Die schwarze Schlange. Rudolf Stratz

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Die schwarze Schlange - Rudolf Stratz


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hat er!“

      „In einer stund’ können wir ja weiterreiten, wenn’s kühler und dunkler is!“ meinte matt der Niki. Und seine Frau:

      „Unterdessen gehen s’ da unten wieder heim!“

      „Dann gehn s’ halt heim!“ rief der Niki Schläglplötzlich verbissen, in einem dumpfen Zorn. Der Regimentskamerad fasste das Pferd des andern am Halfter und zog es im Anreiten mit sich.

      „Die unvernünftige Kreatur is g’scheiter als wie du!“ sagte er. „Die weiss, dass man seine Vorgesetzten nicht warten lässt! Vorwärts! So is recht! Kopf hoch, Niki! wenn ich auch net weiss, was dir fehlt!“

      „Jetzt is da unten noch ein Türk’ dazugekommen — a richtiger Türk’!“ verkündete begeistert die Maruschka. „A ganz nobler Türk’, scheint’s!“

      „Das is der Hadschi Fehim Beg, der Grossgrundherr der hiesigen Gegend. Dem sind alle die bosnischen Bauern ringsherum zinspflichtig“, erläuterte Kamillo Kienhofer. „’s is a Crux mit den Begs. Tun tun’s nix, und durch ihren Landbesitz sind’s doch von grösstem Einfluss auf das Volk!“

      Der Hadschi Fehim Beg war breitschulterig und wohlbeleibt. Tränensäcke des Trinkers hingen ihm über den Graubart auf die schlaffen Wangen. Auf dem Haupt trug er den goldgesticken weissen Turban des Mekkapilgers. Unter dem langen, offenen, safrangelben Überrock schimmerte purpurn die Jacke, blau die gepluderten Kniehosen, weiss die Wollstrümpfe bis zu den ledernen Halbschuhen. In dem mit Halbedelsteinen besetzten breiten Hüftgürtel aus Rindshaut staken zwei Pistolen. Er stand auf einen Stock gestützt und radebrechte, dröhnend lachend, deutsch mit dem Major und dem Rittmeister.

      Der rothaarige Nute Pistinner hatte seinen Beobachtungsposten oben am Fenster verlassen und war auch vor das Hotel getreten. Die Hände in den Hosentaschen, schlenkernden Gangs, bummelte er heran und gesellte sich neugierig, mit offenem Mund, zu den Offizieren und ihren Damen und horchte zu, was sie redeten, und grinste, weil der Beg als Mohammedaner des Gesprächs mit Damen ungewohnt war und gegenüber der ihn sehr kühl aus ihren grossen schwarzen Augen musternden Sine Kabusch nur ein paar verlegene serbische Worte hervorbrachte. Deren Mann trat vor den Bitterwasserreisenden hin.

      „Was drängeln’s Ihnen denn hier heran?“ fragte Thaddäus Kabusch streng. „Gehören S’ zur bewaffneten Macht? Sein S’ a Beg? Sein S’ den Damen vorgestellt? Nein! Also schauen S’, dass S’ weiterkommen!“

      Nute Pistinner lächelte versöhnlich, zuckte die Hängeschultern und schlurfte gegen das Hotel hin zurück. Frau Sina Kabusch hatte den Zwischenfall nicht beachtet. Sie hielt den Arm um die Taille der viel kleineren, molligen Frau Leutnant Kienhofer geschlungen und plauderte mit den Offizieren, von denen nur der riesige Rittmeister von Rizzi ihren ihren hohen Wuchs überragte. Sie sprach das gemütliche Österreischisch-Deutsch wie die anderen alle. Aber ihre Stimme war so tief und voll, dass es ganz anders und fremdartig klang. Auch wenn sie wie jetzt lachte, wich nicht der Ausdruck einer düsteren Schönheit von ihrem Gesicht. Es war nur, wie wenn einSonnenstrahl die Berge Albaniens, ihrer mütterlichen Heimat, erhellte, ohne deren Wildheit zu mildern. Aber wie sie mit den Herren plauschte, sich bewegte, mit dem Taschentuch der fern sich nähernden Reitergruppe zuwinkte, war sie eine Dame so gut wie die kleine Ladislaje neben ihr oder sonst irgendeine Gnädige hier im Land.

      „Niki — du armes Hascherl — jetzt nimm dich mal zusammen!“ mahnte am Berghanh im Reiten die Maruschka Schlägl. „Gleich sind wir im Dorf! Was sollen s’ denn von dir denken? Da wedelt uns schon die Sina Kabusch mit ihrem Schnupftüchl zu!“

      Der Leutnant Niki liess das Fernglas sinken, mit dem er die Gruppe drüben gemustert hatte. Denn es war noch zu weit, um mit blossem Auge die Gesichter zu erkennen.

      „Ich find’ die Frau gar net so schön!“ sagte er. „Ganz jung is sie auch net mehr!“

      „Höchstens Mitte der Zwanzig!“ erwiderte Kamillo Kienhofer. „Und eine Frau, die wie drei Gewitter ausschaut, is freilich nicht nach jedermanns Gusto! Mir is so ein lieber Schneck wie meine Ladislaja auch lieber! Aber schön wie a Bild ohne Gnad’ is die Sine Kabusch doch . . . Ah — da schaut’s her: da kommen’s ja hintereinander — drüben vor dem ärarischen Hotel!“

      Der Hauptmann Thaddäus Kabusch war dort mit langen, sporenklirrenden Schritten auf den Nute Pistinner zugegangen. Sein längliches, bartloses Gesicht war so erregt, als die Nüchternheit seines Wesens es zuliess.

      „I mach’ Ihnen schon Beine, mein Lieber!“ sprach er.

      „Nü?“ Eine fragende Schulterbewegung.

      „Was haben S’ denn ewig meine Frau anzuglotzen und ihr vertraulich zuzugrinsen? Mit die Keckheiten hat’s jetzt ein End’! Marsch ab! Wird’s?“

      „Werden Sie mir schon zu befehlen haben . . .“ versetzte verstockt und verächtlich der junge rothaarige Pistinner.

      „Dann wird’s der Herr von rizzi tun! Der hat hier die Polizeigewalt!“

      „Ich fordere Sie amtlich auf, sich zu entfernen, nachdem Sie sich hier ungebührlich benehmen!“ sprach der schwarze Riese im grünen Waffenrock, und als Nute Pistinner sich kopfschüttelnd getrollt hatte: „Du, Hauptmann — tu’ mir die einzige Liebe und mach’ mir den Sohn Abrahams net kopfschen! Der interessiert mich brennend! Ich sag’ dir nachher, warum! Jetzt ist keine Zeit! Eben kommen’s angeritten!“

      „Was hast denn, Sine?“ fragte im selben Augenblick die Frau Leutnant Kienhofer die grosse schlanke Frau neben ihr, die immer noch den Arm um ihre Taille geschlungen hatte. „Warum bist denn eben so zusammengefahren? Ich hab’s doch deutlich gespürt! Und ganz blass wirst!?“

      „Ach — ich ärger’ mich über meinen Mann, dass er wegen mir mit dem Schubiak da oben Händel anfängt! So a galizischer Musterreiter is doch kein Entrüstungsgegenstand für Kavaliere net!“ sagte die Sine Kabusch und schaute dabei auf den Leuutnant Niki von Schlälgl Edlen von Bruckwehr, der eben mit seiner Frau auf den Platz einbog, hinter ihm der Kamillo Kienhofer.

      „Fesch schaut er aus!“ rief die Ladislaja. Sina Kabusch hatte ihre Ruhe wiedergefunden.

      „Der Ruf geht ihm ja auch voraus!“ sagte sie.

      „Und sie is auch recht lieb! Da hebt er sie vom Pferd und der Major begrüsst sie!“

      Der Major Geza Farkas hatte sich über die Hand der Maruschka gebeugt. Der alte Ungar lächelte ritterlich.

      „Sagen Gnädige nur immer gleich, dass Ehefrau sind!“ sprach er in seinem harten Deutsch. „Sonst hält Sie jeder für a Madel!“

      Die Maruschka hatte wirklich noch etwas Mächenhaftes im Antlitz und Wesen. Sie lachte frisch mit.

      „Ich muss mir manchmal selber sagen, dass ich net mehr die Maria Kemenater in Wien, sondern a Leutnantsfrau bei die Bosnier bin!“ rief sie und lief vor allem auf die beiden Damen zu und gab der kleinen Frau Kienhofer einen tüchtigen Schmatz.

      „Du bist die Ladislaja! Das weiss ich schon!“ sprach sie und drehte sich zu der anderen. „Ja — grüss’ dich Gott, Sina! Gelt —wir sagen gleich zueinanden ,du‘? Wir sind ja hier aufeinander angewiesen. Jetzt sind wir wenigstens a Kleeblatt!“ Sie sah, dass die Sine Kabusch ihren schönen Kopf mit den schwarzen Augen und dem blauschwarzen Haar ihr zuneigte und kam ihr auf halbem Weg entgegen, und die Lippen der beiden jungen Frauen berührten sich.

      „Werde jetzt Gnäigen die Herren vorstellen!“ versetzte der Major. Er nannte die Namen. Zuletzt wies er auf einen kleinen kraushaarigen und vollbärtigen Mann im Bürgergewand, der im letzten Augenblick gekommen war. „Herr Moise Sabbatai, Besitzer einer Wollknüpferei hier in der Nähe! . . . Es is schon a Spaniol“, erläuterte er dem jungen Ehepaar, während der Teppicherzeuger bescheiden zurücktrat. „Einer von den spanischen Juden, die im Mittelalter aus Spanien vertrieben und hier ins Land gekommen sind — aber sonst ganz ein netter Mensch! Ja —und da läst sich’s der Dorfälteste nicht nehmen und will auch sein Sprüchel beten. Gehen S’, Frau Sina. Übersetzen S’ doch dem Muchtar seine Anrede! So. Danke.


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