Die schönsten Kinderbücher (Illustriert). Гарриет Бичер-Стоу

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Die schönsten Kinderbücher (Illustriert) - Гарриет Бичер-Стоу


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Ihnen ergebenst", sagte Fagin und verbeugte sich mit grotesker Höflichkeit. "Ich hoffe, Sie bald noch näher kennenzulernen."

      "Hörst du, was der Herr sagt, Charlotte?" brüllte sie Herr Claypole an.

      "Ja, lieber Noah", erwiderte Frau Bolter, ihre Hand Fagin hinreichend.

      "Noah ist ein Schmeichelname", erklärte Herr Morris Bolter alias Claypole dem Juden. "Sie verstehen mich?"

      "Vollkommen!" antwortete Herr Fagin, der damit diesmal die Wahrheit sprach. "Gute Nacht. Gute Nacht."

      Dreiundvierzigstes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

       In dem gezeigt wird, wie der Gannef in die Patsche kommt

      "So sind Sie also selbst der gute Freund gewesen?" fragte Herr Claypole, sonst Bolter, als er am nächsten Vormittag das Haus des Juden betrat, wohin er bestellt worden war. "Ich Schafskopf hätte es mir gestern schon denken können."

      "Jedermann ist sein eigener Freund, mein Lieber", versetzte Fagin mit bezeichnendem Grinsen, "er kann keinen besseren finden."

      "Mit Ausnahmen", erwiderte Morris Bolter im Tone eines welterfahrenen Mannes. "Manche Menschen sind ihre eigenen größten Feinde, wissen Sie!"

      "Glauben Sie das ja nicht", sagte Fagin. "Ist ein Mensch sein eigener Feind, so nur deshalb, weil er zu sehr sein eigener Freund ist, und nicht, weil er andere mehr in sein Herz geschlossen hat. Das wäre gegen die Menschennatur."

      "Und käme es vor, so wäre es nicht in der Ordnung", meinte Herr Bolter.

      "Das liegt klar auf der Hand", sprach Fagin. "Von den Magiern halten einige die 3 und andere die 7 für die Zauberzahl. Aber das stimmt nicht. Nummer eins ist's!"

      "Ha! ha!" lachte Herr Bolter. "Hoch die Nummer eins."

      "In einer so kleinen Vereinigung wie die unsrige, mein Lieber", sagte der Jude, "haben wir eine allgemeine Nummer eins. Das heißt, Sie können sich nicht selber als Nummer eins betrachten, ohne mich und all die anderen mit einzuschließen."

      "Teufel auch!" rief Herr Bolter.

      "Sie sehen", fuhr Fagin fort und tat so, als ob er die Unterbrechung nicht gehört hätte, "unsere Interessen sind so miteinander verwachsen, daß es gar nicht anders sein kann. Zum Beispiel, Sie sorgen für Nummer eins – das heißt für sich selbst."

      "Ganz recht, gewiß!"

      "Schön, Sie können aber nicht für sich als Nummer eins sorgen, ohne auch für mich zu sorgen, der ich gleiche falls Nummer eins bin."

      "Nummer zwei wollten Sie sagen", meinte Herr Bolter.

      "Nein, nicht doch", erwiderte Fagin. "Ich bin für Sie ebenso wichtig, wie Sie es sich selbst sind."

      "Wissen Sie", sagte Herr Bolter, "Sie sind ja ein netter Kerl, und ich habe Sie auch ganz gern, aber so dicke Freunde sind wir denn doch nicht."

      "Aber überlegt mal", sagte der Jude, heftig gestikulierend, "bedenkt, Sie haben da einen Streich vollführt, der mir sehr gefällt. jedoch könnte er Ihnen leicht zu einer Krawatte verhelfen, die sich leichter knüpfen als aufmachen läßt – nämlich zum Strick."

      Herr Bolter fühlte sich an den Hals, als ob ihm der Kragen zu eng wäre, und murmelte etwas, das wie Zustimmung klang.

      "Der Galgen", fuhr Fagin fort, "ist ein häßlicher Wegweiser, der auf eine gefährliche Ecke zeigt, die der Laufbahn manches verwegenen Burschen ein plötzliches Ziel gesetzt hat. Sich von ihm fern zu halten, ist für Sie Nummer eins."

      "Selbstverständlich, doch warum reden Sie von solchen Dingen."

      "Nur, um Ihnen offen meine Meinung zu sagen", entgegnete der Jude, die Augenbrauen hochziehend. "Sie hängen von mir ab, und ich hänge von Ihnen ab, wenn mein Geschäft gehen soll. Das erstere ist Ihre Nummer eins, das letztere die meinige. Je mehr Sie für Ihre Nummer eins sorgen, desto besorgter müssen Sie auf die meinige sein. So kommen wir zuletzt wieder auf das, was ich von Anfang an gesagt habe, daß nämlich die Rücksicht auf Nummer eins uns alle zusammenhält und zusammenhalten muß, wenn unsere Gemeinschaft nicht in die Brüche gehen soll!"

      "Das ist richtig, ich merke schon, Sie sind ein schlauer alter Fuchs!"

      "Ja, nur wenn wir fest zusammenstehen, kommt man über schwere Verluste weg", sagte Fagin. "Gestern morgen habe ich meinen besten Mitarbeiter verloren."

      "Durch den Tod?"

      "Nein, nein, so schlimm ist's nicht!"

      "Er ist wohl –"

      "Abhanden gekommen", ergänzte der Jude, "ja, ab, handen gekommen ist er!"

      "Wie das?" fragte Herr Bolter.

      "Er wurde wegen versuchten Taschendiebstahls verhaftet, und man fand eine silberne Tabaksdose bei ihm – seine eigene, mein Lieber, denn er schnupft selbst gern. Ach, er war fünfzig silberne Dosen wert, und ich ließe mich's gern das Geld dafür kosten, wenn ich ihn wieder hätte. Sie sollten den Gannef gekannt haben!"

      "Nun, ich hoffe ihn wohl noch kennenzulernen, meinen Sie nicht auch?"

      "Schwerlich", sagte der Jude seufzend. "Man wird ihn wohl auf Lebenszeit in die Strafkolonie schicken."

      Das Gespräch wurde hier durch Herrn Karl Bates unterbrochen, der mit betrübtem Gesicht eintrat.

      "Es ist mit ihm aus, Fagin", sagte Karl, nachdem er und sein neuer Gefährte sich vorgestellt hatten.

      "Was soll das heißen?"

      "Man hat den Besitzer der Dose gefunden und auch noch einige andere Zeugen aufgetrieben. Der Gannef erhält freie Ausreise", berichtete Karl Bates.

      "Wir müssen herauskriegen, was er macht. Laß mich mal nachdenken", sagte Fagin.

      "Soll ich'mal gehen?" fragte Karl.

      "Bist du verrückt? Es ist vorläufig genug, einen verloren zu haben", versetzte der Jude.

      "Sie denken doch nicht etwa selbst hinzugehen?"

      "Das wäre untunlich", meinte Fagin kopfschüttelnd.

      "Warum schicken Sie nicht das Grünhorn?" fragte Herr Bates und legte seine Hand auf Noahs Arm. "Kein Mensch kennt ihn!"

      "Wenn er nichts dagegen hat –", meinte Fagin zögernd.

      "Was soll er dagegen haben?" fiel Karl ein.

      "Es ist wirklich nichts zu befürchten", sagte der Jude, sich an Noah wendend.

      "Sie haben gut reden", versetzte dieser. "Nein, ausgeschlossen, es schlägt nicht in mein Fach!"

      "Was hat er denn für ein Fach gekriegt, Fagin?" fragte Herr Bates mit einem verächtlichen Blick auf Noahs schlottrige Gestalt. "Vielleicht das Ausreißen, wenn's nicht ganz geheuer ist, und das Fressen und Saufen, wenn alles geklappt hat. – Gehört das zu seinem Fach?"

      "Geht dich gar nichts an!" schnaubte Herr Bolter. "Nimm dir keine Frechheiten heraus gegen Leute, die mehr als du sind, Knirps. Bei mir kommst du an den Unrechten!"

      Herr Bates lachte unbändig über die prahlerische Drohung, und es dauerte einige Zeit, ehe sich Fagin ins Mittel legen und Herrn Bolter klarmachen konnte, daß bei einem Gange nach der Polizei von einer Gefahr für ihn keine Rede sein konnte. Besonders, wenn er verkleidet sei. Herr Bolter ließ sich durch diese Ausführungen, mehr aber noch durch seine Furcht vor dem Juden bewegen, den Auftrag auszuführen. Er vertauschte auf Fagins Geheiß seinen eigenen Anzug mit einem Fuhrmannskittel, Manchesterhosen und Gamaschen, die der Jude gerade zur Hand hatte, und bekam eine Kärrnerpeitsche in die Hand.

      Er stellte einen Bauernjungen mit großem Geschick dar (da er von Natur ein unbeholfener Bursche war), der aus Neugierde eine Verhandlung vor dem Polizeirichter mitanhören wollte. Nachdem ihm der Gannef genau beschrieben


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