Herzblut. Rudolf Stratz

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Herzblut - Rudolf Stratz


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unschlüssig die Hände im Schoss und sah Jakobe Ansold an, ob sie denn noch bei Trost sei, und die sass ganz still da und schwieg. Und als die andere endlich fassungslos wiederholte: „Du willst überhaupt nicht mehr zu deinem Mann zurück?“ — nickte sie nur ein einfaches: „Ja.“

      „Das heisst also — Gott verzeihe mir die Sünde — du willst dich scheiden lassen?“

      „Wenn er einwilligt — ja!“

      „Und wenn er nicht einwilligt ...?“

      „... Dann gehe ich doch nicht zu ihm zurück! Dazu kann mich niemand zwingen!“

      Fräulein von Kritzing holte ihr Tuch heraus und begann bitterlich zu weinen. Die junge Frau schaute kalt zu ihr hinüber. Die rosigen Farben ihres Gesichts waren nicht um ein bisschen blasser geworden. Nur eine stille Härte lag auf ihm.

      „Werde doch ruhiger, Tante!“ sagte sie endlich, da jene immer weiter schluchzte. „Ich bin es ja auch ...“

      Aber die kleine alte Dame war zu erschrocken. Sie sah mit nassen Augen auf und rang nach Luft. „Ja — höre ich denn überhaupt recht! Du willst fort ...? Einfach ... so fort? Warum denn um des lieben Himmels willen ...? Kind ... schweige dich doch nicht so aus ... das gibt einem ja ganz den Rest ... mir dreht sich ja ohnedies schon das Zimmer im Kreis ...“

      Jakobe Ansold schüttelte ihren schönen Kopf.

      „Ich kann dir das jetzt nicht so auf einmal alles sagen ... es ist zu viel und es geht auch zu viel darin gegeneinander ... ich finde auch nicht gleich die rechten Worte, um das anderen klar zu machen ... da muss die Zeit dazu da sein — und die innere Ruhe — und vor allem das Vertrauen ... und darum frage ich dich, Tante: Hast du das Vertrauen, dass ich ganz schuldlos bin — wenn ich es dir versichere?“

      „Ach — liebes Kind ... die Leute haben viel von dir gesagt in diesem Sommer! Bis hierher nach Berlin und zu mir ist es aus eurem Nest in der Mark gedrungen! Ich habe es nie geglaubt, weil ich dich kenne ...“

      „Und hast du auch das Vertrauen, dass ich mich auch in Zukunft ganz schuldlos halten werde ...?“

      „Ja, hältst du es denn nicht für eine Schuld, wenn man seinen Mann verlässt?“

      „Nein. Wie ich es tue, nicht!“

      „Und seinen Sohn?“

      Zum ersten Male verlor Jakobe Ansold etwas die Fassung. Ein Schein von Schmerz, von Hass glomm in dem tiefen, leuchtenden Schwarzblau ihrer Augen auf. Sie sagte: „Verlasse ich ihn denn? Man hat ihn mir ja genommen, schon vor einem Jahr! Ich bin fern von ihm, wo ich auch bin! Hätte ich ihn, glaub mir, dann sässe ich nicht hier ...“

      Das greise Fräulein schüttelte kummervoll den Kopf. Sie war darin keine Richterin. Sie konnte der Frau, der Mutter, da drüben nichts entgegnen. Und diese sagte jetzt, wärmer und herzlicher als bisher: „Wenn du noch ein bisschen Zutrauen zu mir hast, dann, bitte, lass mich bei dir bleiben — nur kurze Zeit — bis ich eine Stellung und Tätigkeit gefunden hab’ ...“

      „Was denn für eine?“

      „Das weiss ich noch nicht! Da musst du mir raten!“

      „Ich weiss es aber selber nicht! ... Geld hast du keines ... Deine Verwandten werden sich von dir zurückziehen ... Etwas Besonderes hast du nicht gelernt ...“

      „... alle anderen Menschen leben doch auch ...“

      „... weil sie einander helfen! Und dir werden bald mehr helfen wollen, Jakobe, als gut ist ...“

      „Niemand soll mir helfen!“

      Die junge Frau sprach das so finster entschlossen, dass die andere verstummte. Das Mädchen hatte die Türe geöffnet, um zu melden, dass angerichtet sei. Ihre Herrin scheuchte sie unwillig mit einer Handbewegung hinaus. Dann sass sie da, immer noch die Hände im Schoss, und überlegte. Und endlich fasste sie einen Entschluss und versetzte: „Sieh mal, Jakobe ... Von selber hätte ich ja nie davon angefangen ... ich hasse Klatschereien — das ist gut für müssige Leute ... ich habe zu viel zu tun ... aber wo du jetzt so weit bist, da kann ich mir nicht helfen, da muss ich dich jetzt aufs Gewissen fragen: Was war das diesen Sommer mit dir und diesem Herrn von Wölsick ...?“

      „Gar nichts, als dass er im Juni und Juli eben da war, wo ich auch war — in unserer Garnison!“

      „Was tat er denn da?“

      „Er machte eine Reserveoffiziersübung bei den Dragonern. Er hat doch das grosse Majorat Sommerwerk in der Nähe unserer Stadt. Eigentlich lebt er in Berlin und ist da auch bei den Gardeulanen Reserveoffizier. Aber er liess sich zu uns in die Provinz kommandieren, um während der Zeit auch nach dem Gut sehen zu können. Auf dem ist er sonst nie. Nur seine Mutter wohnt darauf.“

      „Was ist er denn?“

      „Er ist Dr. jur. und Regierungsassessor a. D.“

      „Und lebt als Privatmann?“

      „Ja. Das heisst — beschäftigt ist er immer!“

      „Als er diesen Sommer kam, kannte er dich da schon?“

      „Nein — wir lernten uns erst zwei Wochen nach seiner Ankunft zufällig bei einem Wohltätigkeitsfest kennen.“

      „Und von da ab habt ihr viel miteinander verkehrt?“

      „Ja.“

      „Ihr seid auch zusammen spazieren gegangen?“

      „Ja. Oft.“

      „Und auch, zusammen mit einem Ehepaar von den Dragonern, in seinem Automobil gefahren?“

      „Ja. Ich war schon unvorsichtig.“

      „Und was sagte denn dein Mann dazu?“

      „Nichts.“

      „Aber Herr von Wölsick war bei euch im Hause?“

      „Gewiss! Er machte Besuch und kam einmal zu Tisch.“

      „Aber bei seiner Mutter, auf Sommerwerk, warst du nicht?“

      „Nein.“

      „Er hat dich auch nie dazu aufgefordert?“

      „Nein.“

      Die Stimme der jungen Frau klang gepresst und Fräulein von Kritzing sagte: „Aber darauf hättest du doch bestehen müssen! Das hätte doch gerade allem Gerede die Spitze abgebrochen!“

      „Ich habe gar nichts bedacht ... in der Zeit ...“

      Einen Augenblick war es still. Dann forschte die Freundin weiter: „Wie nun seine Übung zu Ende war, da ist er wieder fort?“

      „Ja.“

      „Nach Berlin zurück?“

      „Wahrscheinlich.“

      „Wieso sagst du ‚wahrscheinlich‘?“

      „Weil ich seitdem von ihm nichts mehr gesehen und gehört hab’!“

      Und plötzlich stand Jakobe Ansold auf und trat vor die Schulvorsteherin hin und sagte, während ein leidenschaftlicher Schmerz jäh über ihre Züge zuckte: „Und ich werde auch nie wieder etwas von ihm hören. Ich werde nie wieder in einen Verkehr mit ihm treten, weder mündlich, noch brieflich, noch durch Dritte! Da kannst du sicher sein!“

      Das alte Fräulein war sitzen geblieben und schaute verdutzt und ratlos zu ihr auf.

      „Das geht über meine Fassungskraft, Jakobe! Wenn dem so ist, wie du sagst, dann wird dir jeder Mensch antworten: Ja, warum bleibst du dann nicht bei deinem Manne?“

      „Ich sage dir ja, Tante, das ist nicht so, wie ich jetzt noch bei dir da zwischen Tür und Angel stehe, mit ein paar Worten zu erklären! ... Aber ich werde es dir gewiss erklären, so gut ich kann, sobald ich kann — vielleicht heute abend noch, wenn du mich bei dir behältst ...“

      Fräulein von Kritzing stand mitten im


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