Die schwarze Schlange. Rudolf Stratz
Читать онлайн книгу.des Windes:
„Meld’ ich g’horsamst, Herr Leutnant: Darf sich kein Reisender hinter Militäreskorte zaruckbleiben. Is sich weggen die Räuber . . . bitt’ schön . . . halten zu Gnaden!“
„I komm schon!“ antwortete Niki von Schlägl geistesabwesend. Er und seine Frau ritten im Schritt als die letzten. Plötzlich fühlte er von Sattel zu Sattel ihre kleine, warme Hans in seiner Linken. Es war ein banger Druck. Ihre helle Stimme bat besorgt:
„Niki — was is dir denn um Jesu willen angeflogen, dass du so verändert bist? Geh — so red’ doch!“
„Nix is, Schatzerl! Rein gar nix!“ Der Leutnant von Schlägl fuhr aus seinem Brüten auf und schüttelte entschlossen den Kopf und lachte. Das war wieder die alte Stimmung aus der schönen, wilden Leutnantszeit bei dem Niki: Wien und der Kaiser! Die schöne blaue Donau und der Radetzkymarsch! Weiber und Säbel! Er schaute seine kleine Frau recht lieb und leichtsinnig an und die konnte nicht widerstehen und lachte mit. Er wusste die Maruschka zu nehmen — er wusste die Frauen alle zu nehmen, im schönen Wien. Er war immer nachsichtigverliebt mit ihnen umgegangen wie mit Katzerln und hatte sie selber mit Samtpfoten getätschelt und ihnen lächelnd die Zähne gezeigt. Das waren die Liebeleien gewesen. Mit den Matschakerln hatte es jetzt ein Ende. Jetzt war die grosse echte Liebe da. Der Leutnant Niki liebte seine junge Frau wirklich aus voller Seele und ganzem Gemüt und wollte ihr ein stets treuer und guter Ehemann sein bis zum Tod. Nur dass der Tod gleich womöglich schon morgen . . . Herrgott . . . ja . . .
Der Niki schluckte etwas hinunter. Er liess sich nichts mehr merken. Er wies mit dem Zeigefinger über die Pferdeohren hinweg nach vorn.
„Schlaust da das kleine Gebäude aus Feldsteinen mit den Schiessscharten? Das ist ein k. u. k. Gendarmerie-Wachhaus. Karaula nennem sie’s auf Türkisch.“
„Woher weisst denn das?“
„Ich war doch schon vor zwei Jahren mal in Bosnien!“ sprach der Leutnant von Schlägl leichthin. „Auf Urlaub in Serajewo!“
„Ach ja — richtig!“ Die Maruschka nickte. „Guck’ mal: oben neben den Gendarmen hält zu Pferd ein Offizier von Herzegowina-Infanterie und winkt uns schon von weitem!“
„Weisst, wer das ist?“ Der Niki befeuerte erfrent seinen Gaul mit Stiefelabsatzstössen in die Flanken. „Der Kienhofer! Mein alter Stubenkamerad vom Theresianum und jetzt wieder mit mir in derselben Kompagnie! Der gute Kerl is uns bei der Viechhitze entgegengeritten, um uns als erster hier zu Land willkommen zu heissen. Da sind wir nicht mehr weit vom Standort! Ja — Servus, Kamillo!“
2.
Der Oberleutnant Kamillo Kienhofer vom 5. Bosnisch-Herzegowinischen Infanterieregiment war von dem hageren, sehnigen, dunkeläugigen Tiroler Schlag mit der braunen Gesichtsfarbe und der Adlernase über dem schwarzen Schnurrbart. Er liess im Galopp den optischen Signalmast hinter sich, über den durch die ganze Reihe von Gendarmerie-Wachposten längs der Okkupationsgrenze hin bei Tag mit farbigen Fanalen, bei Nacht mit Laternenzeichen die dienstlichen Meldungen aufblinkten, und zeigte beim Heranreiten herzlich die weissen Zähne.
„Servus, Niki!“ Er schüttelte dem Kameraden die Rechte. „Hab’ die Ehr’! Küss’ die Hand, Gnädige! Ich hab’ Ihnen da ein Boscherl Blumen mitgebracht. Viel wachst ja hier nicht bei die Rastelbinder!“
„Ach was — Gnädige!“ rief der Niki Schlägl. „Gleich sagt’s ,Du‘ zueinander! Es ist doch mein ältester Freund aus Wien, Maruschkerl!“
„Schon von der Favoriten her. Aus der Theresianischen Akademie. Da haben s’ uns zusammen erzogen oder es beim Niki wenigstens probiert!“ Der Oberleutnant Kienhofer wandte sich vertraulich an die junge Frau. „Weisst — das war schon ein Lausbub, dein Mann! Mit dem seinen Streichen damals — da könnt’ man Bände füllen!“
„Und später auch! Glaubt einer, das wüsst’ ich net?“ Die hübsche Wienerin lachte.
„Und hast doch den Mut aufgebracht . . .?“
„Wie ich ihn gesehen hab’, war ich gleich weg!“ rief die Maruschka Schlägl stürmisch. „Fesch genug waren andere auch! Und dummes Zeug haben andere auch getrieben! Aber in dem Niki steckt mehr! Das versichern s’ alle! Das fühl’ ich ganz genau! Das hol’ ich bei ihm heraus! Das soll ein lieber, ernster Mensch werden — durch mich!“
„Weisst — das Ernsthafte hat sie nämlich von ihrem Vater!“ sagte der Niki. „Der is nicht nur ein Holzindustrieller, dem sein Holz hier aus Bosnien und Ungarn bis nach Spanien und weiter geht, sondern im Privatleben ein g’strenger Heiliger! Dem sind wir Östreicher, wie wir sind, gar net recht!“
„Er sagt oft“, unterbrach die Maruschka, „wir sind nicht ernst genug in Östreich! Wir nehmen alles zu leicht! Da heisst’s gleich: geh — plausch’ net! Oder: geh — sei net fad’! . . . ,wenn man das Leben vernünftig betrachtet‘, sagt der Vater . . .“
„Der alte Herr is halt durch seine Handelsgeschäfte zeitlebens viel zu viel draussen in der Welt herumgekommen!“ entschuldigte der Leutnant Niki Schlägl den Schwiegerpapa. „Dadurch is er manchmal so wunderlich!“
„Ich nehm’, so jung wie ich bin, das Leben ernst!“ beharrte die Maruschka. „Und der Niki soll’s von mir lernen. Wenn er dann mal Excellenzherr is, dann wird er mir’s danken!“
„Da hast das rechte Weiberl erwischt, du Kroat!“ Der Regimentskamerad lachte herzlich. „Das is gerad’, was du brauchst! Dumm bist ja wahrhaftig net! Das hast jetzt wieder durch deine Wahl bewiesen! Bloss an der Stang’ muss dich eines halten! Ja . . . ehe ich’s vergess’: meine Frau, die Ladislaje, lässt natürlich schön grüssen! Sie hat ihre zwei Schreipeter unten. Sonst wär’ sie gern mit hier heraufgekommen auf die Höhe!“
„Ach — wundervoll ist’s hier!“ Die Maruschka Schlägl schaute andächtig über das weite, wildzerrissene, sonnenüberflutete Bergland hin und der Oberleutnant Kienhofer erklärte ihr:
„Rechts drüben in der Ferne die vielen kahlen weissen Steingipfel — das is der Dormitor. Die Himmelgabel heissen s’ ihn, die Montenegriner — ihren höchsten Berg! Gerad’ vor uns liegt das makedonische Bergland. Das gehört den Türken. Weiter links geht’s hinüber zu die Serben! No — und hier, im bosnischen Karst — da stehen wir, die Östreicher. Alles stösst hier in der Balkanecke am Sandschak Novibasar zusammen. Is schon ein Wetterwinkel!“
Er fühlte ein leises Zupfen an seinem hechtgrauen Mantelärmel. Der Niki raunte:
„Reit’ mal ein paar Schritte beiseite! Kannst die Maruschka ruhig lassen. Sie is gang in den Anblick der Gegend vertieft!“ Und als sie ausser Hörweite waren, heftig, hastig, halblaut: „Was hast ihr eben vom Sandschak Novibasar erzählt?“
„Du lieber Gott — nix!“ versetzte der Kamerad Kienhofer unschuldig. „Als dass er halt ein z’wideres Stück Schöpfung is! Das wirst schon noch merken, wann du jetzt das Vergnügen hast, mit und die Grenze zu bewachen! Du kennst doch den Sandschak Novibasar noch nicht?“
„Ja — woher sollt’ ich denn?“
„Bist niemals dort gewesen?“
„Nein!“ rief der Leutnant von Schlägl hart und heftig.
„Na alsdann! Lassen wir’s Also — was gibt’s denn eigentlich, Niki? Was machst denn für ein Gesicht?“
„Kamillo! Du bist mein Freund!“
„Das brauchen wir zwei uns nicht erst zu sagen!“
„Und die Maruschka ist doch noch so jung! Sie is doch noch niemals so recht aus Wien herausgekommen. Halt’ mal am Semmering oder in Ischl oder so. Die is ganz fremd hier in dem wilden Land. Die hat hier niemanden als dich und deine Frau!“
„Ja — doch dich!“
„Ich mein’ — wenn mir was Menschliches zustösst . . .“
„Ach geh! Was soll denn dir