Die schönsten Kinderbücher (Illustriert). Гарриет Бичер-Стоу

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Die schönsten Kinderbücher (Illustriert) - Гарриет Бичер-Стоу


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doch halt – an seinem Halse, so hoch, daß man noch etwas davon über seinem Kragen sehen kann, wenn er den Kopf etwas dreht, ist –"

      "Ein breites, rotes Brandmal?" rief der Herr.

      "Wie – Sie kennen ihn?"

      Rosa entfuhr ein Ausruf höchsten Erstaunens, und alle drei schwiegen plötzlich. Der Lauscher konnte sie ganz deutlich atmen hören.

      "Ich glaube es", unterbrach der Herr das Schweigen, "wenigstens Ihrer Beschreibung nach. Wir werden ja sehen. Es gibt Leute, die sich auffallend ähneln. Vielleicht ist es doch nicht der nämliche."

      Der Horcher hörte ihn aber flüstern: "Er muß es sein", laut fuhr er wieder fort:

      "Sie haben uns einen großen Dienst geleistet, Fräulein, und wir möchten uns gern erkenntlich zeigen. Was kann ich für Sie tun?"

      "Nichts", erwiderte Nancy.

      "Bitte, reden Sie nicht so", sagte der Herr in so gütigem Tone, daß davon das härteste Herz hätte gerührt werden müssen. "überlegen Sie erst mal, und sprechen Sie dann."

      "Sie können mir nicht helfen", entgegnete Nancy und fing zu weinen an. Für mich gibt's keine Rettung mehr!"

      "Sie dürfen die Hoffnung nicht aufgeben", sagte der Herr, "setzen Sie sie auf die Zukunft! Ich sage nicht, daß es in unserer Macht steht, Ihnen den Frieden der Seele wiederzugeben, da Sie ihn nur finden können, wenn Sie ihn suchen. Es übersteigt aber nicht unser Vermögen und ist auch unser sehnlichster Wunsch, Sie in Sicherheit zu bringen und Ihnen eine ruhige Freistätte entweder hier in England oder, wenn Sie sich zu bleiben scheuen, im Auslande zu verschaffen. Noch ehe der Morgen graut, sollen Sie sich außer dem Bereich Ihrer Genossen befinden und so wenige Spuren hinterlassen, als wenn Sie plötzlich von der Erde verschwunden wären. Verlassen Sie diese Elenden, solange Sie noch können!"

      "Ich kann nicht", versetzte Nancy nach einem kurzen Kampfe mit sich. "Ich bin mit ehernen Banden an mein früheres Leben gekettet, das mir jetzt verhaßt ist. Ich bin zu weit gegangen, um umkehren zu können. Wenn Sie vor einiger Zeit so zu mir gesprochen hätten, wäre ich wahrscheinlich mit Freuden darauf eingegangen. Doch – mich packt wieder die Angst", sagte sie, sich scheu umsehend, "ich muß nach Hause."

      "Nach Hause?" wiederholte Rosa, großen Nachdruck auf die Worte legend.

      "Nach Hause", entgegnete Nancy, "nach einem solchen Heim, wie ich es mir durch die Arbeit eines ganzen schlechten Lebens geschaffen habe. Lassen Sie uns scheiden. Man könnte mich sehen oder beobachten. Gehen Sie! Gehen Sie! Wenn ich Ihnen einen Dienst geleistet habe, so wünsche ich dafür nur, daß Sie mich jetzt allein meines Weges ziehen lassen."

      "Es ist alles vergeblich", seufzte der Herr. "Wir gefährden sie vielleicht, wenn wir noch bleiben, und haben sie wohl schon länger aufgehalten, als sie erwartet hatte."

      "Ja, so ist's", sagte Nancy.

      "Was kann wohl das Ende dieser Armen sein?" rief Rosa aus.

      "Das Ende?" wiederholte das Mädchen. Blicken Sie hinunter in das dunkle Wasser, Fräulein. Wie oft liest man von meinesgleichen, die sich in die Flut hinunterstürzen und kein lebendes Wesen zurücklassen, das sich um sie bangt oder beweint. Es können Jahre darüber hingehen oder auch nur Monate – aber schließlich wird das mein Ende sein."

      "Um Gotteswillen, reden Sie nicht so", schluchzte Rosa.

      Der Herr wandte sich ab.

      "Nehmen Sie – um meinetwillen", rief Rosa der sich entfernenwollenden Nancy zu. "Nehmen Sie diese Börse! Sie kann Ihnen in der Stunde der Not von Vorteil sein."

      "Nein, nein", antwortete Nancy. "Was ich tat, habe ich nicht für Geld getan. Lassen Sie mir wenigstens diesen Trost. Doch – geben Sie mir ein Andenken, etwas, was Sie getragen haben. Nein – keinen Ring! Ihre Handschuhe oder Ihr Taschentuch. So! Gott segne Sie! Gute Nacht!"

      Man vernahm sich entfernende Schritte, und die Stimmen schwiegen. Die Gestalten der jungen Dame und ihres Begleiters Herrn Brownlow erschienen bald nachher auf der Brücke.

      Der Horcher blieb noch einige Minuten regungslos auf seinem Posten und kroch dann aus seinem Versteck hervor, nachdem er sich vorher überzeugt hatte, daß er wieder allein sei. Auf dem oberen Treppenabsatz schaute sich Noah Claypole noch einmal vorsichtig um und rannte dann, so schnell wie seine Beine konnten, dem Hause des Juden zu.

      Siebenundvierzigstes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

       Unglückliche Folgen

      Es war ungefähr zwei Stunden vor Tagesanbruch, als der Jude wachend in seiner Höhle mit bleichem Gesicht und blutrot unterlaufenen Augen dasaß, daß er nicht einem Menschen, sondern eher einem aus dem Grabe gestiegenen Gespenste glich.

      Er kauerte, in eine alte zerrissene Bettdecke gehüllt, an einem kalten Herd und richtete seinen Blick auf ein dem Erlöschen nahes Licht, das neben ihm auf dem Tische stand.

      Auf einer Matratze am Boden lag ausgestreckt Noah Claypole in tiefem Schlafe. Der alte Mann ließ zerstreut seinen Blick zwischen ihm und der Kerze schweifen, deren überhängender Docht den heißen Talg auf das Tischtuch träufeln ließ. Die Gedanken des Juden waren mit anderen Dingen beschäftigt. Der Verdruß über die Vereitlung seines Plans, der Haß gegen das Mädchen, das gewagt hatte, ihn an Fremde zu verraten, das Mißtrauen gegen die Aufrichtigkeit ihrer Weigerung, ihn auszuliefern, die Wut, sich an Sikes nicht rächen zu können, die Furcht vor der Entdeckung und dem Galgen – alles dies ging ihm durch den Kopf und brütete in seinem Hirn neue Pläne schwärzester Bosheit aus.

      Er saß regungslos da und kümmerte sich nicht im geringsten um das Entschwinden der Zeit. "Endlich", murmelte er, als er Schritte auf der Straße hörte. "Endlich!"

      Die Klingel ertönte leise. Er schlich zur Haustür und kehrte bald mit einem vermummten Manne zurück, der einen Packen unter dem Arme trug. Es war Sikes.

      "Da!" sagte er, das Bündel auf den Tisch werfend. "Verwerte es, so gut du kannst. Es hat mir Mühe genug gemacht, es zu kriegen. Ich wollte schon vor drei Stunden hier sein."

      Fagin nahm den Packen und schloß ihn in den Schrank. Ohne ein Wort zu sagen, setzte er sich wieder, starrte aber den Verbrecher unverwandt mit zitternden Lippen an.

      "Was ist los?" schrie Sikes. "Warum siehst du mich so an? Sprich!"

      Der Jude hob seine rechte Hand hoch und bewegte den Zeigefinger hin und her. Er versuchte zu sprechen, konnte aber nicht.

      "Zum Teufel!" schrie Sikes und faßte in seine Brusttasche. "Er ist wahnsinnig geworden – ich muß mich vorsehen."

      "Nein –. nein!" sagte Fagin, der endlich seine Sprache wiederfand. "Es ist nicht – Ihr seid es nicht, Bill. Ich habe nichts gegen Euch, gar nichts."

      "Hast nichts gegen mich, wirklich?" entgegnete Sikes und warf ihm einen wilden Blick zu. Er holte seine Pistole aus der Brusttasche. "Das ist ein Glück – für einen von uns. Für welchen, ist gleichgültig."

      "Ich habe Euch etwas zu sagen, Bill", versetzte Fagin, seinen Stuhl näher rückend, "was Euch stark aufregen wird."

      "So?" sagte der Verbrecher mit ungläubiger Miene.

      "Rede, aber mach schnell, sonst denkt Nancy, mir ist ein Unglück zugestoßen."

      "Ein Unglück zugestoßen?" rief Fagin. "Sie hat Euch selber eins zugedacht."

      Sikes blickte dem Juden betroffen ins Gesicht, und da er darin nichts lesen konnte, faßte er den Juden am Rockkragen und schüttelte ihn tüchtig mit derber Faust.

      "Heraus mit der Sprache oder ich drück' dir die Kehle zu. Mach das Maul auf und rede, du alter Schurke, du!"

      "Denkt Euch, der Junge, der hier liegt –" begann Fagin.

      Sikes drehte sich nach dem schlafenden


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