Bleibt uns die Hoffnung. Marie Louise Fischer

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Bleibt uns die Hoffnung - Marie Louise Fischer


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Kleemann sprechen.«

      »Das wäre sehr gut. Mir gegenüber tut er so, als wenn er von nichts wüßte.«

      Knut setzte sich und schlug die Beine übereinander. »Das wäre schon möglich, weißt du. Du bist ja hier vorerst nur auf der Wachstation. Die passen auf dich auf, bis du aus der akuten Gefahr bist. Eine eigentliche Untersuchung hat sicher noch gar nicht stattgefunden. Oder doch?«

      »Sie haben ein Elektrodingsda gemacht …«

      »Und?«

      »Es soll sich herausgestellt haben, daß es kein Infarkt gewesen ist.«

      »Das ist doch schon etwas.«

      Ein Schweigen trat ein; plötzlich wußte keiner der beiden jungen Männer mehr etwas zu sagen.

      »Jedenfalls ist es nett, daß du gekommen bist«, äußerte Torsten endlich.

      »Ich war jeden Tag hier. Die haben mich bloß heute erst zu dir reingelassen.«

      »Noch netter.«

      »Kann ich irgendwas für dich tun? Brauchst du dein Radio?«

      »Nein, danke.« Torsten zog einen Kopfhörer unter seinem Kissen hervor. »Ich habe das hier.«

      Schwester Gerda trat ein. »Sie haben Besuch? Entschuldigen Sie, bitte, Herr Miller, ich war …«

      »Wo auch immer Sie waren«, erklärte Knut, »Sie sollten meinen Bruder keinesfalls allein lassen, ohne für eine Vertretung zu sorgen, auch wenn es nur für fünf Minuten ist.«

      »Aber Knut, nun übertreibe mal nicht! Mir geht es doch wieder sehr gut.«

      »Nicht genug, um allein zu bleiben. Ich nehme an, daß Sie das wissen, Schwester?«

      »Ich war wirklich nur für ein paar Minuten …«

      »Das soll trotzdem nicht wieder vorkommen«, verlangte Knut energisch. »Jetzt können Sie für eine Weile gehen, ich werde nach Ihnen klingeln, wenn ich fortgehe.«

      Schwester Gerda zog sich mit rotem Kopf zurück.

      »Du solltest nicht so grob zu ihr sein, Knut«, meinte Torsten, »sie ist sehr nett.«

      »Was heißt hier nett? Ihre Pflicht soll sie tun. Für ihre Nettigkeit kannst du dir nichts kaufen!«

      »Steht es denn wirklich so schlecht um mich?« fragte Torsten beunruhigt.

      »Jedenfalls hast du uns neulich einen ganz schönen Schreck eingejagt. Aber nicht deshalb habe ich die Schwester zurechtgewiesen. Sondern aus erzieherischen Gründen. Sie sollte doch gelernt haben, daß man ärztliche Anordnungen aufs Wort befolgt. Und ich wette, daß Doktor Kleemann ihr befohlen hat, ständig bei dir zu sein.«

      Eine andere Schwester kam herein. Sie war sehr jung und hatte das gestärkte Häubchen so kokett auf dem Hinterkopf festgesteckt, daß es seinen Zweck, die Haare zusammenzuhalten, völlig verfehlte. Eine blonde Locke fiel ihr in die Stirn. »Ich bringe eine kleine Stärkung«, verkündete sie lächelnd.

      »Oha!« Knut schnupperte. »Ich hoffe, Sie haben auch ein Stück Kuchen für einen armen Verwandten übrig, Schwester?«

      »Ich werde sehn, Herr Doktor …«

      »Du kannst meinen haben«, sagte Torsten rasch, »ich esse ihn sowieso nicht.«

      »Er ist aber sehr gut!« behauptete die Schwester.

      »Das glaube ich Ihnen gerne. Aber ich bin es nicht gewohnt, zwei Stunden nach dem Mittag schon wieder was zu essen, und ich will mich hier auch nicht mästen lassen.«

      Die Schwester stellte das Tablett aus der Hand, drehte den Betttisch vor Torsten hin und schob das Tablett darauf. »Ich kann gerne versuchen, Herr Doktor …«, erbot sie sich.

      Knut protestierte nicht gegen den Titel, der ihm in Wahrheit noch längst nicht zustand; er fügte sich der alten Münchner Sitte, Studenten im vorhinein mit dem angestrebten akademischen Prädikat zu bedenken. »Sehr lieb von Ihnen, Schwesterchen!« Er nahm das dicke Stück Marmorkuchen hoch. »Aber dies hier genügt mir voll und ganz.« Er biß hinein.

      »Woher weiß die, daß du Student bist?« fragte Torsten, als die Schwester gegangen war.

      »Ich habe mich jeden Tag nach dir erkundigt, wie ich schon sagte!« Knut sprach mit vollem Mund. »Und bei der Gelegenheit jeden wissen lassen, daß ich selber Mediziner bin, in deinem Interesse, Brüderchen! Nicht, daß ich meine Standesgenossen schlechtmachen möchte, aber es ist doch immer ganz nützlich, wenn jemand in der Familie was von der Sache versteht. Und du wirst doch sicher auch genau wissen wollen, was mit dir los ist. Dafür werd’ ich sorgen, wenn du den Ärzten erlaubst, ihr Amtsgeheimnis mir gegenüber zu lüften.«

      »Das werde ich selbstverständlich tun.« Torsten hatte sich Pfefferminztee eingeschenkt und drei Stück Zucker dazu getan; jetzt führte er die Tasse an die Lippen und stellte fest, daß das ohnehin fade Getränk durch den dicken Tassenrand noch an Aroma verlor. Unwillkürlich verzog er das Gesicht.

      »Schmeckt nicht?« fragte Knut.

      »Nach Jugendherberge.«

      Knut lachte. »Ich könnte mir Schlimmeres denken.«

      Torsten rührte, um den Zucker aufzulösen. »Wissen es die Eltern?«

      »Nein. Ich wollte mich erst mit ihnen in Verbindung setzen, wenn die Diagnose feststeht. Oder bist du da anderer Meinung?«

      »Nein, nein. Das ist sehr gut so. Wozu sie beunruhigen.«

      »Du darfst ihnen natürlich jetzt kein Geld mehr schicken.«

      »Und warum nicht?«

      »Weil du deine Penunzen möglicherweise selber brauchen wirst: Natürlich zahlt die Krankenkasse … du kannst übrigens von Glück sagen, daß das erst jetzt gekommen ist, wo du angemeldet bist, und nicht …«

      Torsten fiel ihm ins Wort. »Ich finde nicht, daß das Glück ist. Hätte ich mein altes Leben nicht aufgegeben, wäre es sicher nie passiert. Aber der dauernde Streß, die ständig verqualmten Räume in der Advertising!«

      Knut steckte sich den Rest des Kuchenstücks in den Mund und wischte sich die Finger mit Torstens Serviette ab. »Du erlaubst doch?« fragte er, während er sie schon benutzte. »Was dir von jeher gefehlt hat, ist die Fähigkeit, wissenschaftlich zu denken … also, bitte, ich will dich nicht beleidigen, du hast das ja auch gar nicht nötig, du bist Künstler! Aber wenn du nur mal einen Augenblick versuchen würdest, ernsthaft nachzudenken, würdest du drauf kommen, daß es unmöglich ist, die Ursachen einer Krankheit festzustellen, noch bevor man sie überhaupt kennt.«

      »Du wirst schon sehn, Knut …«

      Der Bruder ließ Torsten nicht aussprechen. »Bleiben wir doch mal bei der Sache, ja? Die Krankenkasse wird zahlen, aber das schließt doch nicht aus, daß du Extraausgaben haben wirst, und es ist auch vorläufig ja nicht abzusehen, wann du wieder wirst arbeiten, sprich verdienen können. Deshalb kann ich dir nur dringend raten, dein Geld von nun an zusammenzuhalten.«

      »Ich werd’s mir überlegen«, versprach Torsten und begann den Tee in kleinen Schlucken zu trinken.

      Knut stand auf und schob seinen Stuhl zurück. »Na schön. Das wär’s also. Spätestens übermorgen schau ich wieder bei dir rein. Eine genaue Zeit kann ich dir nicht sagen, ich muß das irgendwie mit meinen Vorlesungen ausbalancieren. Kann ich sonst noch was für dich tun?«

      »Wenn du mir was zu lesen mitbringen würdest.«

      »Hier im Haus gibt es einen Stand mit Zeitungen und Taschenbüchern. Ich schicke dir gleich was rauf. Das ist übrigens auch so was, was Geld kostet, jeweils nur ein paar Mark, aber summieren sich.« Er nickte dem Bruder lächelnd zu. »Also, mach’s gut, alter Junge!«

      Er war schon bei der Tür, als Torsten ihn zurückrief. »Knut!«

      »Ja?«

      Torsten


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