Die schönsten Kinderbücher (Illustriert). Гарриет Бичер-Стоу

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Die schönsten Kinderbücher (Illustriert) - Гарриет Бичер-Стоу


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ha! ha!" lachte der Jude, als ob ihm sogar dieses geringe Zugeständnis Freude machte. "Ihr seid heute abend wieder ganz der Alte, Bill!"

      "Mir ist's aber nicht so, solange deine dreckige alte Pfote auf meiner Schulter liegt – weg damit!" schrie Sikes und stieß die Hand des Juden fort.

      "Macht sie Euch nervös, Bill – erinnert sie Euch ans Gefaßtwerden", fragte der Jude, der sich vorgenommen hatte, keine Empfindlichkeit zu zeigen.

      "Sie erinnert mich an die Klaue des Teufels, nicht an die eines Häschers", erwiderte Sikes. "Es hat nie einen Menschen gegeben mit einem Gesicht wie deines, höchstens deinen Vater. Ich glaube aber, dem wird jetzt sein ergrauter roter Bart in der Hölle gesengt, wenn nicht etwa Beelzebub selbst dein Vater ist. Wundern würde mich das weiter nicht."

      Fagin schwieg zu dieser Schmeichelei, zupfte aber Sikes am Ärmel und zeigte auf Nancy, die sich während der Unterhaltung der beiden Ehrenmänner den Hut aufgesetzt hatte und im Begriff war, das Zimmer zu verlassen.

      "Hallo, Nancy!" rief Sikes. "Donnerwetter, wohin willst du zu so später Stunde."

      "Nicht weit."

      "Was ist das für eine Antwort! Wohin gehst du?"

      "Ich sage, nicht weit."

      "Und ich sage, wohin?" schrie Sikes barsch. "Hörst du?"

      "Ich weiß selbst nicht, wohin."

      "Dann weiß ich es", sagte Sikes, mehr aus Widerspruchsgeist, als weil er etwas gegen Nancys Ausgang einzuwenden hatte. "Du gehst nirgends hin. Setz dich!"

      "Ich fühle mich nicht wohl. Ich muß an die frische Luft, habe es dir vorhin schon gesagt."

      "Stecke den Kopf zum Fenster hinaus, das ist ebenso gut", schrie Sikes.

      "Das genügt mir nicht, ich muß mir Bewegung machen."

      "Daraus wird nichts", brummte Sikes, der bei diesen Worten aufstand, die Tür abschloß, den Schlüssel herauszog und dem Mädchen den Hut vom Kopf riß, den er auf einen alten Schrank warf. "So", sagte der Einbrecher, "willst du jetzt hierbleiben oder nicht?"

      "Ich gehe auch ohne Hut", sagte Nancy blaß werdend "Was soll das heißen, Bill? Du weißt wohl nicht, was du tust?"

      "Ob ich es weiß, zum Donnerwetter", schrie Sikes und drehte sich nach Fagin um. "Sie ist verrückt geworden, sonst würde sie sich nicht trauen, so mit mir zu reden."

      "Du wirst mich noch zur Verzweiflung bringen", murmelte Nancy dumpf, mit Gewalt ihre Wut unterdrückend. "Laß mich sofort gehen – sofort!"

      "Nein", brüllte Sikes.

      "Sagt Ihr es ihm, daß er mich gehen läßt, Fagin. Es ist besser für ihn. Hört Ihr?" schrie das Mädchen und stampfte mit dem Fuß auf.

      "Ich höre dich ganz gut", sagte Sikes, seinen Stuhl umdrehend, um Nancy scharf ansehen zu können. "Wenn ich dich noch eine halbe Sekunde länger höre, so wird dir der Hund deine kreischende Stimme aus dem Halse reißen, verlaß dich darauf. Was fällt dir ein, dummes Frauenzimmer?"

      "Laß mich gehen", sagte Nancy bittend und setzte sich auf den Fußboden dicht bei der Tür. "Bitte laß mich gehen. Du weißt nicht, was du tust. Nur eine einzige Stunde – bitte, laß mich."

      "Ich laß mich hängen", schrie der Einbrecher, sie rauh am Arm packend, "wenn das Mädchen nicht toll geworden ist! Steh auf!"

      "Nicht eher, als bis du mich gehen läßt – nicht eher!" kreischte Nancy.

      Sikes faßte sie bei den Händen und schleppte die sich heftig Sträubende in ein anstoßendes, kleines Gemach. Er drückte sie auf einen Stuhl nieder und hielt sie fest. Die Uhr schlug zwölf, und müde und erschöpft ließ Nancy vom Kampfe ab.

      "Donnerwetter", sagte der Verbrecher, als er wieder zu Fagin zurückgekehrt war, sich den Schweiß von der Stirn wischend: "Ein ganz verrücktes Mädel!"

      "In der Tat, Bill", erwiderte der Jude nachdenklich.

      "Was mag ihr wohl in die Krone gestiegen sein, daß sie durchaus heute nacht ausgehen wollte?" fragte Sikes. "Du mußt sie besser kennen als ich, was meinst du wohl?"

      "Weibereigensinn und Halsstarrigkeit, glaube ich", sagte Fagin und zuckte mit den Achseln.

      "Hm! 's kommt mir auch so vor", brummte der Räuber. "Ich glaubte schon, ich hätte sie klein gekriegt, aber sie ist so schlimm wie je."

      "Schlimmer, Bill", sagte Fagin. "Ich habe sie nie so gesehen und noch dazu wegen eines so unbedeutenden Grundes."

      "Ich auch nicht. Ich glaube, es steckt ihr noch etwas Fieber im Blut, und es will nicht heraus. Was meinst du?"

      "Schon möglich."

      "Ich will ihr ein bißchen zur Ader lassen, ohne den Doktor darum zu bemühen, wenn Sie mir wieder so kommt!"

      Fagin nickte zustimmend.

      "Sie war Tag und Nacht um mich, als ich krank daniederlag, während du falscher Hund dich nicht sehen ließest. Wir waren die ganze Zeit über im mächtigen Dalles, und das hat sie so mitgenommen. Und dann das Immer-im-Hause-bleiben-müssen – wie?"

      "Das wird's sein, mein Lieber. – Pst!"

      Nancy trat jetzt ins Zimmer und nahm ihren alten Platz wieder ein. Ihre Augen waren vom Weinen ganz rot und geschwollen. Nach einer Weile brach sie in ein lautes Lachen aus.

      "Nanu, jetzt kommt's ja ganz anders", schrie Sikes und sah Fagin verwundert an.

      Der Jude bedeutete ihm, sie nicht weiter zu beachten, und nach einigen Minuten war sie wieder ganz die alte. Fagin nahm nun seinen Hut und bat, es möchte ihm jemand die Treppe hinunterleuchten. "Gute Nacht, Bill."

      "Tu das, Nancy", sagte Sikes, der sich gerade eine Pfeife stopfte. "Es wäre schade, wenn er sich hier den Hals bräche und die schaulustige Menge um das Schauspiel seines Gehängtwerdens betröge. Da, nimm die Funzel!"

      Nancy folgte dem Alten mit der Kerze die Treppe hinunter. Als sie unten im Hausflur waren, legte er den Finger an die Lippen und flüsterte Nancy zu:

      "Was war los, liebes Kind?"

      "Was meint Ihr" flüsterte sie zurück.

      "Was war der Grund, auszugehen?" entgegnete der Jude. "Wenn er –" er zeigte nach oben, "wenn er so gemein zu Ihnen ist – solch ein Vieh! Ein richtiges wildes Tier! Warum wollen Sie nicht –?"

      "Nun?" fragte Nancy, als er innehielt.

      "Lassen wir's für heute! Reden wir ein andermal darüber. Sie haben einen Freund an mir, Nancy, einen treuen, zuverlässigen Freund. Seien Sie nicht ängstlich, ich habe ihn in der Hand. Wenn Sie sich an ihm rächen wollen, der Sie wie einen Hund behandelt – ja, noch schlechter, denn seinen Hund streichelt er doch manchmal –, so kommen Sie zu mir. Ihn kennen Sie erst seit kurzer Zeit – mich aber von alters her, Nancy."

      "Euch kenne ich allerdings", sagte sie, ohne die geringste Bewegung zu zeigen. "Gute Nacht!"

      Sie fuhr zurück, als Fagin ihr die Hand bot, sagte aber nochmals mit ruhiger Stimme gute Nacht und schloß die Tür.

      Der Jude ging sinnend heim. Er war nicht gerade durch den letzten Vorfall auf den Gedanken gekommen, daß Nancy, der Roheit des Verbrechers müde, eine Neigung zu einem neuen Freunde gefaßt hätte – er schien aber seine Ansicht zu bestätigen. Ihr verändertes Wesen, der Umstand, daß sie oft allein das Haus verließ, ihre Gleichgültigkeit gegen die Interessen der Bande und ihr heftiges Verlangen, gerade zu einer bestimmten Stunde heute ausgehen zu wollen – alles trug dazu bei, ihn in seiner Meinung zu bestärken. Der Gegenstand ihrer neuen Herzensfreundschaft war keiner von seinem Anhang. Er mußte mit einer Gehilfin wie Nancy eine wertvolle Erwerbung sein, die man sich ohne Verzug sichern müßte.

      Auch war damit noch etwas anderes zu erreichen. Sikes wußte zuviel, und seine höhnischen Redensarten hatten den Juden tief verletzt, obgleich er sich nichts merken ließ. Nancy mußte sich klar sein, daß, wenn sie sich


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