Geschichten vom Pferdehof. Lise Gast

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Geschichten vom Pferdehof - Lise Gast


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sehen hervorragend aus“, grunzte Kornelia, „nein, zu schade, daß kein Spiegel greifbar ist! Oder hast du einen mit, Pölze?“ rief sie der Kameradin zu.

      „Wozu? Brauchst du einen?“ fragte Pölze zurück und begann, in ihrem Reisesack zu kramen. Kornelia winkte lachend ab.

      „Aber wo! Ich meine nur, er müßte sich bewundern können, so etwas sieht man nicht alle Tage. Sie müssen sich umziehen, Sie erkälten sich sonst“, fuhr sie dann fort, zu dem Gestürzten gewandt, und sie bemühte sich, ihr Lachen zu verkneifen. Er sah ziemlich kläglich zu ihr auf.

      „Ja, ich glaube, ich muß. Wenn ich einmal Eindruck schinden will, geht es bestimmt daneben“, sagte er. „Ich wollte so richtig schneidig angaloppiert kommen ...“ Er versuchte, Teile seines Anzugs auszudrücken, was natürlich ein hoffnungsloses Unternehmen war. „Wir sahen Ihr Gespann und vor allem Sie, die Vorreiterin ...“ Dabei machte er ein bewunderndes Gesicht, das, naß und schmutzig, in der Wirkung etwas danebenging. In Kornelias Augen tanzten schon wieder tausend Lachteufel.

      „Haben Sie weit nach Hause? Ich meine, zum Umziehen?“ fragte sie.

      „Nicht sehr weit. Dort drüben ...“, er deutete hinüber, „liegt unser trautes Heim. Mit vielen anderen Isländern übrigens ...“ Er sah sie listig an. Sie biß sofort auf den Angelhaken.

      „Wie vielen?“ fragte sie.

      „Im ganzen, Hug, wieviel haben wir zur Zeit?“

      „Dreißig!“ antwortete der andere.

      „Dreißig Isländer?“ fragten Kornelia und Pölze wie aus einem Mund.

      „Nicht alles Isländer. Es sind auch Haflinger, Bosnier und Norweger dabei.“

      „Zucht?“

      „Auch. Vor allem aber ...“

      „Verleihstall. Wir sind ‚Klein Island‘, wenn Ihnen das ein Begriff ist.“

      „Ah –“ Pölze und Kornelia öffneten beide zugleich den Mund zu diesem anerkennenden Ah, worauf nun wieder die zwei jungen Männer das Lachen bekamen. Sie unterdrückten es. Aber man sah, wie gut es ihnen tat, ein Begriff zu sein.

      Pölze und Kornelia hatten natürlich in einschlägigen Zeitschriften Annoncen gefunden: „Ponytrekking durch Deutschland, Unterkunft, Gepäckbeförderung, fröhliche Abende mit Weinproben, Frühstück und Versicherung inklusive –“ Billig war das Ganze nicht. Aber heutzutage saß ja das Geld allen Leuten locker, und Reiten war große Mode. Leider, dachte Pölze oft. Früher waren es einzelne Verschworene, die ritten, oft heimlich, um den Spott der andern nicht herauszufordern oder das beliebte: „Die hat’s nötig, auch noch zu reiten!“ Jetzt gab es kaum eine Familie mehr, wo nicht Sohn oder Tochter, Nichte oder Enkel ritt und natürlich schon soundso viele Turniere gewonnen hatte. So viele Turniere gab es gar nicht in der Bundesrepublik, wie da gewonnen wurden, genau wie jener Araber im letzten Krieg, der so feurig war, daß ihn immer nur der Kommandeur und derjenige reiten konnte, der davon erzählte. Dieser Araber hatte, wie so manche Legende, ein ewiges Leben. Hier aber, so dachten Pölze und Kornelia genau parallel, waren die Angaben der jungen Männer ja schnell nachzuprüfen und konnten somit eigentlich keine reinen Angebereien sein. Hier hatten Lügen sehr kurze Beine.

      „Wollen Sie uns denn nicht das Vergnügen gönnen und unsere Pferde ansehen?“ fragte der Nasse, der inzwischen ein wenig zu tief in Kornelias schwarze Augen gesehen zu haben schien, lockend und werbend. Sie lachte.

      „Warum nicht, Herr Froschkönig?“ Froschkönig statt Märchenprinz – so geht es einem, dachte sie. Aber sei es drum, wenn man dabei dreißig Isländer kennenlernt ...

      „Pölze, wollen wir? Zeit haben wir ja, wenn Bertram sowieso erst heute abend auf dem Rosenhof sein will.“

      „Schön, wir wollen!“ entschied Pölze sogleich. Und Kornelia setzte hinzu: „Aber nur, damit Sie zum Umziehen kommen. Wohin?“

      „Hier herüber!“

      Der zweite Reiter wies mit der Gerte auf einen Übergang über den Straßengraben. Hier führte ein halbbreiter Feldweg, richtig urig, Spuren rechts und links und in der Mitte eine Grasnarbe, geradewegs nach Norden, also rechtwinklig von ihrer eigenen Richtung ab.

      „Weit?“ fragte Pölze noch.

      „Höchstens drei Kilometer.“

      „Also los!“

      Kornelia war schon angetrabt, die Ponys folgten. Rechts und links des Wagens ritten die jungen Männer, der Jägersmann – er war in grünen Loden gekleidet – und der Froschkönig. Kornelia hatte ihn bereits so getauft. Und Pölze unterhielt sich mit den beiden, während Kornelia vorn ritt. Berti hatte die Fahrerei, deren Zweck er nicht einsah, satt und strampelte und wollte aus seinem Sitz heraus. Schon deshalb war es geraten, eine Pause einzulegen, dachte Pölze zufrieden.

      13

      Das Haus, zu dem sie gelangten, war hübsch und sauber, ein wenig kahl, eine langgestreckte, niedrige Baracke, einstöckig. Jäger und Froschkönig sprangen ab und banden ihre Pferde an, Pölze parierte durch und hielt. Die beiden jungen Männer überstürzten sich, ihr beim Ausspannen zu helfen. Sie durfte keine Hand rühren. Es tat wohl, so behandelt zu werden. Dann wurden sie und Kornelia ins Haus gebeten.

      Pölze hatte sich unwillkürlich eine Junggesellenbude vorgestellt, ähnlich der, die sie damals in Niederwerth angetroffen hatte, als sie erstmals die drei Brüder dort besuchte. Mit leeren Flaschen überall, unabgewaschenem Frühstücksgeschirr, vollen Aschenbechern und einem halben Rittergut Erde auf den Teppichen oder darunter. So wunderte sie sich ein bißchen. Der Flur war ordentlich, das Wohnzimmer, in das sie gebeten wurden, sauber, gemütlich, geschmackvoll. Niedrige Zimmer mit breiten Fenstern sind ja immer leicht wohnlich zu gestalten. So setzte sie sich vergnügt auf die breite Eckcouch und sagte nicht nein, als der Froschkönig sie bat, einen Kaffee mit ihnen zu trinken.

      „Ich muß mich nur schnell umziehen“, sagte er und entschwand in Eile. Der Jägersmann blieb eifrig bemüht, inzwischen bei Kornelia einen guten Eindruck zu machen. Er erzählte und zeigte Fotos. Pölze lobte den gepflegten Raum.

      „Wenn man bedenkt, daß Sie hier als zwei Junggesellen – das sind Sie, doch? – ohne weibliche Hilfe hausen, dann ist das höchst anerkennenswert.“

      „Sie sagen es, Gnädigste“, fiel hier der Froschkönig ein, der eben, frisch gekleidet, mit Scheitel und blank geputzten Stiefeln wieder hereinstürmte, ein Tablett in den Händen, „und fragen Sie mich, warum. Weil ich es bin, der hier verantwortlich zeichnet. Wir haben damals, Hug und ich, als wir mit unserm Plan an die Ausführung gingen, geknobelt, wer was tun muß, wer die Innenseite und wer den Außendienst versorgt. Mich traf es innen – es traf mich schwer. Ich würde viel lieber draußen bei den Ponys arbeiten, aber, wie gesagt, das Los entschied, und ich zog das dunklere. Daß Sie meine Arbeit loben, tut meiner verwundeten Seele wohl.“

      „Wirklich! Und wenn es draußen ähnlich ist wie hier ...“ Pölze sah sich um. „... dann, meinte ich, müßten Sie zu Ihrem Ponytrekking den größten Zulauf haben. Nun erzählen Sie: Wer kommt zu Ihnen, wie verstehen Sie sich mit ihren Kunden, wohin reiten Sie, was kostet das alles? Ich habe schon eine Menge über Ponytrekking gelesen, es aber noch nie mitgemacht, da wir selbst Ponys haben.“

      „Kunden, wie Sie es nennen, kommen aus allen Berufs- und Altersschichten“, erzählte der Froschkönig bereitwillig, „vom Generaldirektor über den Schauspieler bis zum Rentner oder der Rentnerin, von Kindern und Jugendlichen gar nicht zu reden. Die hängen uns die meist begüterten Eltern für die Ferien auf, um ungestört nach Teneriffa oder Südafrika reisen zu können, Geld spielt heute bei vielen keine Rolle. Aber auch die etwas weniger reichen Leute, wenn ich so sagen darf, bezahlen lieber für ihre Kinder hier einen Ferienaufenthalt, als daß sie sich selbst in dieser Zeit um sie kümmern, mit ihnen wandern, schwimmen oder sonst etwas Bescheideneres unternehmen. Sie wollen ihnen etwas bieten, sagen sie, und Reiten ist halt Mode. Meiner Meinung nach wollen sie sie auf


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