mich strafen. Jetzt bleiben wir alle beieinander und, will's Gott, noch lange so."

      Jetzt zog die Brigitte den Öhi ein wenig geheimnisvoll in eine Ecke hinein und zeigte ihm das schöne Federnhütchen und erzählte ihm, wie es sich damit verhalte, und dass sie ja natürlich so etwas einem Kinde nicht abnehme.

      Aber der Großvater sah ganz wohlgefällig auf sein Heidi hin und sagte: "Der Hut ist sein, und wenn es ihn nicht mehr auf den Kopf tun will, so hat es Recht, und hat es ihn dir gegeben, so nimm ihn nur."

      Die Brigitte war höchlich erfreut über das unerwartete Urteil. "Er ist gewiss mehr als zehn Franken wert, seht nur!", und in ihrer Freude streckte sie das Hütchen hoch auf. "Was aber auch dieses Heidi für einen Segen von Frankfurt mit heimgebracht hat! Ich habe schon manchmal denken müssen, ob ich nicht den Peterli auch ein wenig nach Frankfurt schicken solle; was meint Ihr, Öhi?"

      Dem Öhi schoss es ganz lustig aus den Augen. Er meinte, es könnte dem Peterli nichts schaden; aber er würde doch eine gute Gelegenheit dazu abwarten.

      Jetzt fuhr der Besprochene eben zur Tür herein, nachdem er zuerst mit dem Kopf so fest dagegen gerannt war, dass alles erklirrte davon; er musste pressiert sein. Atemlos und keuchend stand er nun mitten in der Stube still und streckte einen Brief aus. Das war auch ein Ereignis, das noch nie vorgekommen war, ein Brief mit einer Aufschrift an das Heidi, den man ihm auf der Post im Dörfli übergeben hatte. Jetzt setzten sich alle voller Erwartung um den Tisch herum, und Heidi machte seinen Brief auf und las ihn


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