Endlich im Pferdeglück. Lise Gast

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Endlich im Pferdeglück - Lise Gast


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frischen Brötchen durch die Tür. Sie nahm ihn entgegen und begann einzugießen, während sie erzählte.

      „Ja, das war auch so eine Geschichte. Da waren sie bei anderen Reitbekannten, Petra und Angelika. Sie lassen sich ja mit Vorliebe dorthin einladen, wo es Pferde gibt und sie im Gelände reiten können. Bei diesen Bekannten durften sie im so genannten Sommerstall schlafen, einem Holzgebäude, das auf einer etwas abgelegenen Weide steht. Vorn können die Pferde hinein, hinten ist Heu gelagert. In diesem Heu schliefen sie mit ihren Schlafsäcken. Das war das Schönste. Dafür mussten sie Wasser tragen, die Wiese von Pferdemist säubern – der Fohlen wegen wird dort jeder Mist abgelesen – und auch sonst helfen. Das taten sie gern und ordentlich, wie mir berichtet wurde. Das war Ehrensache.

      Nun haben meine Töchter außer ihrer Passion zu reiten, noch eine, nämlich zu lesen. Auf Deutsch, sie verschlingen alles, was ihnen an Gedrucktem vor die Augen kommt. Und einschlafen, ohne gelesen zu haben, können sie alle nicht. Ich hatte sie hingebracht und mir ihre Schlafgelegenheit angesehen, und da ich sie kenne, spendierte ich ihnen eine Lampe. Es gibt elektrische Zeltlampen mit Batterie, die man an die Decke hängt. Eine andere wäre nie in Frage gekommen, wegen des Heus. Aber ich stellte eine Bedingung: Sie durften diese Lampe nur haben, wenn sie versprachen, jeden Tag zu duschen.

      Es ist nämlich leider bei uns so, dass die Kinder wahre Wasserfanatiker sind, wenn es um Schwimmen oder Bachwaten geht. Sollen sie sich aber waschen, auch nur warm in einem warmen Raum, dann tun sie, als wollte man ihnen ans Leben. Jeden Tag versuchen sie, sich darum zu drücken, und das ist ein Punkt, an dem ich keinen Spaß verstehe. Ungewaschene Leute, puh, scheußlich! Mögen sie im Dreck waten, da habe ich nichts dagegen. Aber einmal am Tag muss man sauber sein, das gehört zu den allerersten Regeln, finde ich.

      Sie versprachen goldene Berge. Ich fuhr ab. Nach acht Tagen kam ich sie besuchen, und im Laufe des Tages fielen mir die Zeltlampe und meine Bedingung ein. Ich fragte meine Bekannte, ob sich die Mädels auch jeden Tag duschten.

      ‚Nie‘, sagte sie, ‚noch kein einziges Mal. Ich habe mich schon gewundert.‘

      Na, ich wurde wütend und stellte meine lieben Töchter zur Rede, sobald ich ihrer habhaft wurde.

      ‚Ihr habt doch versprochen zu duschen. Nur deshalb hab ich euch die Zeltlampe spendiert’, sagte ich, begreiflicherweise empört.

      ‚Aber wir – wir haben doch oft gebadet. Jeden Tag im Bach‘, versicherten sie. Ich aber war voller Zorn, mir war es auch peinlich meiner Bekannten gegenüber, und ich ging stracks zum Sommerstall und holte mir die Zeltlampe.

      ,So, nun könnt ihr abends nicht mehr lesen“, sagte ich strafend. Die Mädchen standen mit eingezogenen Köpfen da und sahen mir nach. Sie wissen, ich fackele nicht lange.

      Abends saß ich mit meiner Bekannten und deren Mann noch ein wenig hinter dem Haus, von wo aus man die Weide mit dem Sommerstall sieht. Wir unterhielten uns und tranken etwas und dachten an nichts Böses. Auf einmal sagte meine Bekannte:‚Haben Sie den Kindern die Zeltlampe nicht weggenommen? Ich hörte doch so was. Aber da hinten ist doch Licht im Stall, sehen Sie? Oder täusche ich mich?“

      Ich guckte zum Stall hinüber. Wahrhaftig, da war Licht, nicht immerzu, aber immer wieder. Manchmal sah man es und manchmal nicht. Wir spähten alle drei neugierig hinüber.

      ‚Ob sie sich eine Kerze mitgenommen haben?‘, fragte der Vater nach einer Weile. ‚Das wäre ja –‘

      ‚Das wäre unerhört. Also das gibt’s nicht‘, sagte meine Bekannte und stand auf. ‚Eine Kerze, wo Heu liegt.‘

      Sie ging los, so schnell, dass ich kaum mitkam. Ich betete, dass nicht meine auf diese schreckliche Idee gekommen sein möchten. Heu und offenes Licht, da gibt es kein Pardon. Wir gingen immer schneller, zuletzt liefen wir fast, denn es war ganz bestimmt Licht dort …“

      „Hatten sie wirklich eine Kerze?“, fragte Anja gespannt, als Frau Hartwig eine Pause machte und Cornelia noch einmal Kaffee eingoß.

      „Nein, sie hatten keine Kerze“, sagte Petras Mutter, und ihre Augen funkelten vor Vergnügen, „wissen Sie, was sie sich ausgedacht hatten, die Schlawiner? Sie hatten eins ihrer Fahrräder mitgenommen, an dem am hinteren Rad ein Dynamo war. Dieses Fahrrad hatten sie verkehrt herum an den Eingang des Stalles gestellt, dorthin, wo kein Heu lag, auf Lenkstange und Sattel, so, wie man es macht, wenn man etwas daran repariert. Die Lampe zeigte in Richtung auf ihr Lager. Dort rekelten sich alle in ihren Schlafsäcken, die Bücher vor den Nasen, und eine von ihnen – das Los bestimmte die erste, dann ging es reihum nach der Uhr, jeder zehn Minuten lang – eine von ihnen also musste die Pedale des Fahrrads drehen, damit die anderen Licht hatten. Es ging wirklich ganz gut, natürlich nicht so gleichmäßig wie mit der Zeltlampe, aber immerhin, Licht hatten sie.

      ‚Die Batterie war sowieso fast aus‘, berichteten sie, ‚und hier gab es keine Batterie, die nachließ. Wir haben keine Kerze genommen. Dass man im Heu kein Streichholz anzündet, na, das wissen wir auch, wir sind ja keine Säuglinge. Und es ging ganz gut so.‘

      Wir haben sehr gelacht. Der Mann meiner Bekannten sagte, die Mädels hätten eins zu null gegen uns gewonnen, und ich besorgte am nächsten Tag eine neue Batterie für die Zeltlampe und gab ihnen die wieder. Diesmal ohne Bedingungen, weil wir es genial fanden, wie die Kinder sich geholfen hatten. Und was glauben Sie, von da an duschten die Mädels, jeden Tag taten sie es, sagte meine Freundin, als ich sie abholte, gewissenhaft und pünktlich. Was sagen Sie dazu?“

      „Dasselbe wie Sie: eins zu null für die Kinder“, sagte Cornelia und lachte auch. „Sich so zu helfen, alle Achtung! Ja, wo viele Kinder zusammen sind, kommt immer eins auf den richtigen Trichter. Drei Töchter haben Sie, nicht wahr?“

      „Ja. Angelika, Martina und Petra. Und einen Sohn, den Werner. Der kommt nach Petra. Als er geboren wurde, telegrafierte meine Schwester an uns: Endlich erreicht! Ich habe mich natürlich auch sehr gefreut, noch einen Sohn zu bekommen, unsern Werner, aber erfindungsreich sind Töchter auch, wie man sieht, und manchmal schwieriger als Söhne.“

      Da öffnete sich die Tür, und ein Junge, etwas kleiner als Anja, erschien im Zimmer. Er sah Petra ziemlich ähnlich, hatte dasselbe emporstrudelnde Haar über der Stirn und braune Augen.

      Er begrüßte die Anwesenden mit einem flauen „Tag!“ und setzte sich an den Teewagen, um sich dort, stumm und ohne Pause, voll frischer Brötchen zu stopfen, bis seine Mutter „Schluss!“ sagte und den Wagen aus seiner Reichweite schob.

      Petra sah Werner entrüstet an.

      „Du kannst auch nichts als futtern“, sagte sie und machte ein Gesicht wie Anjas Lateinlehrerin, „einmal wirst du platzen. Lieber solltest du reiten, du Angsthase!“

      „Hab keine Angst. Hab bloß keine Lust“, nuschelte Werner, den Mund noch voller Brötchen, „wenn man von früh bis abends nichts anderes hört als reiten und reiten und reiten –“ Er stand auf und verließ den Raum, und man sah ihm von hinten an, was er für ein Gesicht machte.

      „Ihr sollt ihn in Ruhe lassen. Er kommt schon von selbst auf den Geschmack“, sagte Petras Mutter und lächelte ein wenig betrübt. „Mein Kummer ist es ja auch, dass er nicht aufs Pferd will. Und mein Mann bedauert es ebenso.“

      „Wie alt ist er denn?“, fragte Cornelia.

      „Neun. Da kann es ja noch kommen.“

      „Ich hab von klein auf vom Reiten geträumt. Aber erst als Studentin bekam ich die Gelegenheit. Und Sie reiten auch? Ich hab Sie noch nie im Verein getroffen.“

      „Wir reiten immer früh, mein Mann und ich. Mein Mann ist von der Firma sehr eingespannt, da geht es nicht anders als morgens um sechs. Sie kennen unsere Pferde sicher, oder? Ja, sie stehen im Vereinsstall, rechts vorn, in Laufboxen. Lady und Rumpel, die Namen passen wahrhaftig nicht zueinander, aber wäre Rumpel männlichen Geschlechts, so hätten wir sie wahrscheinlich in Lord umgetauft. Aber es sind zwei Stuten.“

      Sie mündeten in ein Gespräch über Pferde, bei dem Anja und Petra schweigend und aufmerksam zuhörten. Petras Mutter hatte früher Remonten zugeritten, verstand also wirklich etwas vom Thema.


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