Die schönsten Kinderbücher (Illustriert). Гарриет Бичер-Стоу

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Die schönsten Kinderbücher (Illustriert) - Гарриет Бичер-Стоу


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Baumwollröckchen an und sein altes, zerdrücktes Strohhütchen auf dem Kopf. Das Kind guckte sehr harmlos darunter hervor und betrachtete mit unverhehlter Verwunderung den Turmbau auf dem Kopf der Dame.

      "Wie heißest du?", fragte Fräulein Rottenmeier, nachdem auch sie einige Minuten lang forschend das Kind angesehen hatte, das kein Auge von ihr verwandte.

      "Heidi", antwortete es deutlich und mit klangvoller Stimme.

      "Wie? Wie? Das soll doch wohl kein christlicher Name sein? So bist du doch nicht getauft worden. Welchen Namen hast du in der Taufe erhalten?", fragte Fräulein Rottenmeier weiter.

      "Das weiß ich jetzt nicht mehr", entgegnete Heidi.

      "Ist das eine Antwort!", bemerkte die Dame mit Kopfschütteln. "Jungfer Dete, ist das Kind einfältig oder schnippisch?"

      "Mit Erlaubnis und wenn es die Dame gestattet, so will ich gern reden für das Kind, denn es ist sehr unerfahren", sagte die Dete, nachdem sie dem Heidi heimlich einen kleinen Stoß gegeben hatte für die unpassende Antwort. "Es ist aber nicht einfältig und auch nicht schnippisch, davon weiß es gar nichts; es meint alles so, wie es redet. Aber es ist heut zum ersten Mal in einem Herrenhaus und kennt die gute Manier nicht; aber es ist willig und nicht ungelehrig, wenn die Dame wollte gütige Nachsicht haben. Es ist Adelheid getauft worden, wie seine Mutter, meine Schwester selig."

      "Nun wohl, dies ist doch ein Name, den man sagen kann", bemerkte Fräulein Rottenmeier. "Aber, Jungfer Dete, ich muss Ihnen doch sagen, dass mir das Kind für sein Alter sonderbar vorkommt. Ich habe Ihnen mitgeteilt, die Gespielin für Fräulein Klara müsste in ihrem Alter sein, um denselben Unterricht mit ihr zu verfolgen und überhaupt ihre Beschäftigungen zu teilen. Fräulein Klara hat das zwölfte Jahr zurückgelegt; wie alt ist das Kind?"

      "Mit Erlaubnis der Dame", fing die Dete wieder beredt an, "es war mir eben selber nicht mehr so ganz gegenwärtig, wie alt es sei; es ist wirklich ein wenig jünger, viel trifft es nicht an, ich kann's so ganz genau nicht sagen, es wird so um das zehnte Jahr, oder so noch etwas dazu sein, nehm ich an."

      "Jetzt bin ich acht, der Großvater hat's gesagt", erklärte Heidi. Die Base stieß es wieder an, aber Heidi hatte keine Ahnung, warum, und wurde keineswegs verlegen.

      "Was, erst acht Jahre alt?", rief Fräulein Rottenmeier mit einiger Entrüstung aus. "Vier Jahre zu wenig! Was soll das geben! Und was hast du denn gelernt? Was hast du für Bücher gehabt bei deinem Unterricht?"

      "Keine", sagte Heidi.

      "Wie? Was? Wie hast du denn lesen gelernt?", fragte die Dame weiter.

      "Das hab ich nicht gelernt und der Peter auch nicht", berichtete Heidi.

      "Barmherzigkeit! Du kannst nicht lesen? Du kannst wirklich nicht lesen!", rief Fräulein Rottenmeier im höchsten Schrecken aus. "Ist es die Möglichkeit, nicht lesen! Was hast du denn aber gelernt?"

      "Nichts", sagte Heidi der Wahrheit gemäß.

      "Jungfer Dete", sagte Fräulein Rottenmeier nach einigen Minuten, in denen sie nach Fassung rang, "es ist alles nicht nach Abrede, wie konnten Sie mir dieses Wesen zuführen?" Aber die Dete ließ sich nicht so bald einschüchtern; sie antwortete herzhaft: "Mit Erlaubnis der Dame, das Kind ist gerade, was ich dachte, dass sie haben wolle; die Dame hat mir beschrieben, wie es sein müsse, so ganz apart und nicht wie die anderen, und so musste ich das Kleine nehmen, denn die Größeren sind bei uns dann nicht mehr so apart, und ich dachte, dieses passe wie gemacht auf die Beschreibung. Jetzt muss ich aber gehen, denn meine Herrschaft erwartet mich; ich will, wenn's meine Herrschaft erlaubt, bald wieder kommen und nachsehen, wie es geht mit ihm." Mit einem Knicks war die Dete zur Tür hinaus und die Treppe hinunter mit schnellen Schritten. Fräulein Rottenmeier stand einen Augenblick noch da, dann lief sie der Dete nach; es war ihr wohl in den Sinn gekommen, dass sie noch eine Menge von Dingen mit der Base besprechen wollte, wenn das Kind wirklich dableiben sollte, und da war es doch nun einmal und, wie sie bemerkte, hatte die Base fest im Sinn, es dazulassen.

      Heidi stand noch auf demselben Platz an der Tür, wo es von Anfang an gestanden hatte. Bis dahin hatte Klara von ihrem Sessel aus schweigend allem zugesehen. Jetzt winkte sie Heidi: "Komm hierher!"

      Heidi trat an den Rollstuhl heran.

      "Willst du lieber Heidi heißen oder Adelheid?", fragte Klara.

      "Ich heiße nur Heidi und sonst nichts", war Heidis Antwort.

      "So will ich dich immer so nennen", sagte Klara; "der Name gefällt mir für dich, ich habe ihn aber nie gehört, ich habe aber auch nie ein Kind gesehen, das so aussieht wie du. Hast du immer nur so kurzes, krauses Haar gehabt?"

      "Ja, ich denk's", gab Heidi zur Antwort.

      "Bist du gern nach Frankfurt gekommen?", fragte Klara weiter.

      "Nein, aber morgen geh ich dann wieder heim und bringe der Großmutter weiße Brötchen!", erklärte Heidi.

      "Du bist aber ein kurioses Kind!", fuhr jetzt Klara auf. "Man hat dich ja express nach Frankfurt kommen lassen, dass du bei mir bleibest und die Stunden mit mir nehmest, und siehst du, es wird nun ganz lustig, weil du gar nicht lesen kannst, nun kommt etwas ganz Neues in den Stunden vor. Sonst ist es manchmal so schrecklich langweilig und der Morgen will gar nicht zu Ende kommen. Denn siehst du, alle Morgen um zehn Uhr kommt der Herr Kandidat, und dann fangen die Stunden an und dauern bis um zwei Uhr, das ist so lange. Der Herr Kandidat nimmt auch manchmal das Buch ganz nahe ans Gesicht heran, so, als wäre er auf einmal ganz kurzsichtig geworden, aber er gähnt nur furchtbar hinter dem Buch, und Fräulein Rottenmeier nimmt auch von Zeit zu Zeit ihr großes Taschentuch hervor und hält es vor das ganze Gesicht hin, so, als sei sie ganz ergriffen von etwas, das wir lesen; aber ich weiß recht gut, dass sie nur ganz schrecklich gähnt dahinter, und dann sollte ich auch so stark gähnen und muss es immer hinunterschlucken, denn wenn ich nur ein einziges Mal herausgähne, so holt Fräulein Rottenmeier gleich den Fischtran und sagt, ich sei wieder schwach, und Fischtran nehmen ist das Allerschrecklichste, da will ich doch lieber Gähnen schlucken. Aber nun wird's viel kurzweiliger, da kann ich dann zuhören, wie du lesen lernst."

      Heidi schüttelte ganz bedenklich mit dem Kopf, als es vom Lesenlernen hörte.

      "Doch, doch, Heidi, natürlich musst du lesen lernen, alle Menschen müssen, und der Herr Kandidat ist sehr gut, er wird niemals böse, und er erklärt dir dann schon alles. Aber siehst du, wenn er etwas erklärt, dann verstehst du nichts davon; dann musst du nur warten und gar nichts sagen, sonst erklärt er dir noch viel mehr und du verstehst es noch weniger. Aber dann nachher, wenn du etwas gelernt hast und es weißt, dann verstehst du schon, was er gemeint hat."

      Jetzt kam Fräulein Rottenmeier wieder ins Zimmer zurück; sie hatte Dete nicht mehr zurückrufen können und war sichtlich aufgeregt davon, denn sie hatte dieser eigentlich gar nicht einlässlich sagen können, was alles nicht nach Abrede sei bei dem Kinde, und da sie nicht wusste, was nun zu tun sei, um ihren Schritt rückgängig zu machen, war sie umso aufgeregter, denn sie selbst hatte die ganze Sache angestiftet. Sie lief nun vom Studierzimmer ins Esszimmer hinüber, und von da wieder zurück, und kehrte dann unmittelbar wieder um und fuhr hier den Sebastian an, der seine runden Augen eben nachdenklich über den gedeckten Tisch gleiten ließ, um zu sehen, ob sein Werk keinen Mangel habe.

      "Denk Er morgen Seine großen Gedanken fertig und mach Er, dass man heut noch zu Tische komme."

      Mit diesen Worten fuhr Fräulein Rottenmeier an Sebastian vorbei und rief nach der Tinette mit so wenig einladendem Ton, dass die Jungfer Tinette mit noch viel kleineren Schritten herantrippelte als sonst gewöhnlich—und sich mit so spöttischem Gesicht hinstellte, dass selbst Fräulein Rottenmeier nicht wagte, sie anzufahren; umso mehr schlug ihr die Aufregung nach innen.

      "Das Zimmer der Angekommenen ist in Ordnung zu bringen, Tinette", sagte die Dame mit schwer errungener Ruhe; "es liegt alles bereit, nehmen Sie noch den Staub von den Möbeln weg."

      "Es ist der Mühe wert", spöttelte Tinette und ging.

      Unterdessen hatte Sebastian die Doppeltüren zum Studierzimmer mit ziemlichem Knall aufgeschlagen, denn er war sehr ergrimmt, aber sich in Antworten Luft zu


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