Die schönsten Kinderbücher (Illustriert). Гарриет Бичер-Стоу

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Die schönsten Kinderbücher (Illustriert) - Гарриет Бичер-Стоу


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schon eines auf."

      Das war eine große Erleichterung für Heidi zu wissen, dass man doch die Fenster öffnen und hinausschauen könne, denn noch war es ganz unter dem Druck des Gefangenseins von seinem Zimmer her. Klara fing nun an, Heidi zu fragen, wie es bei ihm zu Hause sei, und Heidi erzählte mit Freuden von der Alm und den Geißen und der Weide und allem, was ihm lieb war.

      Unterdessen war der Herr Kandidat angekommen; aber Fräulein Rottenmeier führte ihn nicht, wie gewöhnlich, ins Studierzimmer, denn sie musste sich erst aussprechen und geleitete ihn zu diesem Zweck ins Esszimmer, wo sie sich vor ihn hinsetzte und ihm in großer Aufregung ihre bedrängte Lage schilderte und wie sie in diese hineingekommen war.

      Sie hatte nämlich vor einiger Zeit Herrn Sesemann nach Paris geschrieben, wo er eben verweilte, seine Tochter habe längst gewünscht, es möchte eine Gespielin für sie ins Haus aufgenommen werden, und auch sie selbst glaube, dass eine solche in den Unterrichtsstunden ein Sporn, in der übrigen Zeit eine anregende Gesellschaft für Klara sein würde. Eigentlich war die Sache für Fräulein Rottenmeier selbst sehr wünschbar, denn sie wollte gern, dass jemand da sei, der ihr die Unterhaltung der kranken Klara abnehme, wenn es ihr zu viel war, was öfters geschah. Herr Sesemann hatte geantwortet, er erfülle gern den Wunsch seiner Tochter, doch mit der Bedingung, dass eine solche Gespielin in allem ganz gehalten werde wie jene, er wolle keine Kinderquälerei in seinem Hause—"was freilich eine sehr unnütze Bemerkung von dem Herrn war", setzte Fräulein Rottenmeier hinzu, "denn wer wollte Kinder quälen!" Nun aber erzählte sie weiter, wie ganz erschrecklich sie hineingefallen sei mit dem Kinde, und führte alle Beispiele von seinem völlig begriffslosen Dasein an, die es bis jetzt geliefert hatte, dass nicht nur der Unterricht des Herrn Kandidaten buchstäblich beim Abc anfangen müsse, sondern dass auch sie auf jedem Punkte der menschlichen Erziehung mit dem Uranfang zu beginnen hätte. Aus dieser unheilvollen Lage sehe sie nur ein Rettungsmittel: Wenn der Herr Kandidat erklären werde, zwei so verschiedene Wesen könnten nicht miteinander unterrichtet werden ohne großen Schaden des vorgerückteren Teiles; das wäre für Herrn Sesemann ein triftiger Grund, die Sache rückgängig zu machen, und so würde er zugeben, dass das Kind gleich wieder dahin zurückgeschickt würde, woher es gekommen war; ohne seine Zustimmung aber dürfte sie das nicht unternehmen, nun der Hausherr wisse, dass das Kind angekommen sei. Aber der Herr Kandidat war behutsam und niemals einseitig im Urteilen. Er tröstete Fräulein Rottenmeier mit vielen Worten und der Ansicht, wenn die junge Tochter auf der einen Seite so zurück sei, so möchte sie auf der anderen umso geförderter sein, was bei einem geregelten Unterricht bald ins Gleichgewicht kommen werde. Als Fräulein Rottenmeier sah, dass der Herr Kandidat sie nicht unterstützen, sondern seinen Abc-Unterricht übernehmen wollte, machte sie ihm die Tür zum Studierzimmer auf, und nachdem er hereingetreten war, schloss sie schnell hinter ihm zu und blieb auf der anderen Seite, denn vor dem Abc hatte sie einen Schrecken. Sie ging jetzt mit großen Schritten im Zimmer auf und nieder, denn sie hatte zu überlegen, wie die Dienstboten Adelheid zu benennen hätten. Herr Sesemann hatte ja geschrieben, sie müsste wie seine Tochter gehalten werden, und dieses Wort musste sich hauptsächlich auf das Verhältnis zu den Dienstboten beziehen, dachte Fräulein Rottenmeier. Sie konnte aber nicht lange ungestört überlegen, denn auf einmal ertönte drinnen im Studierzimmer ein erschreckliches Gekrache fallender Gegenstände und dann ein Hilferuf nach Sebastian. Sie stürzte hinein. Da lag auf dem Boden alles übereinander, die sämtlichen Studien- Hilfsmittel, Bücher, Hefte, Tintenfass und obendrauf der Tischteppich, unter dem ein schwarzes Tintenbächlein hervorfloss, die ganze Stube entlang. Heidi war verschwunden.

      "Da haben wir's", rief Fräulein Rottenmeier händeringend aus. "Teppich, Bücher, Arbeitskorb, alles in der Tinte! Das ist noch nie geschehen! Das ist das Unglückswesen, da ist kein Zweifel!"

      Der Herr Kandidat stand sehr erschrocken da und schaute auf die Verwüstung, die allerdings nur (eine) Seite hatte und eine recht bestürzende. Klara dagegen verfolgte mit vergnügtem Gesicht die ungewöhnlichen Ereignisse und deren Wirkungen und sagte nun erklärend: "Ja, Heidi hat's gemacht, aber nicht mit Absicht, es muss gewiss nicht gestraft werden, es war nur so schrecklich eilig, fortzukommen, und riss den Teppich mit, und so fiel alles hintereinander auf den Boden. Es fuhren viele Wagen hintereinander vorbei, darum ist es so fortgeschossen; es hat vielleicht noch nie eine Kutsche gesehen."

      "Da, ist's nicht, wie ich sagte, Herr Kandidat? Nicht (einen) Urbegriff hat das Wesen! Keine Ahnung davon, was eine Unterrichtsstunde ist, dass man dabei zuzuhören und still zu sitzen hat. Aber wo ist das Unheil bringende Ding hin? Wenn es fortgelaufen wäre! Was würde mir Herr Sesemann—"

      Fräulein Rottenmeier lief hinaus und die Treppe hinunter. Hier, unter der geöffneten Haustür, stand Heidi und guckte ganz verblüfft die Straße auf und ab.

      "Was ist denn? Was fällt dir denn ein? Wie kannst du so davonlaufen!", fuhr Fräulein Rottenmeier das Kind an.

      "Ich habe die Tannen rauschen gehört, aber ich weiß nicht, wo sie stehen, und höre sie nicht mehr", antwortete Heidi und schaute enttäuscht nach der Seite hin, wo das Rollen der Wagen verhallt war, das in Heidis Ohren dem Tosen des Föhns in den Tannen ähnlich geklungen hatte, so dass es in höchster Freude dem Ton nachgerannt war.

      "Tannen! Sind wir im Wald? Was sind das für Einfälle! Komm herauf und sieh, was du angerichtet hast!" Damit stieg Fräulein Rottenmeier wieder die Treppe hinan; Heidi folgte ihr und stand nun sehr verwundert vor der großen Verheerung, denn es hatte nicht gemerkt, was es alles mitriss vor Freude und Eile, die Tannen zu hören.

      "Das hast du einmal getan, ein zweites Mal tust du's nicht wieder", sagte Fräulein Rottenmeier, auf den Boden zeigend; "zum Lernen sitzt man still auf seinem Sessel und gibt Acht. Kannst du das nicht selbst fertig bringen, so muss ich dich an deinen Stuhl festbinden. Kannst du das verstehen?"

      "Ja", entgegnete Heidi, "aber ich will schon festsitzen." Denn jetzt hatte es begriffen, dass es eine Regel ist, in einer Unterrichtsstunde still zu sitzen.

      Jetzt mussten Sebastian und Tinette hereinkommen, um die Ordnung wiederherzustellen. Der Herr Kandidat entfernte sich, denn der weitere Unterricht musste nun aufgegeben werden. Zum Gähnen war heute gar keine Zeit gewesen.

      Am Nachmittag musste Klara immer eine Zeit lang ruhen und Heidi hatte alsdann seine Beschäftigung selbst zu wählen; so hatte Fräulein Rottenmeier ihm am Morgen erklärt. Als nun nach Tisch Klara sich in ihrem Sessel zur Ruhe gelegt hatte, ging Fräulein Rottenmeier nach ihrem Zimmer, und Heidi sah, dass nun die Zeit da war, da es seine Beschäftigung selbst wählen konnte. Das war dem Heidi sehr erwünscht, denn es hatte schon immer im Sinn, etwas zu unternehmen; es musste aber Hilfe dazu haben und stellte sich darum vor das Esszimmer mitten auf den Korridor, damit die Persönlichkeit, die es zu beraten gedachte, ihm nicht entgehen könne. Richtig, nach kurzer Zeit kam Sebastian die Treppe herauf mit dem großen Teebrett auf den Armen, denn er brachte das Silberzeug aus der Küche herauf, um es im Schrank des Esszimmers zu verwahren. Als er auf der letzten Stufe der Treppe angekommen war, trat Heidi vor ihn hin und sagte mit großer Deutlichkeit: "Sie oder Er!"

      Sebastian riss die Augen so weit auf, als es nur möglich war, und sagte ziemlich barsch: "Was soll das heißen, Mamsell?"

      "Ich möchte nur gern etwas fragen, aber es ist gewiss nichts Böses wie heute Morgen", fügte Heidi beschwichtigend hinzu, denn es merkte, dass Sebastian ein wenig erbittert war, und dachte, es komme noch von der Tinte am Boden her.

      "So, und warum muss es denn heißen Sie oder Er, das möcht ich zuerst wissen", gab Sebastian im gleichen barschen Ton zurück.

      "Ja, so muss ich jetzt immer sagen", versicherte Heidi; "Fräulein Rottenmeier hat es befohlen."

      Jetzt lachte Sebastian so laut auf, dass Heidi ihn ganz verwundert ansehen musste, denn es hatte nichts Lustiges bemerkt; aber Sebastian hatte auf einmal begriffen, was Fräulein Rottenmeier befohlen hatte, und sagte nun sehr erlustigt: "Schon recht, so fahre die Mamsell nur zu."

      "Ich heiße gar nicht Mamsell", sagte nun Heidi seinerseits ein wenig geärgert; "ich heiße Heidi."

      "Ist schon recht; die gleiche Dame hat aber befohlen, dass ich Mamsell sage", erklärte Sebastian.

      "Hat sie? Ja, dann muss ich schon so heißen", sagte


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