Die schönsten Kinderbücher (Illustriert). Гарриет Бичер-Стоу

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Die schönsten Kinderbücher (Illustriert) - Гарриет Бичер-Стоу


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      Nachdem Herr Claypole seinen Gedanken in dieser Weise Form gegeben hatte, öffnete sich plötzlich die Tür, und Herr Fagin trat ins Zimmer. Er hatte seine freundlichste Miene aufgesteckt, näherte sich mit einer tiefen Verbeugung und setzte sich an einen Tisch ihrer unmittelbaren Nachbarschaft nieder. Den grinsenden Barney beauftragte er, ihm etwas zu trinken zu bringen.

      "Ein herrlicher Abend, aber etwas zu kalt für diese Jahreszeit", sagte Fagin, sich die Hände reibend. "Vom Lande, wie ich sehe?"

      "Woran sehen Sie das?" fragte Noah.

      "Wir haben in London nicht so viel Staub wie Sie mitschleppen", erwiderte der Jude und zeigte auf ihre Schuhe.

      "Sie sind ein schlauer Kerl", sagte Noah. "Ha! ha! hör nur, was er sagt, Charlotte."

      "Ja, Freundchen, hier in London muß man gerissen sein", meinte der Jude; er sagte das in einem vertraulichen Flüstertone und schlug mit seinem rechten Zeigefinger an die Nase. Noah versuchte die Bewegung nachzuahmen, es gelang ihm nur unvollständig, da sein Gesichtserker dazu nicht groß genug war. Fagin schien diesen Versuch als eine Zustimmung seiner Ansicht zu deuten und bot ihm in der liebenswürdigsten Weise sein Glas mit Schnaps an, das Barney gerade brachte.

      "Das ist ein guter Stoff", bemerkte Herr Claypole und schnalzte wohlbehaglich mit den Lippen.

      "Aber teuer", sagte Fagin, "wer ihn immer trinken will – muß immer etwas leeren. Eine Schublade, eine Tasche, ein Haus, eine Postkutsche oder eine Bank."

      Herr Claypole hatte kaum die Wiederholung seiner eigenen Worte gehört, als er auf seinen Stuhl zurücksank und mit aschfahlem Gesicht von dem Juden zu Charlotte hin blickte.

      "Sie brauchen keine Angst zu haben, mein Lieber. Ha! ha! ha! Glücklicherweise habe ich es nur gehört. Das war wirklich ein Glück!"

      "Ich hab's nicht genommen", stotterte Noah. "Sie hat's ganz allein getan und hat das Geld auch noch. Du weißt das, Charlotte."

      "Es ist ganz gleich, wer es hat oder tat, Freundchen", versetzte Fagin, der aber trotzdem einen lauernden Blick auf das Mädchen warf. "Ich bin in derselben Branche, und Sie gefallen mir deshalb."

      "In welcher Branche?" fragte Noah aufatmend.

      "Nun, derartige Geschäftchen zu machen wie Sie. Alle hier im Hause treiben dasselbe Gewerbe. Sie sind hier in die richtige Schmiede gekommen und so sicher, wie man es nur sein kann, das heißt, wenn ich will. Aber ich habe Sie und das junge Mädchen da in mein Herz geschlossen, und Sie können nun ganz ruhig sein."

      Trotz dieser Worte guckte ihn Noah immer noch ein wenig argwöhnisch an, so daß der Jude sich veranlaßt fühlte, in seiner Rede fortzufahren:

      "Ich habe einen Freund, der Ihren Lieblingswunsch befriedigen kann und Ihnen gern den richtigen Weg zeigen wird zu dem Geschäftszweig, der Ihnen am meisten zusagt, wie er Ihnen auch in allen anderen Branchen Unterricht zu erteilen vermag!"

      "Sie sprechen, als ob es Ihr Ernst wäre!"

      "Was hätte ich davon, wenn ich hier scherzen wollte", sagte der Jude achselzuckend. – "Doch ich möchte gern einige Worte mit Ihnen allein draußen sprechen."

      "Das ist nicht nötig, die Mühe können wir uns sparen. Sie kann das Gepäck hinauftragen. Charlotte, bring die Bündel hinauf!"

      Diesen, mit viel Majestät gegebenen Befehl Noahs führte das Mädchen eilfertig aus, und befriedigt fragte er Fagin im Tone eines Tierbändigers:

      "Halte ich sie nicht ordentlich in Zucht?"

      "Großartig", antwortete dieser und klopfte ihm auf die Schulter. "Sie sind ein Genie, mein Bester."

      "Wäre auch sonst nicht hier in London", versetzte der Jüngling geschmeichelt. "Doch verlieren wir keine Zeit, sie wird bald wieder hier sein."

      "Nun, wie denken Sie darüber?" fragte der Jude. "Wenn Ihnen mein Freund gefällt, gibt es dann etwas Besseres, als sich ihm anzuschließen?"

      "Es kommt darauf an, ob sein Geschäft gut geht", erwiderte Noah und zwinkerte mit einem Auge.

      "Großartig geht's, und er beschäftigt eine Masse Leute", sprach der Jude. "Sie finden dort die beste Gesellschaft der Branche."

      "Alle aus der Stadt?" fragte Herr Claypole.

      "Kein Provinzler darunter, und er würde Sie selbst auf meine Empfehlung hin nicht annehmen, wenn es ihm nicht augenblicklich an Gehilfen fehlte."

      "Muß ich dann wohl mit diesem da 'rausrücken?" fragte Noah, auf seine Hosentasche klopfend.

      "Läßt sich unmöglich anders machen", sagte Fagin bestimmt.

      "Aber zwanzig Pfund sind eine Masse Geld!"

      "Nicht, wenn es eine Banknote ist, die Sie nicht los werden können. Man wird sich wohl Nummer und Datum gemerkt und sie bei der Bank gesperrt haben. Sie hat keinen großen Wert für ihn, denn er wird sie auswärts anbringen müssen und sicher viel daran verlieren."

      "Wann kann ich Ihren Freund sehen?"

      "Morgen früh."

      "Wo?"

      "Hier!"

      "Hm! – Und der Lohn?"

      "Ein Herrenleben – Kost, Wohnung, Tabak und Schnaps frei – und die Hälfte von allem, was Sie und die junge Frau erobern."

      Es ist zweifelhaft, ob Herr Noah Claypole, trotz seiner Habsucht, dieses lockende Angebot angenommen hätte, wenn er völlig frei hätte handeln können. Da er aber befürchtete, in der Gewalt Fagins zu sein, der ihn hätte den Gerichten übergeben können, so sagte er schließlich, daß ihm der Vorschlag annehmbar schiene.

      "Aber sehen Sie", bemerkte Noah, "daß mir recht Leichtes übertragen wird, denn Charlotte kann dafür desto mehr arbeiten!"

      "Wie wäre es mit Ausbaldowern? Mein Freund braucht jemand, der dazu Talent hat."

      "Würde ich ganz gerne tun, es fällt aber bei dem Geschäft nicht viel für einen ab", meinte Noah.

      "Das ist wahr, viel zu verdienen ist dabei nicht."

      "Fällt Ihnen sonst nichts ein, eine ungefährliche Sache?"

      "Was halten Sie von alten Damen? Wenn man ihnen die Handtaschen und Pakete aus der Hand reißt und um die nächste Ecke verschwindet – damit läßt sich ein schönes Stück Geld machen."

      "Schreien und kratzen die nicht zuweilen mächtig?" fragte Noah, den Kopf schüttelnd. "Das sagt mir nicht besonders zu. Ist nichts Besseres für mich da?"

      "Halt!" rief der Jude, die Hand auf Noahs, Knie legend. "Ich hab's, das Görenlausen!"

      "Was ist das?"

      "Die Gören", sagte der Jude, "sind die kleinen Kinder, die von ihren Müttern mit Geld ausgeschickt werden, um allerhand einzuholen. Man laust sie, das heißt, nimmt ihnen das Geld weg und stößt sie in den Rinnstein. Wenn sie weinen, geht man langsam davon und tut, als ob weiter nichts passiert sei; die Leute denken, nur ein Kind sei hingefallen und habe sich wehgetan. Ha! ha! ha!"

      "Ha! ha!" brüllte Herr Claypole vor Lachen und trampelte mit den Füßen. "Das ist das Richtige für mich."

      "Glaub's auch", meinte Fagin. "Sie können ein paar feine Bezirke kriegen – zum Beispiel Camden Town und Battle Bridge, wo immer Kinder mit derartigen Aufträgen umherlaufen, und man zu jeder Tagesstunde Gören lausen kann. Ha! Ha!"

      Mit diesen Worten stieß er ihm kitzelnd seinen Zeigefinger in die Seite, worauf beide abermals in ein langes Gelächter ausbrachen.

      "Nun gut", sagte Noah, als er sich von seinem Lachkrampf etwas erholt hatte und Charlotte wieder zurückgekehrt war. "Also um welche Zeit morgen?"

      "Ist Ihnen zehn Uhr recht?" fragte der Jude, und als Herr Claypole bejahte, fuhr er fort, "welchen Namen soll ich meinem Freunde nennen?"

      "Bolter", antwortete Noah, der sich auf eine solche Frage vorbereitet hatte. "Herr Morris


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