Bleibt uns die Hoffnung. Marie Louise Fischer

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Bleibt uns die Hoffnung - Marie Louise Fischer


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      »Für sie sind alle Flittchen. Jedenfalls die, die uns besuchen.«

      »Mich wundert, daß sie das überhaupt erlaubt.« Ilona sah sich in dem hellen großen Zimmer um, das modern und sachlich möbliert war und keinerlei Erinnerungsstücke der Eigentümerin aufwies; die Dekoration – zwei überkreuzte Hockeyschläger, eine Buschtrommel und phantasievolle Aquarelle – stammten zweifellos von ihren Brüdern.

      »Ach, die Unterhuberin ist noch von der guten alten Art«, erklärte Knut, »sie ist überzeugt, daß Männer so was brauchen, aber sie verachtet die Mädchen, die sich dazu hergeben.«

      »Und das gefällt dir?« Ilona streifte sich die Handschuhe ab.

      »Wenn du wissen willst, ob ich diese Ansicht teile… nein!« Nach kurzem Überlegen fügte er hinzu: »Oder jedenfalls nur bedingt.« Er zog sich einen Stuhl zwischen die Beine und legte die Arme auf die Lehne. »Aber, bitte, setz dich doch!«

      Sabine nahm in einem der beiden leichten, mit dunkelgrünem Kordsamt bezogenen Sessel Platz; es fiel ihr schwer, mit ihrem Anliegen herauszurücken.

      »Ich nehme aber nicht an, daß du gekommen bist, um Recherchen über das Liebesieben zweier Junggesellen zu betreiben«, versuchte Knut ihr zu helfen.

      »Mein Chef hat mir Konzertkarten geschenkt…«

      »Er sollte dir lieber deine Überstunden bezahlen!«

      »Das steht hier doch gar nicht zur Debatte! Als Angestellte im gehobenen Dienst habe ich gar keinen Anspruch auf so etwas!« Sie ärgerte sich, weil es Knut schon gelungen war, ihr die Freude an der netten Geste Direktor Schnellers zu verderben.

      Knut grinste. »Es steht dir, wenn du dich aufregst.«

      »Knut«, sagte sie, »würdest du mich bitte zu diesem Konzert begleiten? Es findet am Donnerstag statt. Rudolf Kempe dirigiert die…«

      Er fiel ihr ins Wort. »Nicht zu fassen! Meine schöne Schwester ist zur Zeit ohne Verehrer?!«

      »Darum geht’s doch gar nicht. Ich brauche keinen Verehrer, sondern einfach einen netten Menschen, der mit mir ins Konzert geht.«

      »Tut mir leid, Ilo, aber da bist du bei mir an die falsche Adresse geraten. Ich habe so viel zu tun, daß ich nur mit Mühe und Not hin und wieder ein bißchen Freizeit herausschinde. Und die will ich nicht mit Pflichtübungen verplempern.«

      »Ein Konzertbesuch ist also für dich eine… Pflichtübung?«

      »Mit dir zusammen schon. Entschuldige, daß ich so offen bin. Aber was kann man mit einer Schwester schon anfangen? Du bist ein schönes Mädchen, zugegeben. Aber was habe ich davon? Zum Glück sehe ich persönlich keinen Anlaß, mein Image durch Vorspiegelung falscher Tatsachen aufpolieren zu müssen.«

      Tränen der Enttäuschung waren ihr in die Augen gestiegen, und sie wandte rasch den Kopf zur Seite, um sie vor ihm zu verbergen. »Du bist gemein.«

      »Nur ehrlich, Ilo. Sei mir dankbar dafür. Du hast es doch genausowenig nötig wie ich, mit jemandem aus der Verwandtschaft auszugehen.«

      »Anscheinend doch«, sagte sie mit erstickter Stimme.

      »Quatsch. Wenn du schon niemanden hast, der dich begleitet, dann geh doch einfach allein.«

      Es war ihr gelungen, die aufsteigenden Tränen zu bekämpfen. »Du weißt nicht, wie man sich vorkommt, wenn man in der Pause so dumm herumstehen muß. Man hat das Gefühl, daß alle Leuten einen anstarren. Alle halten einen für ein Mauerblümchen.«

      »Dann geh eine halbe Stunde vorher hin. Versuch, die eine Karte an einen netten Menschen zu verkaufen, mit dem du dann in der Pause reden kannst. Und wenn du dir das nicht zutraust: verscherbele einfach alle beide.«

      »Und wenn mein Chef mich fragt, wie’s mir gefallen hat?«

      »Dann sag ihm, daß du die Karten verkloppt hast, weil dir Bargeld lieber gewesen wäre.«

      »Knut, du bist unmöglich!« Sie stand auf.

      »Hallo, wo willst du denn hin?« rief er. »Wieso hast du’s so eilig?«

      »Ich will dir nicht deine kostbare Freizeit durch die Pflichtübung einer Unterhaltung mit deiner Schwester verkürzen!«

      Er lachte. »Ganz schön giftig! Komm, setz dich wieder. Warte doch auf Torsten. Der ist schließlich der große Menschenfreund in der Familie.«

      Ilona zögerte. Sie hätte wirklich gerne noch mit Torsten gesprochen. Deshalb ließ sie sich wieder in den Sessel sinken. »Du solltest nicht spotten, Knut! Das ist sehr unrecht von dir. Torsten hat sich doch wirklich ganz fabelhaft benommen. Sei ehrlich! Keiner von uns hätte ihm das zugetraut.«

      »Na, was hat er denn schon getan? Sein süßes Nichtstun aufgegeben. Ich wette, er hatte das ohnehin längst über und war heilfroh, daß er einen Anlaß hatte, sich mit gutem Wind ins bürgerliche Leben hinüberzuretten.«

      Sie sah ihn aus großen Augen an. »Wie zynisch du bist, Knut!«

      Er lächelte schief. »Bloß realistisch.«

      »Quatsch!« rief sie. »Selbst wenn wir mal unterstellen wollen, daß ein Körnchen Wahrheit in dem ist, was du sagst, das wäre doch keine Erklärung dafür, daß er mindestens die Hälfte seines Gehalts nach Riesberg schickt.«

      »Ich tät’s auch, wenn ich schon was verdiente!« behauptete Knut, machte dann aber überraschend einen Rückzieher: »Entschuldige, Ilo, du hast natürlich recht. Torsten hat uns alle geschlagen. Ich komme mir ziemlich mies im Vergleich zu ihm vor, wahrscheinlich ist das der Grund, warum ich versuche, ihn madig zu machen, vor allem vor mir selbst.«

      »Kränk dich nicht, Knut«, sagte sie sogleich versöhnlich. »Da wir schon mal bei den Geständnissen sind: Ich finde mein Verhalten auch zum Kotzen. Natürlich blieb mir nichts anderes übrig, als Katja bei Biene zu lassen. Wo hätt’ ich sie denn sonst unterbringen sollen? Aber es steckt doch ein verdammter Egoismus dahinter. Daß Onkel Egon ihr die Zwillinge angedreht hat, ist auch keine Entschuldigung für mich. Wir nutzen Mutters Gutmütigkeit aus.«

      »Aber sie läßt sich doch so gerne ausnutzen … wie Torsten auch!«

      »Ja, damit reden wir uns heraus«, sagte Ilona, »oder wir versuchen es wenigstens.«

      »Immerhin ist es für mich auch ein Opfer, daß ich Torsten hier aufgenommen habe!« verteidigte Knut sich. »Hätte ich’s nicht getan, könnte er Biene nicht unterstützen, jedenfalls nicht in dem Maße.«

      Ilona schlug die langen, schlanken Beine übereinander. »Na, wie ich Torsten kenne, hat er dich nicht erst lange gefragt, sondern dich vor vollendete Tatsachen gestellt. Es wundert mich nur, wie er euren Drachen herumgekriegt hat.«

      »Mit der Unterhuber hat er’s von Anfang an prächtig gekonnt.«

      »Ich würde lebensmüde werden, wenn ich der ständig begegnen müßte.« Ilona sah sich um. »Aber euer Zimmer ist wirklich fabelhaft. Nicht zu vergleichen mit meiner Mottenkiste.«

      Es entstand eine Pause.

      Sie wußten sich nichts mehr zu sagen.

      Ilona spürte es und erhob sich. »Du mußt lernen, Knut, ich will dich nicht länger aufhalten.«

      Er wandte ihr den Kopf zu, ohne seine Stellung zum Schreibtisch hin zu ändern. »Aber deshalb brauchst du doch nicht zu gehen. Nimm dir ein Buch«, er wies mit den Augen auf ein niedriges Regal, »und mach’s dir gemütlich. Du kannst bleiben, so lange du willst, du störst mich wirklich nicht.«

      Ilona kämpfte mit sich. Sie war gekränkt, hatte aber das Gefühl, daß diese Regung kindisch war. Warum sollte Knut mit ihr Konversation betreiben, wenn er zu arbeiten hatte? Sie hatte Gelegenheit genug gehabt zu lernen, daß sie von ihren Brüdern keine gesellschaftliche Höflichkeit erwarten durfte. Wenn sie sich jetzt beleidigt zeigte und ging, schadete sie nur sich selber, denn sie nahm sich damit die Gelegenheit, mit Torsten zu sprechen.

      »Na


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