Eine Kompanie Soldaten - In der Hölle von Verdun. Alfred Hein
Читать онлайн книгу.hat sich wieder gut gehalten“, feixte ein Oberleutnant den Major an.
„Er hat’s gut gemacht,“ knurrte der Graf.
Der Oberleutnant zog betroffen los. Er ging in einen Nebenraum des weitläufigen, festgearbeiteten Unterstandes und sagte zu den andern Offizieren und Unteroffizieren: „Die Welt geht unter. Wynfrith kriegt eine Nummer beim Alten.“
„Hunger?“ fragte der Major.
„Jawohl, Herr Major.“
„Lassen Sie sich zu essen geben — hier trinken Sie.“
Er schenkte ihm ein Glas Rotwein ein.
Lindolf trank.
„War’s schlimm?“ fragte der Kommandeur.
„Sicher noch schlimmer an der Sappe. Eben als ich bei Leutnant Meerfeld von der M. G. K. war, wurde die Sappe angegriffen.“
„Abgeschlagen?“
„Ich glaube ja.“
„Grüssen Sie Leutnant Wynfrith. Er soll mir die E. K.-Vorschläge bald schicken.“
Richtig — es gab ja Eiserne Kreuze für solche Sachen wie gestern, dachte Lindolf.
„Uebermorgen Ablösung durch das I. Bataillon. Hier die Chiffre-Meldung. Los. Aber erst essen.“
Lindolf bekam bei den Burschen und Meldern im Vorraum ein schönes Offiziersessen auf weissem Teller. Französisches Weissbrot dazu. Und nochmals guten Wein.
„Das schmeckt?“ griente einer der Burschen. „Armer Hund du — ganz mit Dreck bekrustet ist der Kerl.“
Die andern lachten.
„Möchtest gern tauschen mit uns, was?“
„Nee,“ sagte Lindolf, „ich bleibe bei meiner anständigen Kompagnie.“
„Ah — Kreuzschmerzen —“
Lindolf lachte nur verächtlich, sprang auf, liess das Essen stehen und lief zu seinen Lieben zurück.
13.
Als der zweite Abend sank, kroch Lindolf, der als Melder vom Schippen befreit war — die Kameraden mussten die Stellung ausbauen — zur M.G.-Kompagnie. Es war ziemlich still an der Front. Die Artillerie befunkte sich gegenseitig, und es kam natürlich vor, dass man von mancher Granate bei der 12. Kompagnie kaum wusste, ob sie eine deutsche oder französische war, da an manchen Stellen die feindlichen Gräben kaum 15 Meter auseinanderlagen.
„Ah — kleiner Freund — schön, dass Sie kommen —“ lächelte Leutnant Meerfeld Lutz an.
„Ich soll von Wynfrith grüssen,“ sagte Lindolf.
„Hast den besten Kompagnieführer im Regiment erwischt, Junge.“
„Weiss ich.“
Und sie begannen von Wynfrith zu schwärmen wie zwei Freundinnen über den Verlobten der einen.
„Was ist Wynfrith in Zivil?“
„Direktor in einer Anilinfabrik.“
„Und Sie?“
„Ich? Gar nichts. Ein Luftikus.“
„Na, na —“
„Mein Vater hat viel Geld. Ich studierte so pro forma Jura.“
Lindolf sah auf Meerfelds Brust. Da hing ein silbernes Kreuzchen aus der Uniform.
Meerfeld folgte dem Blick, wurde rot: „Oh — von meiner Mutter —“ Er barg das Kreuz unter der Uniform.
„Glauben Sie an Gott?“
„Ich bin katholisch.“
„Ja — aber — lebt Gott —?“
„Ich bete zu ihm, weil das fröhlich und gut macht,“ sagte Meerfeld.
„Ich kann nicht beten.“
„Du — Junge? Du betest ja immerfort mit deinen Kinderaugen. Du bist noch nicht schlecht genug, um beten zu müssen. Ich Bummler und Lumpenhund —“
„Aber, Herr Leutnant —“
„Wir waren Schweine, Kanaillen im Frieden. Hochnäsig. Gemein.“
„Sie?“
„Ja. Auch ich. Die Sappe macht mich gut. Jede Granate ist wie das heilige Sakrament für mich.“
„Sie sind ein Held.“
„Quatsch.“
Ein Unteroffizier kroch herzu.
„Na, Tulbe? Das ist Wynfriths kleiner Melder. Und das ist der dicke Tulbe, der immer auf die Sandsäcke steigt und Granaten schmeisst, wenn es am schlimmsten wird.“
Sie drückten sich die Hand.
„Wat los?“ fragte Meerfeld in der Sprache seiner Leute.
„Nee.“
„Zigarre?“ Tulbe nahm, Lindolf lehnte ab.
Plötzlich begann Meerfeld zu singen:
„Winterstürme wichen dem Wonnemond —“
Laut und stolz wie ein Opernsänger. (Er wollte es werden, aber der Vater Kommerzienrat im rheinischen Industriegebiet hatte es verboten.)
Bsching —
„Fresse halten!“ schrie einer hinein.
Meerfeld brach ab. „Er hat recht — hat wer was abgekriegt?“
„Halt die Schnauze!“ kam es von neuem zurück.
„Na, dann ist alles in Ordnung,“ lachte der Leutnant.
Und nun sassen sie stumm und tranken Kaffee mit Rum und knabberten Zwieback aus einem Leinenbeutel.
Kameraden — — —
Dann und wann ein Wort.
Dann und wann ein Schuss in der Nähe.
Plötzlich aber —
Getöse!
Lindolf sprang mit dem Ruf: „Dicke Luft, ich gehe!“ heraus, lief fort.
Meerfeld und Tulbe blieben sitzen. Tulbe schrie nur: „Das sind ja deutsche Granaten! Lehwald soll die Leuchtpistole abschiessen: Grün! Artillerie schiesst zu kurz!“
Lehwald schoss die grüne Kugel in die Luft.
Bsching — bsching — wieder in die Sappennähe.
„Verfluchte Hunde! Pennen wieder —“
— — — — Orkan — — — —
Aber schon schliefen sie, ehe sie’s hörten. Als zehn Minuten später Leutnant Wynfrith, auf den Höllenlärm zu Hilfe eilend, mit zwanzig Mann, darunter Lindolf und Bernöckel, Pechtler und Töz, die Sappe besetzte, da fanden sie dreissig Leichen, zerfetzt, noch blutend, mancher noch zuckend — — und auch der lustige Leutnant Meerfeld.
Hier lägst auch du — — sann Lindolf. Leutnant Meerfeld hatte nur eine kleine Wunde an der Schläfe.
Die deutschen Granaten waren in das Handgranatenlager der M.G.-Kompagnie eingeschlagen. Auf der Sandsackbarrikade tobte es, Franzosen und Deutsche, Auge um Auge.
Die Deutschen blieben oben.
Aber der tapfere fröhliche Führer war tot.
Und Lindolf erhielt die Leuchtpistole aus der Hand des toten Lehwald.
Er schoss eine grüne Rakete nach der andern in die Höhe. Endlich liess die deutsche Artillerie davon ab, ins eigene Lager zu schiessen.
„Irrsinn — Irrsinn“ flüsterte Wynfrith und deckte