Eden. Tim Lebbon

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Eden - Tim  Lebbon


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war etwa fünfhundert Kilometer breit, eine Wildnis aus Wäldern und Tälern, Bergen und Schluchten, Flüssen, Seen und Sümpfen. Ihre östliche Grenze bestand aus einer wilden, unzugänglichen Küste, aus zerklüfteten, hundert Meter hohen Klippen, vor denen im Lauf der Jahrhunderte zahllose Schiffe gesunken waren. Im Norden erstreckte sich eine hohe Bergkette und Edens westliche Grenze folgte einem tiefen Tal, das an manchen Stellen mehr einer Schlucht glich, mit einem viele Kilometer langen, reißenden Fluss. Sie betraten die Zone über die relativ leicht zugängliche südliche Grenze und beabsichtigten, ihre Durchquerung in weniger als zwanzig Tagen abzuschließen.

      Kat war vor fast sechzig Tagen hineingegangen.

      »Sie könnte immer noch da drin sein«, sagte Dylan.

      »Nach acht Wochen?«, wandte Cove ein.

      Dylan zuckte mit den Schultern. Es war Coves gutes Recht, Zweifel anzumelden, doch das verfestigte nur die Vorstellung, dass Kat tot sein könnte. Sie und ihr gesamtes Team. Die Zonen waren gefährlich genug, vor allem Eden, und durch sie hindurchzueilen erhöhte diese Gefahr, manchmal auf ein unzumutbares Maß. Zwei Jahre zuvor waren sie am Boden eines Kliffs in Eritrea auf die Überreste eines Teams gestoßen, ihre Körper zerschmettert und in der Verwesung zu einer Einheit verschmolzen.

      »Wir wissen, dass sie reingegangen ist«, sagte Jenn. »Und ich bin mir ziemlich sicher, dass sie nicht wieder rausgekommen ist. Davon müssen wir ausgehen. Und das ändert nichts an dem, was wir tun.«

      »Dann sind wir jetzt also eine Suchmannschaft?«, fragte Lucy. »Versteh mich nicht falsch, ich bin echt sauer, dass du uns angelogen hast, aber das ist deine Mutter da drin. Wir sollten zum Landepunkt zurückgehen und meine Kiste holen. Ich habe da Sachen drin, die uns nützen könnten.«

      »Du hast da Sachen drin, die noch nicht mal erfunden wurden«, sagte Gee.

      Dylan schmunzelte, jemand anders lachte und alle waren dankbar für die Aufmunterung. Von jemand anders als Gee hätte ein solcher Kommentar deplatziert gewirkt.

      »Keine Suchmannschaft«, entschied Jenn. »Dad?«

      »Keine Suchmannschaft«, wiederholte Dylan. »Kat kann auf sich selbst aufpassen.« Es war eine Feststellung.

      »Wir können ja trotzdem die Augen offen halten, wenn wir da drin sind«, sagte Cove.

      »Das werden wir«, sagte Dylan. »Natürlich. Aber wir sind mit einem anderen Ziel hergekommen und schulden es uns selbst, es zu erreichen. Das erste Team, das Eden durchquert. Den Richtwert setzt. Der Grund, warum wir es jetzt gerade tun … Ich bin mir nicht sicher, ob das eine Rolle spielt. Und es ist auch nicht so, als hätte einer von euch überredet werden müssen. Richtig?«

      »Richtig«, stimmte Aaron zu. »Wenn es Kat nicht bereits gelungen ist.«

      »Zweihundertfünfzigtausend Quadratkilometer«, sagte Dylan. »Ja, wir werden unsere Augen offen halten.«

      »Nichts für ungut, aber … Acht Minuten«, unterbrach Poke.

      »Sind alle einverstanden?«, fragte Dylan.

      »Nein«, sagte Selina. »Ich bin überhaupt nicht einverstanden. Ich mag keine Lügner.«

      Dylan sah, wie seine Tochter zusammenzuckte, und wusste, dass es an der Zeit war, diese Sache hinter sich zu lassen. »Also?« Er sah sich in der Runde um. Er hatte Selina übergangen. Ihm war klar, dass er später dafür bezahlen würde. Doch jetzt sagte sie erst mal nichts mehr und niemand stieg aus. Dieses Team war zusammengekommen, sie hatten all ihre Erfahrung und Kompetenz vereint, Geld und emotionale Anstrengungen investiert und für diesen Moment geplant. Sie wollten diese Sache durchziehen. »Gut. Dann los.«

      Eine halbe Minute lang bereiteten sie sich schweigend vor. Nur Aaron und Jenn standen dicht beieinander, Stirn an Stirn, und flüsterten sich Worte zu, die niemand sonst hören konnte. Gee hüpfte auf der Stelle, um sich aufzuputschen. Cove und Lucy standen nebeneinander und blickten auf den seltsamen Ort jenseits des Tals.

      Selina trat an Dylan heran und er lächelte sie an. Er wollte nicht, dass es sich unangenehm für sie anfühlte, denn zwischen ihnen war etwas, auch wenn keiner von ihnen beiden so richtig wusste, was daraus werden würde. Sie hatten mehrfach miteinander geschlafen, doch zwischen den einzelnen Malen hatte immer viel Zeit gelegen. Zwischen den Expeditionen kehrte Selina nach Madrid zu ihrer Dozentenstelle und ihrer alten Mutter zurück und oft vergingen Monate, in denen sie sich kaum sprachen. Manchmal fühlten sie sich wie ein Liebespaar, manchmal wie beste Freunde. Es half nicht, dass er so wenig über sie wusste, abgesehen von ihrer absoluten Leidenschaft für die Umwelt und wie deren anhaltender Verfall Selinas eigene regelmäßige Depressionen widerspiegelte. Sie machte kein Geheimnis aus ihrer Vorgeschichte, doch sie sprach nur selten davon und das machte ihr gegenwärtiges Ich irgendwie unvollständig.

      Lautlos formten seine Lippen die Worte Tut mir leid.

      »Du bist der Anführer«, sagte Selina leise. »Und ihr Vater. Ich kann mir vorstellen, dass du wütender bist als wir alle zusammen.«

      »Auf geht’s«, verkündete Poke und klatschte in die Hände. »Wie ihr gesagt habt, das sind zweihundertfünfzigtausend Quadratkilometer und das meiste davon ist anders als alles, was ihr jemals gesehen habt. Ich war einmal drin und das hat mir gereicht.«

      »Wie bitte?« Dylan sah sie an. »Sie sind unsere Führerin.«

      »Ja, und ich werde euch hinführen, wenn ihr mir folgt und alles tut, was ich sage.« Wieder sah sie auf ihre Uhr.

      »Wir kennen uns mit solchen Orten aus«, sagte Cove. »Wir waren in Green Valley.«

      Poke schnaubte. »Eine Parklandschaft, mehr nicht.«

      »Wir haben die Husky Plains in unter dreißig Tagen geschafft, unabhängig und ohne Unterstützung«, fuhr Cove fort. »Fünf Tage schneller als jeder andere, selbst in einem Rennszenario. Und wir halten auch den Rekord für die Zona Smerti. Gleiches Team, gleiche Aufstellung. Wir wissen, was wir tun.«

      »Tut ihr nicht«, entgegnete Poke. »Ihr wisst, was ihr tun wollt, aber Eden könnte andere Ideen haben.«

      »Warum waren Sie nur einmal drin?«, fragte Dylan. Sie hatte sich ihm als Führerin angeboten, indem sie gesagt hatte, sie wisse genau, wie er und sein Team hineinkamen, ohne erwischt oder bemerkt zu werden. Zugegebenermaßen hatte sie nie behauptet, viel über Eden selbst zu wissen. Nur über seine Grenzen und Sicherheitsmaßnahmen.

      »Weil das eine Mal schon zu viel war«, antwortete Poke. »Ihr wisst, warum diese unberührten Zonen eingerichtet wurden. Natürlich wisst ihr das, denn es sind Leute wie ihr, die sie als ihre persönlichen Spielplätze ansehen. Ihre Herausforderungen. Was auch immer. Aber diese Orte wurden vor Jahrzehnten eingerichtet und seither sich selbst überlassen, abgeschnitten vom Rest der Welt, um der Natur die Gelegenheit zu geben, sich selbst zu heilen. Da drin gibt es keine Menschen. Keinen, nicht mal …« Sie nickte Selina zu. »Wissenschaftler. Reiner geht’s nicht und es überrascht mich immer noch, dass man sich dazu entschlossen hat. Regierungen, große Unternehmen haben diese riesigen Landstriche verlassen und der Natur überlassen. Es musste natürlich sein. Vielleicht werden sie irgendwann zu den Lungen der Welt. Ist wohl so was wie unsere Entschuldigung an den Planeten. Aber …« Sie nahm einen Zug von ihrer Selbstgedrehten. Die glühende Spitze knisterte in der Stille. »… es ist anders da drin.«

      »Einige sehen die Zonen als unsere letzte Hoffnung«, sagte Selina.

      »Ja, klar, die letzte Hoffnung der Menschheit«, erwiderte Poke. »Niemand kapiert, dass der Planet sich erholen wird, egal wie sehr wir uns selbst schaden.«

      »Auf lange Sicht«, sagte Lucy.

      »Was für uns wahrscheinlich zu lang sein wird, für die Natur aber nicht mehr ist als ein Wimpernschlag«, ergänzte Selina.

      »Was meinen Sie mit anders?«, hakte Dylan nach. Er konnte Pokes Angst sehen und was er sah, gefiel ihm nicht. Ihre Härte war nicht nur Fassade.

      »Das eine Mal, als ich drin war, habe ich etwas gespürt«, sagte die Führerin. »Ich kann es nicht


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