James Bond 17: Der Kunstsammler. John Gardner

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James Bond 17: Der Kunstsammler - John  Gardner


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      CEDAR

      Später hatte Bond das Gefühl, er musste wie ein Trottel ausgesehen haben, als er dort mit offenem Mund in Ms Büro stand und die Frau anstarrte. Sie war durchaus jemand, bei dem es sich lohnte, ein wenig zu starren, selbst in dem lässigen Jeansrock und der Bluse. Ihr Gesicht wies genau wie ihre braunen Augen eine Ruhe auf, hinter der, wie Bond sofort spürte, ein wacher Verstand lauerte – ein Verstand, der genauso präzise und tödlich wie ihr Körper war. Die Frau war eine Expertin. Allerdings sollte sie das auch sein, wenn man bedachte, wer ihr Vater war.

      »Tja«, war alles, was Bond hervorbringen konnte.

      In Cedars Gesicht erblühte ein Lächeln, das ihn fast schon schmerzlich an seinen alten Freund Felix erinnerte. Es war ein völlig unbekümmerter Ausdruck, bei dem sie eine Augenbraue hochgezogen hatte, als wollte sie sagen: Mach es richtig oder fahr zur Hölle.

      M schnaubte. »Dann haben Sie Miss Leiter also tatsächlich noch nie zuvor getroffen, 007?« M redete Bond noch immer mit 007 an, als wäre die berühmte Doppelnullabteilung mit ihrer Lizenz zum Töten nicht schon lange aufgelöst worden.

      Bond hatte gewusst, dass Felix verheiratet war, doch während ihrer Zusammenarbeit hatte sein alter CIA-Freund – der später Privatdetektiv geworden war – nie von seiner Frau oder Kindern gesprochen.

      »Nein«, erwiderte Bond ein wenig angespannt. »Wie geht es Felix?«

      Cedars Augen verfinsterten sich ein wenig, als hätte man ihr einen schnellen körperlichen Schmerz zugefügt. Als sie sprach, war ihre Stimme tief und heiser und wies nicht einmal einen Hauch dessen auf, was die Briten als amerikanischen Akzent betrachteten.

      »Daddy geht es gut. Sie haben ihn mit den neuesten Erfindungen in Sachen Prothesen ausgestattet.« Der Anflug von Traurigkeit verschwand, und das Lächeln kehrte zurück. »Er hat eine unglaubliche neue Hand und sagt, dass sie alles machen kann. Er verbringt viel Zeit mit Schießen und dem Üben von Methoden, um schnell zu ziehen. Ich bin mir sicher, er würde wollen, dass ich Sie von ihm grüße.«

      Innerhalb eines Sekundenbruchteils erlebte Bond erneut die Zeit seines Lebens, die er am liebsten in die Vergessenheit verbannt hätte – die Zeit, in der Felix einen Arm und ein halbes Bein verloren und auch andere Verletzungen erlitten hatte, die über mehrere Jahre hinweg von plastischen Chirurgen hatten behandelt werden müssen. James Bond hatte sich oft selbst die Schuld für Felix Leiters missliche Lage gegeben, obwohl sie beide hinter dem dunkelhäutigen Gangster her gewesen waren, dessen sadistischer Wahnsinn fast einmalig gewesen war. Buonaparte Ignace Gallia alias Mr Big. Auf jeden Fall hätte Felix sofort zugegeben, dass er nach dem Haiangriff, den der Kriminelle arrangiert hatte, von Glück reden konnte, überhaupt noch am Leben zu sein. Und Bond tröstete sich mit der Tatsache, dass er Big am Ende ein für alle Mal ausgeschaltet hatte – und zwar auf die unangenehmste Art: Er hatte dafür gesorgt, dass die Strafe zum Verbrechen passte.

      Bond schüttelte seine Tagträume schnell ab und registrierte Cedar Leiters letzten Satz: »… er würde wollen, dass ich Sie von ihm grüße.« Sie legte den Kopf schief. »Wenn er wüsste, dass ich hier bin.«

      M schnaubte erneut. »Ich denke, wir sollten besser zur Sache kommen, 007. Miss Leiter ist eine Schläferin, die gerade aktiviert wurde. Sie traf in den frühen Morgenstunden ein.« Er zögerte und runzelte leicht die Stirn, um seine Unzufriedenheit auszudrücken. »Vor meiner Haustür. Ich habe mir angehört, was sie zu sagen hatte. Der Stabschef überprüft das gerade mit einer Chiffre durch die US-Botschaft.«

      Bond fragte, ob er sich setzen dürfe, und erhielt von M ein steifes Nicken.

      »Ich habe das alles schon gehört. Miss Leiter wird Sie auf den neuesten Stand bringen«, fuhr M fort.

      »Oh, bitte nennen Sie mich Cedar, Sir …« Sie hielt inne, als sie Ms vernichtenden Blick sah, und erkannte, dass sie gerade den schlimmsten Fauxpas aller Zeiten begangen hatte. M lehnte leichtfertige Vertraulichkeit aufs Heftigste ab, vor allem wenn es um Angelegenheiten ging, die den Service betrafen.

      »Fangen Sie an, Miss Leiter«, schnauzte M.

      Cedars Karriere hatte begonnen, als sie achtzehn war und als Sekretärin im Außenministerium der Vereinigten Staaten arbeitete. Nach einem Jahr kam die Central Intelligence Agency auf sie zu. »Ich vermute, es war wegen meines Vaters.« Dieses Mal lächelte sie nicht. »Aber man warnte mich, dass er es nie erfahren dürfe.« Sie behielt ihre Stelle im Ministerium, belegte aber während ihres Urlaubs, an den Wochenenden und an manchen Abenden umfassende Kurse.

      »Sie wollten mich nicht im aktiven Dienst einsetzen. Das haben sie mir von Anfang an klargemacht. Ich sollte ausgebildet werden und regelmäßig Auffrischungskurse besuchen, aber meine Stelle beim Ministerium behalten. Sie sagten mir, man würde mich irgendwann anrufen.

      Nun, der Anruf kam letzte Woche. Ich vermute, sie beobachten einen. Ich plante eine kurze Reise nach Europa. Daraus ist eine Dienstreise geworden, und ich wurde benutzt, weil ich nicht das bin, was man als ›Gesicht‹ bezeichnet.« Cedar meinte damit, dass sie den internationalen Geheimdienstorganisationen nicht bekannt war. »Es gibt ein Passwort, das M an die Leute in Langley weitergeben muss, und ein Passwort, das die Antwort darstellt, um zu beweisen, dass ich in Ordnung bin – ich schätze, darauf warten wir momentan.«

      M nickte und fügte hinzu, er hege keine Zweifel daran, dass Miss Leiter »in Ordnung« sei, wie sie es ausdrückte. Sicher würden die Dokumente und die Bitte, mit der sie an ihn herangetreten sei, Sinn ergeben.

      »Ich setzte Sie darauf an, 007, da es hier darum geht, harmonisch mit Miss Leiter und den Vereinigten Staaten zusammenzuarbeiten.«

      »Aber SPE…?«, begann Bond.

      »Die Angelegenheit wird Ihnen in einem Augenblick klar sein. Ich versetzte Sie in den Spezialdienst. Spezialdienste für die US-Regierung.« M nahm einige Papiere von seinem Schreibtisch, und Bond kam nicht umhin, zu bemerkten, dass es sich bei dem ersten um eine kurze maschinengeschriebene Notiz handelte, auf der das Siegel des Präsidenten prangte. Es hatte keinen Sinn, weiter mit seinem Vorgesetzten zu diskutieren.

      »Also, was hat es mit der Sache auf sich, Sir?«, fragte Bond.

      »Kurz gesagt«, begann M, »geht es um einen Mann namens Markus Bismaquer.«

      M warf einen Blick auf die Papiere in seiner Hand und ratterte die Einzelheiten von Bismaquers Leben und Hintergrund herunter: Geboren 1919, New York City. Einziger Sohn gemischter Eltern, deutsch und englisch. Beide amerikanische Staatsbürger. Machte seine erste Million vor seinem zwanzigsten Lebensjahr, innerhalb von drei Jahren war er Multimillionär. Entging dem Militärdienst während des Zweiten Weltkriegs, weil er als »unerwünscht« eingestuft wurde. Offenbar war er ein standhaftes und überzeugtes Mitglied der amerikanischen Nazipartei. Seit damals hat er versucht, es geheim zu halten, jedoch mit wenig Erfolg.« M gab ein Geräusch von sich, das man nur als Zeichen von Abscheu deuten konnte. »In den frühen 1950ern verkaufte er all seine Geschäftsanteile mit großem Profit und lebt seitdem wie ein Prinz der Renaissance. Man sieht ihn nur selten außerhalb seines eigenen Fürstentums …«

      »Seines eigenen was?« Bond runzelte die Stirn.

      »Eine Redewendung, 007. Miss Leiter wird es Ihnen erklären.«

      Cedar Leiter holte tief Luft.

      »Bismaquer besitzt ein knapp vierhundert Quadratkilometer großes Grundstück, das einst Wüste war. Es befindet sich etwa hundertdreißig Kilometer südwestlich von Amarillo, Texas. Und M hat es zu Recht als Fürstentum bezeichnet. Keine Straßen führen zur Rancho Bismaquer. Man kommt nur auf zwei Arten hinein: Es gibt einen kleinen Flugplatz, und er hat sein eigenes privates Einschienenbahnsystem. Fünfundzwanzig Kilometer außerhalb der Stadt – also Amarillo – befindet sich ein abgeschotteter Bahnhof, und man muss sehr gute Beziehungen zu Mr Bismaquer haben, wenn man mit der Einschienenbahn fahren will. Ist man auf dem Anwesen wirklich


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