Mesmer - Mary Baker Eddy - Freud: Die Heilung durch den Geist. Stefan Zweig

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Mesmer - Mary Baker Eddy - Freud: Die Heilung durch den Geist - Stefan Zweig


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einer zwar unklaren, aber doch den modernen Begriffen schon angenäherten psychotherapeutischen Behandlung diskreditiert und (wie sie meint: für die ganze Welt) erledigt. Jetzt herrscht in rebus psychologicis an der Wiener Fakultät wieder ein und ein Viertel Jahrhundert herrliche Ruhe, bis dann abermals solch ein lästiger Neuerer kommt, Sigmund Freud mit der Psychoanalyse, den ihre Professoren mit dem gleichen Vorurteil und dem gleichen Zorn bekämpfen, diesmal glücklicherweise mit bedeutend geringerem Erfolg.

      Paris

       Inhaltsverzeichnis

      Das achtzehnte Jahrhundert denkt und lebt kosmopolitisch. Noch stellt die Wissenschaft, die Kunst Europas eine einzige große Familie dar, noch ist für den geistigen Menschen die gegenwärtige bornierte Abschließung von Staat zu Staat nicht erfunden. Der Künstler wie der Gelehrte, der Musiker wie der Philosoph wandert damals ohne jede vaterländische Hemmung von einer Residenz zur anderen, überall zu Hause, wo er sein Talent und seine Mission auswirken kann, allen Nationen, Völkern und Fürsten gleich williger Freund. Deshalb bedeutet es für Mesmer keinerlei besondere Entschließung, von Wien nach Paris zu übersiedeln, und von der ersten Stunde an braucht er diese Umstellung nicht zu bereuen. Seine aristokratischen Patienten aus Österreich öffnen ihm das Haus der Gesandtschaft, Marie Antoinette, auf alles Neue und Sonderbare und Unterhaltsame lebhaft eingestellt, verspricht ihm ihre Unterstützung, und Mesmers zweifellose Zugehörigkeit zu der damals allmächtigen Freimaurerei führt ihn sofort ins Zentrum der französischen Geistigkeit. Außerdem begegnet seine Lehre einem ausgezeichneten Augenblick. Denn gerade dadurch, daß Voltaire und die Enzyklopädisten mit ihrem aggressiven Skeptizismus den Kirchenglauben aus der Gesellschaft des Dix-huitième herausironisierten, hatten sie das ewig im Menschen unzerstörbare Glaubensbedürfnis statt zu Boden geschlagen (»écrasez l’infâme!«) nur auf allerhand sonderliche Abwege und in mystische Schlupfwinkel gedrängt. Nie war Paris neuerungssüchtiger und abergläubischer als in jenen Tagen der beginnenden Aufklärung. Seitdem man die Legenden der biblischen Heiligen nicht mehr glaubt, sucht man sich selbst neue und sonderbare Heilige und entdeckt sie in den scharenweis heranströmenden rosenkreuzerischen, alchimistischen und philalethischen Scharlatanen, denn alles Unwahrscheinliche, alles der offiziellen Schulwissenschaft kühn Entgegengesetzte findet in der gelangweilten und auf philosophische Mode frisierten Pariser Gesellschaft begeisterten Empfang. Bis in die höchsten Kreise dringt die Leidenschaft für Geheimwissenschaft, für weiße und schwarze Magie. Madame de Pompadour, die Staatslenkerin Frankreichs, schleicht nachts aus einer Seitentür der Tuilerien zu Madame Bontemps, um sich aus Kaffeesatz die Zukunft wahrsagen zu lassen; die Herzogin von Urfé läßt sich (man lese es bei Casanova nach) einen Baum der Diana bauen und dabei auf höchst physiologische Weise verjüngen; die Marquise de l’Hôpital wird von einem alten Weib in ein abgelegenes Lokal gelockt, wo ihr Luzifer in Person bei einer schwarzen Messe vorgestellt werden soll; aber während die gute Marquise und ihre Freundin splitternackt den angekündigten Teufel erwarten, macht sich die Gaunerin mit ihren Kleidern und ihrer Börse davon. Die angesehensten Männer Frankreichs schauern vor Ehrfurcht, wenn der sagenhafte Graf von Saint-Germain beim Souper sich höchst raffiniert verspricht und seine Tausendjährigkeit damit verrät, daß er von Jesus Christus oder Mohammed als von persönlich Bekannten redet. Gleichzeitig erfreuen sich die Wirte und Herbergsleute von Straßburg voller Stuben, weil der Prinz von Rohan den gerissenen sizilianischen Gauner Balsamo, der sich Graf von Cagliostro nennt, in einem der vornehmsten Palais der Stadt beherbergt. Mit der Postkutsche, in Sänften und auf Reitpferden kommen aus allen Richtungen Frankreichs die Aristokraten heran, um von diesem analphabetischen Quacksalber sich Tränke und Zaubermittel zu kaufen. Hofdamen und blaublütige Fräuleins, Fürstinnen und Baroninnen richten in ihren Schlössern und Stadthotels alchimistische Küchen ein, und bald wird auch das eigentliche Volk von der Epidemie des Wunderwahns ergriffen. Kaum verbreitet sich die Nachricht von mehrfachen Wunderheilungen am Grabe des Archidiakonus von Paris auf dem Friedhofe von Saint-Médard, so umlagern sofort Tausende den Kirchhof und geraten in die wildesten Zuckungen. Keine Absonderlichkeit scheint damals zu toll, kein Wunder wunderbar genug, und nirgendwann war es Schwindlern leichter gemacht als in dieser gleichzeitig vernünftlerischen und sensationsgierigen Zeit, die sich jeden Nervenkitzel kauft, jeder Narretei hastig zuschwört, jeder Zauberei gläubig-ungläubig verfällt. So hatte ein Arzt mit einer neuen Universalmethode sein Spiel eigentlich schon von vornherein gewonnen.

      Aber Mesmer (immer wieder muß dies betont werden) will durchaus nicht einem Cagliostro oder Saint-Germain die goldenen Stollen im Bergwerk der menschlichen Dummheit abgraben. Graduierter Arzt, sehr stolz auf seine Theorie, Fanatiker seiner Idee, ja sogar ihr Gefangener, will und wünscht er nur eines vor allem: von der offiziellen Wissenschaft anerkannt zu werden. Er verachtet den wertvollen und einträglichen Enthusiasmus der Modemitläufer: ein zustimmendes Gutachten eines einzigen Akademikers wäre ihm wichtiger als das Geschrei von hunderttausend Narren. Aber die hochmögenden Professoren setzen sich mit ihm durchaus nicht an den Experimentiertisch. Die Berliner Akademie hat auf seine Ausführungen nur lakonisch geantwortet »er sei im Irrtum«, der Wiener medizinische Rat ihn öffentlich einen Betrüger genannt; man begreift also seine geradezu verzweifelte Leidenschaft, endlich eines redlichen Urteils gewürdigt zu werden. Sein erster Weg, kaum daß er im Februar 1778 in Paris eintrifft, geht zu Le Roy, dem Präsidenten der Akademie der Wissenschaften; durch ihn läßt er dringlichst alle Mitglieder einladen, sie möchten ihm die Ehre erweisen, seine neuartige Behandlung in seinem vorläufigen Hospital von Créteil (nahe von Paris) auf das strengste zu überprüfen. Vorschriftsmäßig bringt der Präsident den Antrag zur Debatte. Aber anscheinend hat die Wiener Fakultät schon vorgeheizt, denn die Akademie der Wissenschaften erklärt kurz und knapp ihre Abneigung, sich mit Mesmers Experimenten zu befassen.

      So leicht gibt nun ein Mann nicht nach, der, leidenschaftlich durchdrungen von der Überzeugung, der Welt etwas sehr Wichtiges und Neues dargetan zu haben, eine wissenschaftliche Idee wissenschaftlich gewürdigt sehen will. Sofort wendet er sich jetzt an die neugegründete Medizinische Gesellschaft. Dort kann er als Arzt sein unbestreitbares und unumstößliches Recht fordern. Abermals erneuert er sein Angebot, in Créteil seine geheilten Patienten vorzuführen und jeder Frage willige Auskunft zu geben. Aber auch die Medizinische Gesellschaft zeigt wenig Neigung, sich in Gegensatz zu ihrer Schwestergesellschaft in Wien zu stellen. Sie weicht der unbequemen Einladung mit dem fadenscheinigen Vorwand aus, sie könne Heilungen nur in solchen Fällen beurteilen, wo sie den vorhergehenden Zustand der Patienten gekannt habe, und dies sei hier nicht der Fall.

      Fünfmal hat nun Mesmer versucht, bei allen Fakultäten der Welt Anerkennung oder zumindest aufmerksame Überprüfung seines Systems zu erzwingen: unmöglich konnte man gerader, ehrlicher, wissenschaftlicher handeln. Jetzt erst, da die gelehrten Klüngel ihn durch ihr Schweigen verurteilten, ohne in die Akten und Fakten Einblick genommen zu haben, jetzt erst wendet er sich an die höchste und entscheidendste Instanz: an die Öffentlichkeit, an alle Gebildeten und Interessierten, indem er 1779 in französischer Sprache seine »Abhandlung über die Entdeckung des tierischen Magnetismus« in Druck gibt. Mit beredten und wirklich redlichen Worten bittet er um Hilfe für seine Versuche, um Anteil und Wohlwollen, ohne mit einer Silbe Wunder und Unmöglichkeiten zu versprechen: »Der tierische Magnetismus ist gar nicht, was die Ärzte unter einem geheimen Mittel sich denken. Er ist eine Wissenschaft, welche ihre Gründe, Folgen und Sätze hat. Das Ganze ist bis auf diese Stunde unbekannt, ich gebe es zu. Aber eben deswegen wäre es widersprechend, mir Leute zu Richtern geben zu wollen, welche nichts von dem verständen, was sie zu beurteilen sich unterfingen. Nicht Richter, Schüler muß ich haben. Eben darum geht meine ganze Absicht dahin, von irgendeiner Regierung öffentlich ein Haus zu erhalten, um darin Kranke in die Kur zu nehmen, und wo man mit leichter Mühe, ohne fernere Unterstellungen besorgen zu dürfen, die Wirkungen des tierischen Magnetismus vollständig beweisen könnte. Dann wollte ich es über mich nehmen, eine bestimmte Anzahl von Ärzten zu unterrichten, und es der Einsicht derselben Regierung überlassen, wie allgemein oder eingeschränkt, wie schnell oder langsam sie diese Erfindung verbreiten wollte. Sollten meine Vorschläge in Frankreich verworfen werden, so würde ich es zwar ungern verlassen, allein es wird doch gewiß geschehen. Werden sie allerorten verworfen, so hoffe ich doch immer, ein Ruheplätzchen für mich zu finden. Eingehüllt in meine Rechtschaffenheit,


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