Tiergeschichten vom Ponyhof. Lise Gast

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Tiergeschichten vom Ponyhof - Lise Gast


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ans Telefon, und tatsächlich — er war es! Ich konnte mich endlich bedanken. Das war ein Besuch, der viele langweilige wieder wettmachte. Und die Mädchen erwiesen sich als nett und hilfsbereit. Zwei von ihnen waren in Japan aufgewachsen und konnten viel Interessantes über dieses Land berichten. Außerdem hatten sie immer neue Ideen. Einmal mußte ich kurz in die Stadt, da holten sie mich am Bahnhof mit dem Ponywagen ab, sechs Mann hoch, dabei ist er doch nur ein Viersitzer. Daß ich als siebte Person da auch noch hineinpassen mußte, hatten sie nicht bedacht, aber es war doch lieb gemeint. Ich hatte sie in dieser Zeit so liebgewonnen, daß mir beim Abschied beinahe die Tränen kamen. Inzwischen sind sie erwachsen und verheiratet, aber zwei von ihnen besuchten uns neulich. Das war eine Freude! Auch wenn er uns manchmal ärgert, es lebe der viele Besuch auf dem Ponyhof!

      Hochzeit auf dem Ponyhof

      Hochzeit auf dem Ponyhof, das ist ein herrliches Fest, das wieder einmal alle Kinder vereint! Seit die Taufen und Konfirmationen vorbei sind, sind es die Hochzeiten, die das bewirken. Hochzeitmachen, das ist wunderschön.

      Eine Zeitlang hatten wir alle halbe Jahr eine Hochzeit. Dann war es plötzlich wie abgerissen, so daß ich verdutzt fragte, ob die anderen Töchter etwa ein diesbezügliches Gelübde abgelegt hätten.

      Keineswegs. Jetzt geht es auch schon wieder los. Und die diesmalige Braut ist gewitzt genug, es so darzustellen, als heiratete sie nur, um mir wieder Gelegenheit zu geben, meine gastgeberischen Talente zu entfalten. Es würde diesmal eine große und vornehme Hochzeit, verkündet sie. Vornehm, auf dem Ponyhof!

      Früher dachte ich immer, der schönste Tag einer Mutter sei der, an dem sich eine ihrer jungen Töchter verlobe. Das ist aber ein rosenroter Kitschtraum, und den habe ich seit Jahren ausgeträumt!

      Freilich ist es eine unleugbare Erleichterung, wenn es soweit ist, denn vorher leidet die ganze Umgebung. Verliebte Töchter sind der Ruin der Nerven, entweder sie trällern oder sie seufzen, oder sie telefonieren. Das auf jeden Fall, täglich und stundenlang. Die auswärts studierenden Söhne, die einmal zu Hause anrufen wollen, kommen nicht durch. Höhnisch tönt das kurze „Tutt tutt tutt“ im Hörer, und sie legen resigniert auf. Dabei hätten sie nun wirklich wichtige Dinge mitzuteilen: Daß sie ein Teilexamen bestanden und kein Semestergeld mehr hätten, unbegreiflicherweise, daß schnellstens die und die Papiere dasein müßten, daß sie einer Band beigetreten seien und auf die Wäsche warteten. Die Töchter telefonieren.

      Besonders störend ist die Tatsache, daß der Apparat im Zimmer der Mutter steht, zwischen Schreibtisch und Schlafcouch. Tagsüber verlasse ich die Schreibmaschine und verziehe mich taktvoll, wenn Fräulein Katrin, Fräulein Edith oder Fräulein Steffi verlangt werden. Meist reißt mir dann der rote Faden, und ich muß ihn nachher mühevoll und zeitraubend wieder knüpfen. Nachts ist es noch schlimmer. Manchmal stehe ich auf und warte bibbernd im Flur, bis aufgelegt ist. Mitunter bin ich aber auch zu müde und ziehe nur das Deckbett über den Kopf, um zu dokumentieren, daß ich nicht mithöre. Das lieben die Töchter gar nicht. Manchmal aber vergessen sie mich auch im Eifer des Gefechts und setzen sich auf mein verhülltes Haupt.

      Wenn austelefoniert und verlobt ist — heute verlobt man sich wieder, man kriegt dann so schön viel geschenkt —, beginnt der Kampf um die Hochzeit zu toben. Alle Geschwister müssen natürlich kommen. Von der anderen Familie aber auch? Da gibt es schon die ersten langen Gesichter. Und so viele Schwestern hat der Bräutigam? Und die wollen alle einen Tischherrn? Und die Tante kommt auch? Und zwei Großmütter? Wir haben nur eine ...

      Statt uns aufzuregen, sollten wir lieber den Balken im Auge sehen! Bisher haben wir nämlich den Rekord mit den meisten Geschwistern immer gehalten. Und jedesmal war logischerweise einer mehr dabei, mindestens ein Schwiegerkind, meist auch schon „neue“ Blumenstreu-Kinder, neue Familienfreunde, und, und, und ...

      Früher träumte man davon, wie schön die Zeit sein würde, wenn die junge Braut eifrig an ihrer Ausstattung sticheln würde. Heute ist sie berufstätig und entsprechend abgehetzt.

      Aussteuer, soweit sie überhaupt in Frage kommt, bestellt man nun bei Versandhäusern. Einiges hofft man als Geschenk von den Gästen zu bekommen.

      Eine Hochzeit mitmachen, daß heißt auch Eingehen auf ein ungeschriebenes Gesetz, das eisern eingehalten wird: Wie du mir, so ich dir! Schenkst du mir scheußlich bunte Bowlengläser, die ich nie auf den Tisch stellen werde, das vergesse ich dir bis zu deiner Hochzeit nicht! Bekomme ich aber von dir den ach so ersehnten Holzteller für Brot samt Sägemesser, das wirklich schneidet, dann sei getrost, ich weiß schon etwas sehr Hübsches und Praktisches für dich.

      Am besten gibt man eine Liste herum. Als einigermaßen vernünftige Mutter gelingt es einem vielleicht doch, dort einige nützliche Dinge einzuschmuggeln, so daß die Gäste nicht nur zwischen exotischen Ohrringen, Tischfeuerzeugen und schrägen Jazzplatten auszusuchen haben, sondern auch Töpfe oder Kaffeemaschinen drin vorkommen. Freilich besinne ich mich noch sehr gut, daß ich mir zu meiner eigenen Hochzeit ein Zelt wünschte (natürlich nicht bekam), ein Paar Reitstiefel und ein dickes Buch mit leeren Seiten, als Kindertagebuch. Denn Kinder wünschte ich mir am meisten, einen ganzen Stall voll, die aber konnte ich ja nicht auf die Liste setzen.

      Als Mutter zahlreicher Kinder besitzt man auf der Bank einen Katastrophenfonds. Und auf den griff ich jetzt zurück. Schon Wilhelm Busch sagt: „Ohne die gehör’gen Mittel soll man keinen Krieg beginnen.“ Ich machte mich also auf dem Weg zum Friseur, um für erbitternd viel Geld „schön“ zu werden. Das Ergebnis riß meine ahnungslos heimkehrenden Söhne zu der verächtlichen Frage hin: „Seit wann läufst du denn herum wie Eulalia die Toupierte?“ Empört und verletzt wende ich mich daraufhin an die Tochter, die das Ganze veranlaßt hat, und die ja jetzt einschreiten müßte, wenigstens ein paar zurechtweisende oder erklärende Worte könnte sie von sich geben. Zum Beispiel, daß die andere Mutter immer so schick und gepflegt aussähe, und mit mir könnte man sich ja nicht sehen lassen ... Nichts von alledem.

      „Laß mich in Frieden, Mutter, ach, ich bin ja so nervös —“ und sie bricht in Tränen aus. Überhaupt wird viel geweint, und dabei soll es doch ein Freudenfest werden und keine Beerdigung.

      „Wenn du so eklig zu mir bist, fällt mir nichts für das Tafellied ein“, gifte ich. Das klingt nach Erpressung, ist aber leider Tatsache. Zum sogenannten Dichten verläßt sich die ganze Familie auf mich. Dazu brauche ich aber nun mal Frieden und Ruhe um mich.

      „Das ist dein Handwerk! Los, Mutter!“

      Kein Frieden, keine Ruhe. Dazwischen wird geschneidert, gebacken und geputzt.

      „Du tust es ja nicht!“ raunzen die Töchter, als ich grade die erste Strophe der Hymne aus der grauen Gehirnrinde herausgekratzt hatte. „Steh mal auf, wir müssen mit dem Staubsauger ran, dein Zimmer ist immer das schlimmste.“

      „So, und was entsteht bitte sehr hier?“ frage ich. „Nicht nur das Tafellied, nicht nur die Aufführungen für die andern Geschwister, zum Kuckuck, hier wird auch das Geld verdient, von dem wir ...“

      „Ja ja“, heißt es ungeduldig, „deshalb müssen wir doch den Staub der Jahrhunderte beseitigen!“

      Sie drängeln mich raus. Ich nehme mir rachsüchtig vor, mir von nun an nie, nie wieder etwas einfallen zu lassen, für diese dumme Hochzeit nun schon gar nicht, und überhaupt ...

      Was sagt jeder, der je mit Schauspielern zu tun gehabt hat? Der Krach bei der Hauptprobe garantiert den Erfolg der Aufführung.

      Der große Tag ist da, und die Tochter sieht bezaubernd aus. Das hast du in die Welt gesetzt? fragt man sich kopfschüttelnd. Die Kirche ist herrlich geschmückt, und so viele schöne junge Paare hinter den Brautleuten! Hat man je so einen Hochzeitszug gesehen? Und jetzt setzt die Orgel ein: „So nimm denn meine Hände ...“

      Rings um mich schnieft es schon, und da laufen auch mir die Tränen vor lauter Glück und Ergriffenheit, und ich denke an damals, als er und ich so standen, und daß das der Anfang von dem allen hier war, nur daß die Tochter selbstverständlich viel hübscher ist, und prächtig sind sie doch alle, die hier stehen und singen — und alle drei Söhne werden eine Rede halten, hab’ ich läuten hören ...

      Hochzeitmachen,


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