Covent Garden Ladies: Ein Almanach für den Herrn von Welt. Хэлли Рубенхолд
Читать онлайн книгу.dass ich sie mit all den Notwendigkeiten eines feinen Auftretens ausstatte. Andere Leute in der Stadt verfahren genauso, die nennt man Abzahlungshändler, doch hat keiner von diesen so wohlgefüllte Kleiderschränke wie ich.« Die unglücklichen Mädchen, die der Verlockung nicht widerstehen konnten, teure Kleidung anlegen zu dürfen, musste diese Taxe wohl am härtesten treffen. Das Abkassieren der Putzgebühr war neben der an Kuppler oder Kupplerin abzuführenden Provision die älteste Methode, Geld von Prostituierten einzutreiben. Da wohl jede Novizin im Gewerbe erst nach Zeiten der Not und Entbehrung zur Aufnahme dieser Beschäftigung bereit gewesen sein dürfte, war es eher unwahrscheinlich, dass sie schon eine fürs Männerbetören zweckdienliche Garderobe mitbrachte. Und nun gab man ihr schöne Kleider, Spitzenmanschetten, elegante Hüte mit Schleifen und Schuhe mit glitzernden Schnallen und schob sie vor die Tür, um anschaffen zu gehen. Des schönen »Geschenks« wurde mit keinem Wort mehr Erwähnung getan, bis ihre Hurenmutter oder ihr Louis die wöchentliche Provision von ihr einforderte und die junge Dame feststellen musste, dass man ihr eine Gebühr für das Mieten ihrer Kleidung berechnete. Häufig hatte eine junge Frau somit für all ihre unangenehme Arbeit letztlich praktisch nichts vorzuweisen, was auch Fanny Murray feststellen musste: »Am Ende der Woche hatte sie fünf Pfund, zehn Shilling und sechs Pence eingenommen«, doch nachdem all ihre Abgaben beglichen waren, »hatte sie nur noch den Sixpence in der Tasche«.
Mit der Putzgebühr war indes Harris’ fein ausgeklügeltes Schröpfprogramm noch keineswegs zu Ende: Er war so dreist, seinen unglücklichen Söldnerinnen darüber hinaus auch noch eine letzte Abgabe abzupressen. Nachdem sie ihm am Sonntagabend seine Forderungen ausgezahlt hatten, blieben viele seiner Damen noch zu einem feuchtfröhlichen Gelage beisammen. Hierzu hatten sie sich, in Nachahmung der vielen Männerclubs, die sich häufig in den Kaffeehäusern und Schenken rund um Covent Garden zum Essen oder zum Zechen trafen, den offiziellen Namen »The Whore’s Club« gegeben. Wie in jedem Verein waren auch die Mitglieder dieses »Hurenclubs« verpflichtet, Beiträge zu zahlen: Die Damen waren gehalten, eine halbe Krone (zwei Shilling und Sixpence) lockerzumachen. Während ein Shilling aus dieser Summe aufgewendet wurde, um »solchen Mitschwestern zum Beistand zu dienen, die sich in medizinischer Behandlung befinden und daher ihrem Geschäfte nicht nachzugehen vermögen, insgleichen aber auch nicht im Stande sind, sich ins Lock-Hospital zu begeben«, gingen die sechs Pence »an unseren Mittelsmann: für seine in der schicklichen Führung dieser würdigen Gesellschaft bewiesene große Fürsorge und Fleißigkeit«. Der nun noch verbliebene Shilling sollte, nicht unverdient, »dem Erwerb starker Getränke« zufließen.
Auch wenn es scheinen mag, als habe die Hure Harris’ Raffgier am stärksten zu spüren bekommen, sollten wir doch auch einen kurzen Moment ihres Freiers gedenken, der ebenfalls bis zum letzten Blutstropfen geschröpft wurde. Ein wehrlos seiner Erektion ausgelieferter Betrunkener war der Traum eines jeden Zuhälters. Kuppler und Kupplerinnen ersannen unzählige Tricks und Kniffe, um verzweifelt nach Sex japsenden Männern einen möglichst fetten Batzen Geld abzupressen. Während der Maquereau seiner Dirnen Provision und Putzgebühr abkassierte, mussten deren Kunden »Tragsessel-« oder »Sänftengeld« (chair-money) zahlen.
Sänftengeld fordere ich ein, wenn ich eine Portechaise für ein Mädchen in Rechnung stelle, die aber, als man nach ihr verlangte, im Haus [dem Wirtshaus] war; oder die, in der Nähe wohnhaft, zu Fuße herbeikam; oder wenn aber wegen schlechten Wetters wirkliche Notwendigkeit bestand, in einer Portechaise zu kommen, dann forderte ich das doppelte Fuhrgeld, und sagte, dass die Dame, eine unterhaltene Mätresse, sehr weit weg, am Berkeley Square, wohne.
In diesem Fall handelte es sich um eine Zusatzgebühr, die bei einer ganz alltäglichen Anfrage nach einer Dame, deren Name auf der Liste stand, auf den Preis geschlagen werden konnte. Wollte jemand aber die Dienste einer exklusiveren Buhlschwester in Anspruch nehmen, konnte es ihm leicht passieren, dass er unwissentlich größere Summen in Jack Harris’ »Schwindeltopf« (humming fund) spendete.
Vom Schwindeltopf spreche ich, wenn wir einem reichen Pinsel vorgaukeln, es sei überaus schwer, ihm die Gewünschte zu verschaffen, die nämlich eine ausgehaltene Mätresse sei oder eine Frau, die ihre Gunst nur demjenigen gewähre, der ihr Wohlgefallen finde – wir schröpfen ihm von Zeit zu Zeit ein paar Guineen ab, ihm einmal Hoffnung machend, dann wieder an unserem Erfolge zweifelnd. Wir halten ihn auf dutzenderlei Weisen zum Besten und verhandeln zuletzt im Namen der Dame um eine gute runde Summe, die vor ihrer Einwilligung an sie zu zahlen sei ...
Zuhälter und Hure schmiedeten dann häufig ein Komplott, um, wenn möglich, sogar noch mehr Geld aus dem Interessenten herauszuschinden. Begann ein Klient ein ausgeprägtes Faible für eine Dame an den Tag zu legen, konnte dabei wie folgt vorgegangen werden:
Nach einer oder zwei Nächten des Beilagers geht sie davon, irgendeinen Verdruss vorschützend, und ist verschwunden; keine Menschenseele weiß, wohin. Dann werden wir damit betraut, sie ausfindig zu machen. – Allein ... wir raten ihm zu, nicht mehr an sie zu denken – ein Rat, der sein Verlangen nur noch stärker entbrennen lässt, bis er sich entschließt, sie um jeden Preis haben zu wollen, mag es kosten, was es wolle.
Nachdem der gefoppte Kunde Harris also direkt in die Hände gearbeitet hat, holt dieser zum letzen Stoß aus: Er teilt seinem Klienten mit, dass er seine Herzensdame aufgespürt habe; sie zu ihm zurückzubringen, würde ihn allerdings nicht nur ein Entgelt von »um die dreißig Pfund« kosten, sondern sie würde auch lediglich unter der Bedingung in die Versöhnung einwilligen, dass er »ihr allerlei Tändeleien etc. zum Geschenke mache«. Selbstredend könne er, der Kuppler, seinem Kunden die Unannehmlichkeit solcher Einkäufe gerne abnehmen, er möge einfach so gütig sein, ihm die entsprechende Summe auszuhändigen.
Die Vielfalt der Tricks, um Freiern das Geld aus der Tasche zu ziehen, variierte von Kuppler zu Kuppler und von Schenke zu Schenke. Giacomo Casanova, der sich 1764 einen Einblick ins Londoner Nachtleben verschaffte, klagte bitterlich über die schlechte Behandlung, die er von einem Kellner der Star Tavern in der Strand-Straße erfahren hatte. Diesen hatte der große Liebhaber gebeten, ihm eine Dame zu bringen, woraufhin er zu seinem nicht geringen Verdruss zu hören bekam, dass er für jede, die er begutachtete, einen Shilling zahlen müsse, ob er sie nun zu seiner Bettgenossin erkor oder nicht. Der Kuppler ließ eine Reihe von weniger ansehnlichen Huren an ihm vorbeiparadieren und hob sich die attraktivste für den Schluss auf. Zwanzig Shilling später und immer noch ohne eine lohnende Frau zu Gesicht bekommen zu haben, trollte sich Casanova beleidigt davon. Wäre er einer von Harris’ Kunden gewesen, so wäre, selbst wenn er eine Wahl getroffen hätte und mit der Dame nach oben gegangen wäre, noch lange nicht garantiert gewesen, dass sie ihm ihre Dienste auch wirklich ungestört gewährte. Um aus der geleisteten Gesellschaft einer Lohnhure den maximalen Profit zu pressen, vermittelte Harris seinen Damen oft zwei Termine zugleich. Er nannte das »einen fliegenden Wechsel einrichten« (a Flier). Nur sehr ungern beschied er eine Anfrage nach einer seiner Ladys abschlägig, besonders, wenn der Kunde eine bestimmte Dame namentlich verlangte. Obgleich sie bereits mit einem anderen Mann zugange ist, wird das Paar dann dezent unterbrochen und »ich sage ihr, dass eine Dame sie nebenan zu sprechen wünsche. Die in den Bübereien der Großstadt Unbewanderten lassen sie gehen.« Die Hure streicht ihre Röcke glatt, richtet ihr Haar und verschwindet im Nachbarzimmer, wo ungeduldig schon ihr nächster Courmacher wartet. Es folgt ein rasches geschlechtliches Intermezzo, und schon »kehrt sie wieder zu ihrem Gesellschafter zurück, so sittsam, als sei nicht das Mindeste geschehn«. Harris gesteht selbst ein, dass es sich hier um ein reichlich gewagtes Manöver handelte, da die junge Frau das Risiko einging, von Liebhaber Nummer zwei die Syphilis einzufangen und sie direkt an Liebhaber Nummer eins weiterzugeben. »Daher kommt es vor«, erklärt er, »dass ein Mädchen, welches ihren Liebeshandel noch ohne Makel begonnen, sich durch solcherlei kurze Ablenkungen ansteckt.«
Strenge Ordnung, klare Verfahrensweisen und ständige Kontrolle bestimmten das System, nach dem Jack Harris’ kontinuierlich expandierendes Imperium funktionierte. Wie ein echter Imperator sorgte auch er dafür, dass seine Untergebenen nach einem festen Regelwerk lebten. Er hatte gelernt, dass ein laxer Führungsstil unweigerlich Unannehmlichkeiten heraufbeschwören musste. Da durfte es keine Nachsicht mit den persönlichen Problemen seiner Listendamen geben; keine Verfehlungen konnten geduldet werden. Harris (oder seine literarische Stimme) erwähnt zwar an keiner Stelle, zur Durchsetzung seiner Autorität Zuflucht zu Gewalt genommen