Frostsklave. Regina Mars

Читать онлайн книгу.

Frostsklave - Regina Mars


Скачать книгу
war Dalma.«

      »Ach so.« Etwas in Gal schrie. Etwas Dunkles, das nach Öl und Rauch stank. Der Teil von ihm, der stets flüsterte und summte, wenn er auf Lukacs Andons volle Lippen starrte. Der Teil von ihm, der dem Herrn der Wölfe gehörte. »Sie sieht nett aus.«

      »Sie ist nett.« Trübsinnig legte Lukacs das Kinn auf die Unterarme. »Und klug. Sie hat mir bei den Abrechnungen geholfen und sie ist schnell.«

      »Und hübsch«, sagte Gal.

      »Ja, und hübsch.« Lukacs wirkte, als wollte er noch etwas sagen. »Also. Ich muss ihr nur noch einen Antrag machen. Ich schätze, sie sagt ja.«

      Gal schnaubte. »Wer würde denn Nein zu dir sagen? Du kannst jedes Mädel von hier bis Hegedüs haben, du Schönling.«

      »Ist das ein Kompliment?«, neckte der Blödmann. »Vielen Dank, edles Biest.«

      »Fresse, Kalter.« Gal stupste ihn mit dem Ellenbogen an. »He, zauber doch ein bisschen für mich. 'Ne kleine Abkühlung wäre nett.«

      Lukacs' Gesicht verschloss sich. »Nein.«

      »Tut mir leid.« Gal nahm einen Schluck des guten Bieres. »Ich will dich nicht damit ärgern. Ich finde es halt spannend. Ich kann sowas nicht.«

      »Sie dürfen es nicht herausfinden«, murmelte Lukacs. »Niemand. Sie würden mich aus der Stadt jagen, das weißt du. Ich kann mir keine Dummheiten erlauben.«

      Ein Gedanke schoss in Gals Kopf und bewies, was für ein widerwärtiger Kerl er war. Wenn sie Lukacs aus der Stadt jagten, wenn Dalma ihn in den Wind schoss, dann wäre er ganz allein. Dann müsste er weggehen, irgendwohin. Vielleicht in die große Stadt, wo die Kerle sich auf den Straßen paarten. Und Gal? Der musste eh fort, ohne Arbeit. Der könnte genauso gut mitkommen.

      Hör auf, dachte er. Hör auf, du verkacktes Arschloch. Lukacs ist nicht wie du. Der hat was zu verlieren. Der hat ein Mädel, Geld, eine Zukunft. Der wird reich und reicher werden, vielleicht Bürgermeister, vielleicht was Größeres. Alle lieben ihn. Dich hassen sie, also sei nicht so verdammt schäbig, dir zu wünschen, dass er so tief fällt wie du, nur damit …

      Damit was? Sie zusammen sein konnten? Wie? Gerade waren sie zusammen, so zusammen, wie sie je sein konnten. Mehr ging nicht, oder?

      Außer in seinen Träumen. Nachts, wenn er sich auf dem Küchenboden wand, erhitzt und fiebrig, da waren sie auf eine Art zusammen, die nur der Herr der Wölfe gut hieß und vor der der Ewige entsetzt das Gesicht abwandte.

      »Was ist?«, fragte Lukacs und riss ihn aus seinen widerlichen Träumen. »Du schaust, als hättest du schlechte Pflaumen gegessen.«

      »Hab nur an was gedacht.«

      »An das Erntefest?« Lukacs runzelte die Stirn. »Mach dir keine Sorgen. Du findest was. Die wären doch blöd, dich nicht zu nehmen. Du bist stark und fleißig und gar nicht so dumm, wie du aussiehst.«

      »Du bist genau so dumm, wie du aussiehst.«

      »Also sehr klug.« Das verdammte Grinsen wieder. Seine Ausläufer zuckten durch Gals Körper und bündelten sich im Unterleib.

      Widerliches Ekel, dachte er. Da hast du endlich das, was du immer wolltest, einen echten Freund, und jetzt reicht es dir nicht.

      Er atmete tief ein. Sah auf das vorbeigluckernde Wasser, bis seine Hände vergessen hatten, dass sie Lukacs packen wollten. Bis seine Lippen vergessen hatten, was sie mit Lukacs' Mund machen wollten.

      »Echt, du bist komisch heute«, sagte Lukacs. »Das wird schon. Du findest was. Ganz bestimmt.«

      »Ja«, sagte Gal, ohne Hoffnung. »Wenn alles schief läuft, werde ich halt Söldner.«

      Alle Farbe verschwand aus dem Gesicht des Schönlings. »Auf gar keinen Fall!«

      »Was soll ich denn sonst machen?«, schnappte Gal. »Niemand will mich! Ich muss Geld verdienen oder betteln gehen. Was glaubst du, wie viele Leute mir was in den Hut schmeißen würden, wenn ich am Straßenrand hocke?«

      »Aber Nagy, Gaspar und Fodor.« Lukacs sah aus, als würde ihm das Bier wieder hochkommen. »Die sind alle gefallen. Alle. Ich will nicht, dass du …« Er zögerte sichtlich.

      Wärme rann durch Gals Bauch. »Danke«, sagte er. »Mach dir keine Sorgen um mich. So schnell verrecke ich nicht.«

      »Hast du schon mal ein Schwert in der Hand gehabt?«

      Nur ein Holzschwert. Gal brummte etwas Vages und wechselte das Thema. Glücklicherweise kam Lukacs nicht mehr darauf zurück. Es war ein erstaunlich friedliches Treffen. Beim letzten hatten sie sich doch in die Haare gekriegt und einen kleinen Ringkampf veranstaltet. Der Gal prompt in seinen Träumen heimgesucht hatte, nur nackter und sündiger.

      »Das Erntefest ist nächste Woche«, sagte Lukacs, als die Turmuhr schlug. »Meinst du, du hast bis dahin …«

      »Ich hab heute die letzten Läden abgeklappert«, sagte Gal und erhob sich. »Sogar den Schneider und ich bin mit der Nähnadel so geschickt wie ein Ochse mit dem Blasebalg. Das wird nichts mehr.«

      Lukacs schaute, als wollte er ihm wieder vorschreiben, was er zu tun hatte. Doch er schwieg. Den ganzen Rückweg über war er ungewöhnlich schweigsam.

      »He«, sagte Gal. »Auf dem Erntefest zahle ich das Bier, ja? Die Anheurer sind da und man bekommt gleich 'ne Anzahlung. Einen ganzen Gulden. Dann kann ich dich auch mal einladen.«

      »Du musst mich nicht einladen«, sagte Lukacs und sah zu Boden. Vielleicht, weil er sich Sorgen um Gal machte. Vielleicht, weil der Boden übersät mit Pferdeäpfeln und Kuhdung war. »Ich geb dir gern ein Bier aus.«

      »Ja, aber ich will dir nichts schuldig bleiben, bevor …« Gal zögerte.

      »Bevor du gehst?« Lukacs klang wütend. »Selbst wenn du überlebst, kommst du nicht wieder. Die Söldner ziehen von einem Krieg zum nächsten. In irgendeinem wirst du umkommen.«

      »Das sehen wir dann«, sagte Gal und unterdrückte die Angst, die sich in ihm aufbäumen wollte. Die an ihren Fesseln riss und die ihn, einmal entkommen, flennen lassen würde wie einen kleinen Jungen.

      Auf gar keinen Fall, dachte er. Und schon gar nicht vor Lukacs.

      ***

      Auf dem Heimweg kamen Mutter und er am Friedhof vorbei. Die Kutsche rumpelte über Staub und Kiesel und er schluckte. Er sah die brüchige Mauer aus den Augenwinkeln an sich vorbeiziehen, roch die feuchte Erde. Spürte den Frieden, die Stille des Todes und schloss die Augen. Das Pferd kannte den Weg und es brachte Unglück, zu viel an die Toten zu denken.

      Nagy, Gaspar und Fodor hatten keine Gräber hier. Sie waren neben irgendeinem Schlachtfeld verscharrt worden. Oder nicht. Vielleicht waren sie vor sich hingerottet und ihre ausgebleichten Knochen lagen jetzt irgendwo, als Mahnmal, dass man dem Drachenbaron nicht in die Quere kam.

      »Du musst mit Andon reden«, sagte seine Mutter leise. »Dem jungen Andon. Weiß nicht, was der plötzlich mit dir hat, aber 'ne bessere Gelegenheit kriegst du nicht mehr, so, wie du aussiehst.«

      »Du klingst, als wäre ich 'ne alte Jungfer«, knurrte er. »Als wolltest du, dass ich noch schnell unter die Haube komme, bevor mein Arsch hängt und mich keiner mehr will.«

      »Gal.« Sie sah starr auf den holprigen Feldweg vor ihnen. Unter den zerdrückten Grassoden lag eine Schotterstraße, die angelegt worden war, bevor auch nur einer, den er kannte, seinen ersten Atemzug gemacht hatte. »Gal, ich hass dich nicht oder so. Mir ist egal, dass du ein Verfluchter bist. Aber anderen nicht. Allen anderen. Frag den jungen Andon, ob er Arbeit für dich hat. Wein ruhig, jammer ein bisschen und geh in die Knie. Der hat 'ne Schwäche für dich, der Ewige weiß, warum. Der wird dich nicht wegschicken. Und wenn er dafür sorgt, dass du irgendwo Scheiße schaufeln kannst, ist das besser, als wenn du dich von den Mistkerlen von Anheurern ködern lässt.« Im schwindenden Licht sahen ihre Falten wie tiefe Narben aus. »Es sind jedes Jahr die Gleichen. Jedes Jahr


Скачать книгу