Eden. Tim Lebbon

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Eden - Tim  Lebbon


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Wasserreiniger. Sonnenschutzmittel und Erste-Hilfe-Kasten. Ein paar kleine Zelte, Messer, Regenschutz, falls der Wetterbericht falsch ist, und Wechselkleidung. Aber nicht viel, weil wir es so lieben, streng zu riechen.«

      »Und ihr wollt euch Essen suchen?«

      »Ja, Früchte und Nüsse, aber wir werden nichts töten, um es zu essen, außer wir müssen. Wir laufen auf einem Kaloriendefizit und wenn man zwölftausend pro Tag verbrennt, kann man einfach nicht genug Proviant mitschleppen.« Gee nickte zu Cove. »Und einige von uns können es sich auch leisten, etwas Speck zu verlieren.«

      Cove zeigte ihm den Mittelfinger und Gee lachte. Der Kanadier, ein dünner, kleiner Mann, war wahrscheinlich die entschlossenste Person, die Jenn kannte. In den sechs Jahren, die er mit ihrem Vater und ihr reiste, hatte sie nie erlebt, dass er sich vor einer Herausforderung gedrückt oder aufgegeben hatte. Sie hatte gesehen, wie er als Einziger von ihnen frei eine Felswand hinaufgeklettert war und wie er sich auf einem Boot in Frankreich drei rassistischen Mistkerlen entgegengestellt hatte. Sie waren weggegangen und er weggehumpelt, doch in Jenns Augen hatte er dennoch gewonnen. Er war zwar nur zwei Jahre jünger als ihr Vater, dennoch kam ihr Gee wie eine Art Bruder vor. Seine Entschlossenheit oder positive Einstellung hatte jedoch nichts mit der Tatsache zu tun, dass er nur eine Hand hatte. Er hatte nie angedeutet, dass er es überhaupt als Behinderung empfand. Tatsächlich schien er es sogar zu mögen. In einem hohlen Finger hatte er zwei Joints versteckt.

      »Wie zum Teufel siehst du denn aus?«, fragte Poke.

      »Wie dein Stecher«, antwortete Gee. Er trat einen Schritt näher.

      »Ich versohl dir den Arsch«, schoss Poke zurück.

      Gee zuckte grinsend mit den Schultern. Keiner von ihnen zweifelte an ihren Worten. Sie zündete sich ihre Selbstgedrehte an und inhalierte den Rauch.

      »Ich habe Ihnen doch erklärt, warum wir hier sind«, sagte Dylan.

      »Ich hab nicht geglaubt, dass jemand so dämlich ist.« Wieder sah sie zu Jenn und runzelte die Stirn.

      »Tja, wir schon«, erwiderte Dylan.

      »Und gegen wen tretet ihr an?«, fragte Poke.

      »Noch niemanden. Wir wollen die Ersten sein. Sie kennen diesen Ort, Sie wissen, warum.«

      Poke blinzelte ihn nur durch eine Rauchwolke hinweg an.

      »Statistisch und historisch gesehen ist Eden die gefährlichste Zone der Welt«, erklärte Dylan. »Sie hat im Laufe der Jahre schon viele Menschen verschluckt.«

      »Ja.«

      Als Dylan weitersprach, sah er sich um und schien erfreut, jedermanns Aufmerksamkeit zu haben. Sie hatten diese Geschichte alle schon mal gehört, aber noch nicht von jemandem wie Poke. Jemandem, der die Dinge, die er sagte, bestätigen konnte.

      »Andere Abenteurer haben es versucht. Einige verschwanden. Andere sind aus Eden geflohen und haben versucht, sich wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Es ist, als hätte ihnen dieser Ort ihre Abenteuerlust genommen. Mit der Zeit hat er den Ruf als einer der atemberaubendsten Orte der Erde bekommen, absolut menschenfeindlich.«

      Die Brise ließ nach, selbst die Blätter und Vögel verstummten und lauschten.

      »Solange mir nichts anderes geraubt wird«, scherzte Gee, um die Stille zu vertreiben.

      »Ihr wollt also die erste Gruppe Arschlöcher sein, die Eden durchquert.« Poke schüttelte den Kopf.

      »Rennend, kletternd, schwimmend, gehend, selbst kriechend, wenn wir müssen«, bestätigte Cove. »Man nennt es ein Adventure Race.«

      »Abenteuer.« Sie sprach das Wort aus, als würde es einen seltsamen Geschmack in ihrem Mund hinterlassen.

      »Wollen Sie uns begleiten?«, fragte Gee.

      »Ich will leben«, erwiderte Poke. Zum ersten Mal klang sie ernst.

      »Wir leben doch«, sagte Lucy. »Das ist das volle Leben.«

      »Hast du einen Job, Kleine?«

      »Ich arbeite an meiner Doktorarbeit.«

      »Familie?«

      »Meine Eltern leben in London.«

      »Hm.« Schweigend drehte Poke eine weitere Runde um sie und rauchte dabei, während die Gruppe ihre Vorbereitungen beendete. Doch immer wieder sah die alte Frau zu Jenn.

      »Was?«, fragte Jenn erneut. So langsam verlor sie die Geduld. Poke mochte die beste Führerin sein, die ihr Vater kannte, sie mochte die Expeditionsgruppe durch die Grenzkontrollen und nach Eden bringen, aber sie war auch eine ziemliche Nervensäge.

      »Hab nur gedacht, wie schade es ist«, sagte Poke.

      »Was ist schade?«, fragte Selina.

      »Euch alle hier so zu sehen, fit und gesund, und dann soll ich euch an einen Ort bringen, der euch verschlingt und wieder ausspuckt. Oder vielleicht auch nicht ausspuckt. Ihr seid echt total irre.«

      »Und warum bringen Sie uns dann hin?«, erkundigte sich Jenn.

      Poke nickte in Richtung ihres Vaters. »Gute Bezahlung.« Damit trat sie ihre Zigarette aus, warf einen Blick auf ihre Uhr und nahm den Deckel vom Eintopf. »Und hier ist die gute Nachricht«, sagte sie über ihre Schulter. »Das Frühstück ist fünfzehn Minuten früher fertig. Das ist ein Puffer für alles Unvorhergesehene.«

      3

      Hab aus zuverlässiger Quelle erfahren, dass die veröffentlichten Todeszahlen derer, die versucht haben, die Husky-Plain-Zone zu betreten, nicht stimmen. Angeblich sind es 7. Ich hab gehört, es sind über 150. Umgebracht von den Zeds. Das sind mordende Söldner. Glaubt kein Wort von diesem Mist über die Zonenschutztruppe.

       @PottyBonkers

      Es gab nichts Unvorhergesehenes. Jenns Vater hatte recht. Poke war die beste Führerin, mit der sie jemals zusammengearbeitet hatten. Sie hatte ihre Route genau festgelegt und überraschte Jenn mit ihrer erstaunlichen Fitness. Sie mochte Mitte sechzig, vielleicht sogar siebzig sein, doch die nächsten sechs Stunden führte Poke sie bei ansteigenden Temperaturen und durch dichten Wald zu dem Ort, an dem sie ihrer Meinung nach die besten Chancen hatten, nach Eden zu gelangen.

      Zum Teil wussten sie, was sie erwartete. Die Sicherheitsmaßnahmen um jede unberührte Zone waren streng, doch die entsprechenden Gebiete waren so groß, dass es für jene, die sich auskannten, Schlupflöcher gab. Poke kannte sich sehr gut aus. Sie trug eine moderne GPS-Smartwatch mit allen möglichen Upgrades am Arm und ein Netzimplantat hinterm Ohr und sie hatte es detailliert für ihre Route und ihre Schrittgeschwindigkeit programmiert. Jedes Summen war das Signal für irgendeine Aktion – ein schneller Marsch, in Deckung gehen und abwarten, bis eine Drohne über ihre Köpfe hinweggeflogen war, scharf nach links und durch einen Kanal unter einer Straße hindurch, nach rechts und einen kleinen, aber steilen und dicht bewachsenen Hang hinauf. Poke hatte jede Bewegung vorausgeplant und sich eingeprägt. Sie führte ein strenges Regiment, verlangsamte sie ein paarmal und trieb sie einmal an, nachdem Aaron angehalten hatte, um Wasser zu lassen.

      Die Landschaft war wunderschön, mit bewaldeten Hängen und Tälern, die sich hier und dort zu mit Blumen übersäten Lichtungen öffneten, und einem Geflecht aus Rinnsalen und Bächen, die in einem weit entfernten Fluss zusammenströmten. Doch sie waren nie weit von sichtbaren menschlichen Einflüssen entfernt. Eine Zeit lang folgten sie einer alten, verwahrlosten Straße, die nur noch von den Fahrzeugen der Zed-Sicherheitspatrouillen benutzt wurde. Einst hatte sie in den Bereich geführt, der zu Eden geworden war, und wenn sie ihr weiter gefolgt wären, hätten sie schließlich die Grenze erreicht. Unkraut spross durch Löcher im Asphalt, die Kante war durch Wurzeln aufgerissen und das Laub von vielen Jahren hatte sich in eine Erdschicht verwandelt, in der Gräser, kleine Büsche und sogar Bäume gediehen. Jenn freute sich schon darauf, zu sehen, wie viel stärker sich die Straße verändert hatte, sobald sie drin waren. Ihre Aufregung war körperlich spürbar, wie eine Biene, die in ihrem Kopf


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