Geschichten vom Pferdehof. Lise Gast

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Geschichten vom Pferdehof - Lise Gast


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zu der Fahrt zwei vom Transport, einwandfrei eingefahren, aber wirklich schnell? Damit Sie nicht ewig brauchen? Es sind die beiden im letzten Stand, erinnern Sie sich? Wir nennen sie Schnick und Schnack, weil wir ihre Namen nicht behalten können. Ich würde sie Ihnen borgen, denn so leicht kauft sie jetzt im Herbst keiner, und ich will sie nur zusammen abgeben. Vielleicht finden Sie auch unterwegs einen Interessenten?“

      Bertram sah, wie es in Pölzes Augen zu funkeln begann.

      „Erst müßten wir sie aber ausprobieren“, sagte er schnell. Habermann nickte.

      „Natürlich. Wie wäre folgendes: Sie spannen sie vor Ihre hübsche neue Kutsche, und ich fahre mit Ihnen hinüber nach Niederwerth, meine Frau holt mich dann mit dem Auto zurück. Und Sie, Herr Werth, und Ihre Nichte reiten Ihre beiden Stuten. Einverstanden?“

      So geschah es denn auch. Und dabei erlebten die Niederwerther, wie Isländer, gut eingefahren, im Geschirr gehen können. Pölze nahm nach ein paar Kilometern selbst die Zügel und merkte, welch ein Vergnügen es bedeutet, so hervorragende Islandponys vor sich zu haben. Strahlend bestätigte sie es Habermann.

      „Schön, Sie können sie haben. Fahren Sie beide allein zum Rosenhof?“

      „Koko will auch mit. Sie ist auch zur Hochzeit eingeladen, meine Schwester heiratet.“

      „Oh, wie schade. Entschuldigen Sie, ich meinte nicht das zweifellose Herzensglück ihrer Schwester, sondern die Tatsache, daß diese junge Dame mitwill. Ich könnte sie hier so gut gebrauchen, sie könnte sicher gut Isländer vorreiten, wenn Kundschaft da ist. Sonst macht das mein Sohn, aber der befindet sich augenblicklich im Ausland, und ich brauche eine junge Kraft, eine weibliche wäre natürlich noch besser ...“

      Pölze merkte genau, was Kornelia jetzt dachte.

      „Wenn du lieber nach Oberrot gehst –“

      „Oh, ich würde schon gern!“

      „Wirklich?“

      „Bestimmt, aber ...“

      „Du könntest ja zur Hochzeit mit der Bahn kommen“, half Bertram, „wir fahren ohnehin etwas eher, weil wir endlich einmal Ferien machen wollen. Wenn du willst, bleib ruhig bei Habermanns und dreh seinen Kunden die Pferde an, und komm im letzten Augenblick mit dem Zug!“

      „Oh!“ Kornelia war dunkelrot geworden. „Aber ist es nicht schuftig, ich meine –“

      „Gar nicht schuftig. Bertram und ich fahren auch gerne mal allein mit Berti“, tröstete Pölze sofort. „Wir haben keine Hochzeitsreise gemacht, wie das bei Landleuten manchmal so ist. Nie haben sie Zeit. Nun können wir sie ja nachholen, wenn auch nicht ganz stilecht – ich meine, mit Berti und so weiter, immerhin kommen wir dann eher dazu als manche andere. Bertrams Vater machte seine Hochzeitsreise zur Silbernen, weil er vorher keine Zeit fand. Immerhin, erst müssen wir wohl meine Schwägerin fragen ...“ Sie sah ein wenig sorgenvoll zu Kornelia hinüber, und sie hatte recht vermutet. Sofort war deren Gesicht verbockt wie das eines Waldesels ...

      „Mutter? Was kann Mutter dagegen haben?“ fragte sie schnippisch. „Ich bin schließlich erwachsen und kann in meinen Ferien tun und lassen, was ich will. Also das eine sage ich dir, Pölze: Ich frage sie nicht um Erlaubnis, daß du es nur gleich weißt.“

      „So was kann man auch liebenswürdig äußern, meine sehr verehrte junge Dame“, schaltete sich hier Habermann in trockenem Ton ein. Es klang so, daß Kornelia über und über rot wurde. Pölze sah rasch weg. Trotzdem fand sie es gut von dem alten Kavalier; oft nützt es ja viel mehr, wenn jemand Fremdes etwas sagt, als wenn man es von den eigenen Angehörigen hört – und dann meist noch in dauernden Wiederholungen. „Mit Liebenswürdigkeit kommt man nämlich im Leben viel weiter, abgesehen davon, daß es netter klingt – aus einem so hübschen Mund“, setzte der alte Herr noch, jetzt ausgesprochen freundlich, hinzu. Kornelia sagte nichts. Später aber, als sie einmal einen Augenblick allein waren, murrte sie: „Du bist wohl trotzdem böse, daß ich abgesprungen bin?“ Pölze sah sie an, bis die Jüngere den Blick senkte, und schüttelte den Kopf.

      „Böse. Du weißt genau, daß ich das nicht bin. Habe ich je etwas übelgenommen? Ich finde es nicht nett, mir das zu unterstellen.“

      „Ich könnte es aber verstehen. Pölze, bitte – o Pölze, ich möchte einmal, einmal richtig erwachsen sein.“ Es klang wie ein Schrei, wenn es auch geflüstert war. Pölze konnte nicht anders, sie nahm die kleine Freundin ganz schnell in die Arme und drückte sie an sich.

      „Das verstehe ich. Es ist eine schwere Zeit, die Zeit zwischen den Zeiten. Wir alle mußten durch, du auch, mein Liebes. Aber nun mache dir wenigstens hier keine Gedanken, zwischen uns ist alles in Ordnung, ob du mitfährst oder nicht. Und ich fahre wirklich gern einmal mit meinen beiden Männern.“

      „Könntet ihr nicht so fahren, daß ihr uns, ich meine, Habermanns und mich, besucht?“ schluckte Kornelia.

      „Ein Umweg wäre das schon“, sagte Bertram, „kein großer, aber immerhin. Nein, wir fahren doch lieber den direkten Weg, übrigens, natürlich keine Autostraße. Ich habe eine Wanderkarte, nach der wir uns richten können. Möglichst nur Feld- und Waldwege. Und zweitägig, so, wie Pölze damals mit Unfug fuhr, als sie mich hier verließ.“

      Kornelia wollte alles ganz genau wissen, vertiefte sich zu Hause in die Karte, in die Bertram die gesamte Reiseroute rot eingezeichnet hatte, und schien überhaupt im Grunde ihres Herzens zu bedauern, daß sie nicht mitfuhr.

      „Ja, ja, man kann mit einem einzigen Hintern nicht auf zwei Hochzeiten tanzen“, stichelte Bertram, als er sie bocken sah, „und verdreh gefälligst dem armen Habermann nicht den Kopf, du schwarzer Deibel, du!“

      „Höchstens den Käufern, aber das ist ein gutes Werk“, konterte Kornelia. „Man soll jeden Tag ein gutes Werk tun. Wenn mir das gelingt, verkaufen wir in den Herbstferien den ganzen Transport, bäh!“

      Sie entsprang.

      5

      Dünner Nebel lag über der Weite, als die junge Familie Werth im neuen Ponywagen das Dorf verließ. Es war noch früh, die Luft kalt, lebendig und ein klein wenig feucht. Der Wald zur Rechten, ein Stück von der Straße zurückliegend, fing schon an, sich zu färben, der Himmel schien klar oberhalb des Nebels. Pölze atmete tief.

      „Komm, laß mich!“

      Bertram gab ihr bereitwillig die Zügel. Und als sie die in den Händen spürte, straff zwischen Ring und kleinem Finger aus der Faust kommend, fühlte Pölze wieder einmal sekundenlang, daß sie glücklich war, randvoll, zersprengend glücklich. Solch einen Mann zu haben, dazu einen gesunden Sohn, ein weiteres Kind auf dem Wege, und mit all diesen Geliebtesten auf einer Reise zu sein im Ponywagen, der Heimat ihrer Kindheit entgegenfahrend – schöner konnte es wohl nie kommen im Leben. Sie seufzte tief auf.

      „Das kam von Herzen“, sagte Bertram behaglich, während er sie von der Seite betrachtete, diese seine rotbackige junge Frau, „ich gäbe was drum zu wissen, wem dieser Seufzer galt.“

      „Das wirst du nie erfahren“, erwiderte Pölze und sah geradeaus, „weißt du übrigens, ob sie autosicher sind? Dahinten ...“

      Sie befanden sich noch auf der Bundesstraße, wollten erst nach etwa einem Kilometer rechts abbiegen und von da an Nebenstraßen benutzen. Schnack, der rechts ging, hatte den Kopf ein wenig gehoben und blähte die Nüstern. Er würde doch nicht ...

      Nein, er machte keinen Rabatz. Der Autofahrer hatte auch rücksichtsvoll das Gas weggenommen, da er ein Gefährt auf der Straße sah, das anders war als die üblichen. Langsam fuhr er, zu ihnen herblickend, an ihnen vorbei. Die beiden nicht kleinen Ponys waren wirklich auffallend schön. Pölze sollte auf der weiteren Reise immer wieder erleben, daß jeder ihnen nachstarrte, jeder zweite ihnen zuwinkte und beinahe jeder vierte ihnen etwas nachrief. Kein Mensch ist mehr an Pferdewagen als Fortbewegungsmittel gewöhnt.

      „Merkwürdig, daß wir so merkwürdig sein sollen“, sagte


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