Die schönsten Kinderbücher (Illustriert). Гарриет Бичер-Стоу

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Die schönsten Kinderbücher (Illustriert) - Гарриет Бичер-Стоу


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Ja, schrecken Sie nur vor mir zurück, Fräulein. Ich bin zwar jünger, als Sie nach meinem Außern wohl glauben mögen, allein ich bin daran gewöhnt. Die ärmsten Weiber wenden sich ab, wenn ich ihnen auf der Straße begegne."

      "Das ist ja schrecklich!" rief Rosa, unwillkürlich einen weiteren Schritt zurückweichend.

      "Danken Sie Gott auf den Knien, Fräulein", fuhr Nancy fort, "daß Sie Freunde hatten, die über Ihre schutzlose Kindheit wachten. Daß Sie niemals Kälte und Hunger, Völlerei und Trunkenheit – und noch Schlimmeres gekannt haben, wie es bei mir von Anfang an der Fall war. Ich darf von diesen Dingen reden, da ich ein Gassenmädel bin, und die Gosse wird wohl auch dereinst mein Sterbebett sein."

      "Gott, wie ich Sie beklage", sagte Rosa mit zitternder Stimme. "Ihre Worte schneiden mir ins Herz."

      "Gott lohne Ihnen Ihre Güte! Ach, wie würden Sie mich erst bedauern, wenn Sie wüßten, was ich manchmal bin! Aber ich habe mich von denen fortgestohlen, die mich ohne Erbarmen mordeten, wenn sie erführen, daß ich hier gewesen bin, um Ihnen mitzuteilen, was ich gehört habe. – Kennen Sie einen Mann namens Monks?"

      Rosa verneinte.

      "Aber er kennt Sie und weiß, daß Sie hier sind. Ich hörte ihn nämlich den Ort nennen, wo Sie wohnen, und daher gelang es mir, zu Ihnen vorzudringen."

      "Der Name ist mir vollkommen fremd."

      "Dann ist er angenommen, wie ich früher schon vermutete. Vor einiger Zeit, kurz nachdem Oliver in der Nacht des Einbruchs in Ihr Haus geschickt wurde, belauschte ich eine Unterredung, die dieser Mensch im Finstern mit dem alten Juden Fagin hatte. Ich erfuhr, daß Monks – der Mann, nach dem ich Sie vorhin fragte –"

      "Ja, ich verstehe."

      "daß Monks Oliver zufällig an dem Tage, als wir ihn verloren, mit zweien von unsern Jungens gesehen hatte. Er erkannte ihn augenblicklich als das Kind, auf das er es abgesehen hatte, weshalb, konnte ich nicht herauskriegen. Es wurde eine Vereinbarung getroffen, daß Fagin eine gewisse Summe kriegen sollte, wenn Oliver wieder zurückgebracht würde. Wenn es dem Juden gelingen sollte, Oliver zum Diebe abzurichten, was Monks zu irgendeinem Zwecke wünschte, sollte er noch mehr erhalten."

      "Zu welchem Zwecke wohl?"

      "In der Hoffnung, das zu erfahren, trat ich etwas näher, und da gewahrte Monks meinen Schatten an der Wand. Nur wenige außer mir wären damals wohl imstande gewesen, einer Entdeckung zu entgehen. Mir gelang es jedoch, und ich sah bis gestern abend nichts mehr von ihm."

      "Und was geschah?"

      "Ich will es Ihnen sagen, Fräulein. Gestern abend kam er also wieder. Sie gingen wieder die Treppe hinauf, und ich horchte wieder an der Tür, aber so, daß mich mein Schatten nicht verraten konnte. Die ersten Worte, die ich Monks sagen hörte: waren: 'So liegen denn die einzigen Beweise, durch die sich Oliver hätte legitimieren können, auf dem Boden des Flusses, und die alte Hexe, die sie von der Mutter erhielt, modert in ihrem Sarge.' Sie lachten und freuten sich, daß der Streich so gut gelungen war. Monks, der immer aufgeregter wurde, sprach noch weiter über Oliver und sagte, obwohl ihm das Geld des Jungen Teufels jetzt sicher sei, hätte er doch lieber den anderen Weg eingeschlagen. Ein Hauptspaß wäre es gewesen, das prahlerische Testament des Vaters dadurch Lügen zu strafen, daß man den Jungen durch alle Gefängnisse der Stadt hetzte und ihn dann wegen irgendeines Kapitalverbrechens aufknüpfte. Das zu bewerkstelligen, hätte Fagin ein leichtes sein müssen, und er hätte ihn zuvor noch ordentlich ausnutzen können."

      "Was bedeutet das alles?"

      "Es ist die reine Wahrheit, obgleich sie von meinen Lippen kommt. Dann sagte Monks unter Verwünschungen, an die meine Ohren gewöhnt, die aber den Ihrigen fremd sind, er würde seinen Haß durch Ermordung Ofivers befriedigen, wenn er es tun könnte, ohne seinen Hals zu gefährden. Er würde aber dem Jungen sein ganzes Leben über auflauern und versuchen, ihm durch Enthüllung seiner Herkunft und durch das Erzählen seiner Geschichte auf jede Weise zu schaden. 'Kurz und gut, Fagin', sagte er, 'so sehr du auch Jude bist, du hast noch nie solche Fallstricke gelegt, wie ich sie jetzt meinem Bruder Oliver legen werde.'"

      "Sein Bruder?!" rief Rosa, die Hände zusammenschlagend.

      "Dies waren seine Worte", erwiderte Nancy und sah sich wieder unruhig um. Sie hatte es die ganze Zeit über getan, denn der Gedanke an Sikes regte sie etwas auf. "Und noch mehr. Als er von Ihnen und der anderen Dame sprach, sagte er, Gott und der Teufel scheine gegen ihn im Bunde zu sein, daß Oliver gerade in Ihre Hände kommen mußte. Aber es läge auch einiger Trost darin, fuhr er höhnisch lächelnd fort, daß Sie nicht wüßten, wer Ihr zweibeiniger Schoßhund sei. Denn Sie würden tausende und hunderttausende Pfund geben, falls Sie sie hätten, wenn Sie es erführen."

      "Sie wollen mich doch nicht glauben machen", sagte Rosa erblassend, "daß er das im Ernst sagte."

      "Wenn je ein Mensch im Ernst gesprochen hat, so tat er es. Er pflegt nicht zu scherzen, wenn der Haß in ihm wach wird. Ich kenne viele, die noch schlimmere Dinge tun, aber ich wollte sie alle lieber ein dutzendmal davon sprechen hören als diesen Monks nur ein einziges Mal. – Doch es ist schon spät, und zu Hause darf man nicht ahnen, daß ich hier gewesen bin. Ich muß eilen, um wieder heimzukommen."

      "Aber was kann ich tun?" fragte Rosa. "Was kann ich mit Ihren Mitteilungen ohne Sie anfangen? Sie wollen wieder zurück? Warum wollen Sie wieder zu Leuten, die sie in so schrecklichen Farben gezeichnet haben? Wenn Sie Ihre Aussage in Gegenwart eines Herrn wiederholen wollen, den ich sofort aus dem nächsten Zimmer rufen kann, so können wir Sie, ehe eine halbe Stunde um ist, an einem sicheren Orte unterbringen."

      "Ich wünsche zurückzukehren", entgegnete Nancy. "Ja, ich muß zurückkehren, weil – doch wie kann ich über solche Dinge mit einer so unschuldigen Dame wie Sie sprechen – weil unter den Menschen, von denen ich Ihnen erzählte, einer ist – und zwar einer der fürchterlichsten – den ich nicht verlassen kann. Nicht einmal, wenn ich von meinem gegenwärtigen Leben erlöst würde."

      "Sie haben sich schon früher Olivers angenommen, Sie sind unter großer Gefahr hierhergekommen, um mir mitzuteilen, was Sie gehört haben, Ihr ganzes Benehmen ist mir Bürge für die Wahrheit Ihrer Worte; und dann Ihre augenscheinliche Zerknirschung – alles das gibt mir die Überzeugung, daß Sie noch gerettet werden können. Ach", fuhr Rosa tiefernst fort und faltete die Hände, während ihr die Tränen über die Backen liefen, "verschließen Sie Ihr Ohr nicht den Bitten einer Angehörigen Ihres eigenen Geschlechts – der ersten vielleicht, die jemals mitleidend und mitfühlend zu Ihnen gesprochen hat. Hören Sie auf mich und lassen Sie sich durch mich zu einem besseren Leben rettcnl"

      "Fräulein!" rief Nancy und sank auf die Knie, "teures, süßes, engelisches Fräulein! Sie sind die erste, die mich mit solchen Worten beglückt. Würde ich sie vor Jahren vernommen haben, so hätten sie mich wohl einem Leben voll Sünde entreißen können. jetzt ist es zu spät!"

      "Reue und Buße kommen nie zu spät."

      "Doch, es ist zu spät", schrie Nancy im höchsten Seelen-, schmerz, "ich kann von ihm jetzt nicht fort, unmöglich kann ich ihn dem Tode verfallen lassen."

      "Wieso sollte das sein?"

      "Nichts könnte ihn retten; wenn ich anderen erzählte, was ich Ihnen beichtete, und dadurch die Verhaftung der in der Sache Verwickelten herbeiführte, so wäre sein Tod gewiß. Er ist der Verwegenste von allen gewesen und hat schreckliche Dinge begangen!"

      "lst's möglich, daß Sie eines solchen Menschen wegen auf jede Hoffnung für die Zukunft und die Gewißheit einer sofortigen Rettung verzichten? Das ist doch Wahno sinn!"

      "Ich weiß nicht, was es ist, ich weiß nur, daß es so ist, und nicht nur bei mir allein, sondern auch bei hundert anderen, die eben so schlecht und verkommen sind wie ich. Ich muß zurück! Vielleicht ist es die Strafe Gottes für das viele Böse, was ich getan habe. Es zieht mich zu ihm hin, trotz aller Leiden und Mißhandlungen, die ich zu erdulden habe, und ich kann nicht von ihm lassen, selbst wern ich wüßte, daß ich mal durch seine Hand sterben soll!"

      "Was ist da nur zu tun? Ich sollte Sie so nicht fortlassen."

      "Sie müssen


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