Die schönsten Kinderbücher (Illustriert). Гарриет Бичер-Стоу

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Die schönsten Kinderbücher (Illustriert) - Гарриет Бичер-Стоу


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ihn zärtlich umarmend, "es ist mein lieber, guter Junge!"

      "Meine liebe alte Pflegemutter!" rief Oliver.

      "Ich sagte ja immer, daß er wiederkommen würde, und wie gut er aussieht und so fein angezogen. Wo bist du denn diese ganze lange Zeit gewesen? Ach, es ist noch dasselbe sanfte Gesicht, nur nicht so bleich – dasselbe sanfte Auge, nur nicht so traurig. Oh, ich weiß alles noch ganz genau."

      So redete sie endlos weiter und lachte und weinte zu gleicher Zeit, indem sie Oliver mal in Armlänge von sich hielt, um zu sehen, wie groß er geworden sei, dann ihn wieder an sich zog und ihm zärtlich die Haare streichelte. Herr Brownlow überließ die beiden ihren Gefühlen und führte Rosa in ein anderes Zimmer, woselbst ihm diese zu seiner größten Überraschung ihre Unterredung mit Nancy erzählte. Rosa setzte ihm auch ihre Gründe auseinander, warum sie sich nicht gleich Herrn Losberne, ihrem Freunde, anvertraut hätte, was der alte Herr billigte. Er erklärte sich bereit, mit dem würdigen Doktor die Sache angelegentlich zu besprechen. Um dies bald ausführen zu können, wurde abgemacht, Herr Brownlow solle abends acht Uhr bei ihnen vorsprechen, damit man Frau Maylie inzwischen mit allen Vorgängen bekannt machen könne. Nachdem man diese Verabredungen getroffen hatte, kehrten Rosa und Oliver nach Hause zurück.

      Rosa hatte das Maß von des guten Doktors Zorn keineswegs überschätzt, denn kaum waren ihm Nancys Mitteilungen erzählt worden, als er sich in eine Flut von Drohungen und Verwünschungen erging. Er beteuerte, er wolle die Dirne zum Opfer des vereinten Scharfsinns der Herren Blathers und Duff machen, und setzte sich auch wirklich den Hut auf, um sich ungesäumt des Beistandes dieser Ehrenmänner zu versichern. Er würde auch höchstwahrscheinlich, ohne die Folgen zu bedenken, im ersten Eifer seinen Entschluß ausgeführt haben, wäre er nicht zurückgehalten worden durch eine entsprechende Heftigkeit des Herrn Brownlow, der selbst ziemlich temperamentvoll war, aber auch durch Gründe und Gegenvorstellungen, denen sich Losberne nicht verschließen konnte.

      "Ja, zum Donnerwetter, was sollen wir denn tun?" tobte der hitzige Doktor, als sie wieder zu den beiden Damen zurückgekehrt waren. "Wir sollen wohl diesem Spitzbubengesindel, Männern sowohl als Weibern, eine Dankadresse überreichen und sie bitten, hundert Pfund oder mehr anzunehmen als ein bescheidenes Zeichen unserer Achtung und unserer Erkenntlichkeit für die Güte und Liebe, die sie Oliver erwiesen haben?"

      "Das gerade nicht", sagte Herr Brownlow lachend. "Aber wir müssen sachte und mit großer Behutsamkeit vorgehen!"

      "Sachte und behutsam", schrie der Doktor. "Ich möchte sie alle samt und sonders zum – -"

      "Es ist gleichgültig, wohin Sie sie schicken möchten", fiel Herr Brownlow ein. "Ich bitte Sie nur, dabei zu bedenken, ob wir dadurch auch zum Ziel kommen!"

      "Zu welchem Ziel?" fragte der Doktor.

      "Einfach zu dem, herauszukriegen, wer Olivers Eltern gewesen sind, und ihm zu seinem Erbe zu verhelfen, das ihm so schändlich geraubt wurde."

      "Ach", sagte Herr Losberne, sich mit dem Taschentuche Kühlung fächelnd, Aas hatte ich ganz vergessen!"

      "Angenommen", fuhr Herr Brownlow fort, "von dem Mädchen kann ja ohnehin keine Rede sein, angenommen, es wäre möglich, alle andern Halunken dem Gerichte zu überliefern, was könnte wohl Gutes dabei herauskommen?"

      "Daß aller Wahrscheinlichkeit einige davon gehenkt und die übrigen ins Zuchthaus kommen würden", erwiderte der Doktor.

      "Schön", sagte Herr Brovrnlow lächelnd. "Dahin wird es mit ihnen sowieso kommen, wenn ihre Zeit abgelaufen ist. Greifen wir ihnen vor, so begehen wir meines Erachtens einen Don-Quichotte-Streich, der in geradem Widerspruch zu unserm oder doch Olivers Interesse steht, was so ziemlich ein und dasselbe ist."

      "Wieso?" fragte der Doktor.

      "Es ist doch klar, daß es schwierig genug sein wird, diesem Geheimnis auf den Grund zu kommen, wenn wir diesen Monks nicht zu einem Geständnis bringen können. Das ist nur durch eine Kriegslist möglich, indem wir ihn abfangen, wenn er nicht von seinen Kumpanen umgeben ist. Denn, lassen wir ihn auch festnehmen, was haben wir für Beweise gegen ihn? Soviel wir wissen oder aus den Tatsachen schließen können, ist er nicht einmal bei den Diebereien der Bande beteiligt. Wenn er auch nicht glatt freigesprochen werden würde, so könnte man ihn höchstens nur als Landstreicher für kurze Zeit einsperren, und nachher wäre aus ihm ebensowenig herauszubringen, als wenn er taubstumm oder blödsinnig wäre!"

      "Ich muß nochmals die Frage stellen", fiel der Doktor heftig ein, "Ob Sie es wohl für vernünftig halten, daß man sich durch das dieser Dirne gegebene Versprechen binden läßt? Es ist allerdings ein Versprechen, in der besten und wohlwollendsten Absicht gegeben, aber in Wirklicho keit –"

      "Ich bitte, lassen Sie sich auf keine Erörterung dieses Punktes ein", sagte Herr Brownlow zu Rosa, die eben reden wollte. "Ihr Versprechen soll gehalten werden. Ich glaube, daß wir dadurch keinen Nachteil haben. Aber bevor wir uns zu einem wirksamen Schritt entschließen können, ist es nötig, daß wir mit dem Mädchen Rücksprache nehmen und es fragen, ob es uns den Monks zeigen will, wenn wir ihm versichern, daß er nur mit uns und nicht mit dem Gericht zu tun haben soll. Will oder kann es das nicht, so müssen wir von ihm eine Beschreibung seiner Person und seines Aufenthaltsortes herauszubekommen versuchen, damit wir den Burschen fassen können. Man kann es erst Sonntag wieder sprechen, und heute ist Dienstag. Ich rate daher, vorderhand uns ganz ruhig zu verhalten und auch Oliver von der Angelegenheit nichts wissen zu lassen."

      Obgleich Herr Losberne zu dem Vorschlag, fünf volle Tage zu warten, ein scheeles Gesicht machte, so mußte er doch zugeben, augenblicklich keinen besseren Rat zu wissen. Rosa und Frau Maylie waren ganz auf seiten des Herrn Brownlow, und so fand dessen Vorschlag einstimmige Billigung.

      "Es wäre mir lieb", sagte letzterer, "meinen Freund Grimwig ins Vertrauen zu ziehen. Er ist zwar ein schnurriger Kauz, besitzt aber einen scharfen Verstand und könnte uns von erheblichem Nutzen sein. Er war Rechtsanwalt und gab seine Laufbahn aus Unmut darüber auf, daß ihm in zwanzig Jahren nur zwei Klagesachen übertragen worden waren. Sie mögen aber selbst urteilen, ob dies eine Empfehlung ist oder nicht."

      "Ich habe nichts dagegen, wenn Sie Ihren Freund zuziehen wollen, vorausgesetzt, daß ich mich auch mit dem meinigen beraten darf", versetzte der Doktor.

      "Darüber muß abgestimmt werden", entgegnete Herr Brownlow. "Wer ist es?"

      "Der Sohn dieser Dame und Fräulein Rosas – langjähriger Freund", antwortete der Doktor mit einer Kopfwendung zu den beiden Damen.

      Rosa wurde feuerrot im Gesicht, aber sie machte keine Einwendungen (weil sie wohl erkannte, sie würde in einer hoffnungslosen Minderheit bleiben), und so wurden Harry Maylie und Herr Grimwig in den Ausschuß aufgenommen.

      "Wir bleiben natürlich so lange in der Stadt", sagte Frau Maylie, "als noch die geringste Aussicht vorhanden ist, die Nachforschungen mit Erfolg weiter zu betreiben. Ich werde bei einer Sache, die uns alle so nahegeht, weder Mühe noch Kosten sparen und gern hierbleiben, selbst, wenn es ein Jahr dauern sollte, um sie zu einem guten Ende zu bringen."

      "Gut", Versetzte Herr Brownlow, "und da ich in Ihren Gesichtern lese, daß Sie gern wissen möchten, wie es kam, damals nicht dagewesen zu sein, um Olivers Angaben zu bestätigen, so bitte ich Sie, mir deshalb keine Fragen vorzulegen. Zur gegebenen Zeit werde ich durch Erzählung meiner eigenen Geschichte alle heute unausgesprochenen Fragen beantworten. Sie dürfen überzeugt sein, daß ich für meine Forderung Gründe habe. Ich will nämlich keine Hoffnungen erwecken, die vielleicht nie in Erfüllung gehen und nur die zahlreichen Schwierigkeiten vermehren würden. – Doch man hat zum Abendessen gerufen, und der arme Oliver, welcher ganz allein im nächsten Zimmer sitzt, denkt vielleicht, wir sind seiner überdrüssig geworden und hätten uns hier verschworen, ihn wieder in die Welt hinauszustoßen.

      Mit diesen Worten bot der alte Herr Frau Maylie den Arm und führte sie in das Speisezimmer, während Herr Losberne Rosa geleitete. Die Beratung hatte damit ein Ende.

      Zweiundvierzigstes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis


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