Frostsklave. Regina Mars

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Frostsklave - Regina Mars


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aber nun drängten Zweifel und Unsicherheit durch die offene Tür. Er richtete sich auf, versuchte, groß und stark zu sein. War er auch. Aber die Unsicherheit blieb. Denn Lukacs würde mit seinen Freunden abziehen und ihn zurücklassen, oder?

      »Ich brauche keine Hilfe«, sagte Lukacs. Entspannt und spöttisch wie immer. »Nicht gegen meinen Freund Gal.« Er legte einen Arm um Gals Schultern. Einen sehr kräftigen Arm.

      Wenn wir wollten, könnten wir zusammen jedes von diesen Söhnchen plattmachen, dachte Gal. Er wartete. Auf ein Lachen. Auf einen Witz, darauf, dass Lukacs erklärte, das sei nur ein Scherz gewesen.

      Aber der lächelte. Wie ein Kater, der Milch riecht. »Gehen wir, Gal. Ich will noch ein paar Rüben kaufen, wenn welche übrig sind.«

      Sanft stieß er ihn vorwärts. Gal kam sich wie ein gerettetes Fräulein vor und außerdem wie ein ungeschickter Klotz. Aber vor allem war er stolz. Das Gefühl summte durch seinen Leib, ließ seine Brust schwellen und seine Schritte noch raumgreifender werden.

      »Ich such dir ein paar besonders schöne Rüben raus, wenn welche übrig sind«, sagte er. »Warum hast du das gesagt?«

      »Weiß nicht«, log Lukacs. Offensichtlich log er. So unschuldig, wie er schaute, war nicht mal eine zwölfjährige Nonne. »Ich hatte plötzlich Lust auf Rüben.«

      Leider gab es keine mehr. Gals Mutter spannte bereits das Pferd vor den leeren Karren und er hatte keinen Zweifel, dass sie den Stand eingepackt hätte und verschwunden wäre, wenn er nicht rechtzeitig aufgetaucht wäre.

      »Wo hast du dich rumgetrieben?«, motzte sie. »Die Rüben sind lang verkauft und nur, dass du's weißt: Keiner hat Arbeit für dich. Trau dich bloß nicht, rumzuheulen deshalb. Klar?« Ihre Augen weiteten sich, als sie Lukacs erblickten. »Oh. Hallo.«

      »Frau Oshin.« Er lächelte strahlend und verbeugte sich knapp. »Wie kann ich beim Abbau helfen?«

      Hatte er nicht heimgehen wollen? »Kannst mit mir den Stand abbauen«, brummte Gal und deutete auf das Holzgestell, das mit leeren Kisten bestückt war.

      »Gerne.«

      Gemeinsam hatten sie das Teil in Windeseile abgebaut. Lukacs stellte sich gut an, für ein Söhnchen. Ein Söhnchen, das Tiere schlachten und Feuerholz schlagen konnte, wie seine kräftigen Armmuskeln bewiesen. Gals Mutter konnte sich auf einer umgedrehten Kiste ausruhen und ihre Pfeife rauchen. Der widerliche Gestank des brennenden Wacholders wehte ihnen um die Nasen, als sie die Stangen einluden.

      »He, Gal«, sagte Lukacs und reichte ihm die letzte Kiste. »Suchst du etwa Arbeit? Oder was hat deine Mutter da gesagt?«

      Alles in Gal verkrampfte sich. Er nickte. »Zum Erntefest muss ich was gefunden haben.«

      »Und was für eine Arbeit suchst du?«

      »Ist doch egal.« Gal rammte die Kiste auf die nächste und rief: »Mutter! Wir sind fertig!«

      Er spürte Lukacs' Blick auf sich, als er vom Karren sprang und sich streckte.

      »Ist es schwer, Arbeit zu finden?«, fragte Lukacs, als würde er sich nach dem Wetter erkundigen.

      »Ja, wenn man sowas hier hat.« Gal tippte an sein linkes Horn. »Und sowas.« Er zeigte auf seine roten Augen. »Und außerdem verflucht ist. Kann froh sein, dass sie mich noch nicht an den Pranger gestellt haben. Arbeit will mir keiner geben.« Es war schwer, das Lukacs zu erzählen, dem vermutlich jeder in Hamparal eine Anstellung angeboten hätte, und dazu noch eine gute Mahlzeit, ein Bier und eventuell eine kleine Rangelei im Heu.

      »Oh.« Lukacs wischte sich die Hände an den Hüften ab und verzog den Mund. »Tut mir leid.«

      »Ist ja nicht deine Schuld«, murmelte Gal. »Schätze, also, wir sehen uns nächste Woche?«

      »Auf jeden Fall.« Warum lächelte der Kerl so viel? Das war, als hätte man die schärfste Klinge der Welt und würde achtlos damit rumfuchteln. »Selbe Zeit, selber Ort?«

      Gal nickte. Und freute sich, dass er nach der nächsten Runde sinnloser Bewerbungen etwas hatte, das ihm tatsächlich Spaß machen würde.

      »Ich bring Bier mit«, Lukacs grinste und Gal wusste, was jetzt kam, »mein Freund.«

      Gal nickte wieder und kam sich wie ein Bauerntrampel vor. Zwei kichernde Mädels gingen an Lukacs vorbei und schauten ihn an, als wollten sie ihn bei lebendigem Leib verspeisen.

      »Bis dann«, brummte Gal und schwang sich auf den Kutschbock. »Hack dir keinen Finger ab, wenn du mit der Axt spielst.«

      »Lass dich nicht von den Schweinen zertrampeln, wenn du ihnen einen Gutenachtkuss gibst.«

      Gal grunzte schon wieder. »Ich werd eins von ihnen Andon nennen, wenn du so weiter laberst.«

      »Und ihm einen Kuss geben?«

      Hitze kroch in Gals Wangen. »Träum weiter.«

      »Wer träumt hier von wem?« Das Grinsen wurde breiter. »Pass auf, dass dein Höschen nicht nass wird, wenn du nachts an mich denkst.«

      »Pass auf, dass ich dir nächste Woche nicht den Arsch versohle.«

      »He, ist doch nicht meine Schuld, wenn du von mir träumst.« Lukacs steckte die Hände in die Hosentaschen und wippte vor und zurück wie ein übergroßer Lausbube. »Bis dann.«

      Gal winkte knapp, wartete mit angehaltenem Atem, dass seine Mutter endlich neben ihm auf den Kutschbock geklettert war, lockerte die Zügel und schnalzte mit der Zunge. Viel zu langsam setzte die alte Mähre sich in Bewegung. Sein Kopf war heiß und das, obwohl sich Wolken vor die Sonne schoben und die Sommerhitze für einen Moment milderten.

      Er glaubte, Lukacs' Blick im Nacken zu spüren, da, wo es brannte und kribbelte. Erst, als sie zum Ende des Marktes geholpert waren, wagte er einen schnellen Blick zurück.

      Lukacs sah ihm nach. Mitten auf dem Marktplatz stand er, den Pranger hinter sich und musterte Gal, durchbohrte ihn mit seinem Blick, dass ihm ganz anders wurde. Eine Brise wirbelte die miefige Luft durch und ließ Lukacs Andons Haare flattern. Riss an seinem Hemd und presste es so dicht an seine Arme, dass jeder einzelne Muskel sichtbar wurde.

      Lukacs lächelte. Nicht spöttisch, nicht überheblich. Wehmütig.

      Scheiße, dachte Gal. Ich bin erledigt.

      5. Gesegnete Zeiten

      Es ließ sich nicht länger leugnen: Lukacs Andon war sein Freund.

      Und Gal war ein Biest. Ein abscheuliches Vieh, ein schwarzer Hund, ein geiferndes Tier. Widerwärtig. Alles, was sie über ihn sagten, war die Wahrheit. Nie hatte er sich so gut gefühlt und nie so sehr gehasst.

      Samstags, wenn sie sich auf dem verwilderten Grundstück trafen, wenn Lukacs mit zwei kühlen Bierflaschen und einem schmerzlich schönen Lächeln auf ihn wartete, blühte etwas in Gals Brust auf, so verboten wie süß. Es hielt an, so lange sie nebeneinander saßen. Über alles und nichts redeten. Über das Leben auf dem Hof und das Leben als Sohn des Bürgermeisters.

      Gal erfuhr endlich, was ein Salon war: eine gute Stube, nur besser. Eine bessere Stube sozusagen. Lukacs lachte über den Vergleich. Er lachte so viel, wenn sie zusammen waren, dass Gal sich wie der lustigste Kerl der Welt vorkam. Selbst, wenn er von seinen vergeblichen Versuchen erzählte, Arbeit zu finden. Lukacs bedauerte ihn, aber nicht so sehr, dass Gal sich blöd vorgekommen wäre. In all die spöttischen Zankereien mischte sich immer wieder Ernst.

      »Ich werde heiraten«, sagte Lukacs, eines Samstags, kurz vor dem vermaledeiten Erntefest. »Dalma Aviet. Vater findet, sie ist eine gute Partie. Sie ist sogar mit dem Herzog verwandt, aber vor allem hat ihr Vater die größte Mühle in der Gegend. Und er hat keine männlichen Erben. Es, also, alles wird an mich fallen, wenn er stirbt.« Er sah alles andere als glücklich über seinen drohenden Reichtum aus. Mürrisch drehte er die halb volle Bierflasche in den Händen und starrte in die stinkende Brühe des Baches.

      »Oh.«


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