Die schwarze Schlange. Rudolf Stratz

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Die schwarze Schlange - Rudolf Stratz


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Dalmatinerrotweins hinter den schwarzen Abruzzenbart und erhob seine grüne Riesengestalt vom Stuhl, die anderen Offiziere sprangen mit ihm auf und umdrängten ihn, während er den schmalen, langen, in Sackleinwand genähten Packen in der Hand wog.

      „Wenn da drinnen nicht wieder so ein verflixtes, geschmuggeltes Gewehr steckt . . .“ murmelte er, „ . . . das sich einer von die Spitzbuben heut’ nacht hätte abholen sollen! Gebt’s a Messer her, dass wir die Naht aufschneiden!“ und leiser zu dem Hauptmann Kabusch neben ihm: „Die Cepelicaquelle — das is just der Ort, wo sich der Pistinner die letzten Tage umgetrieben hat!“

      „Weiss Gott: wieder so a heimliche Mordwaffen!“ Er hielt stirnrunzelnd den blanken Lauf in der Hand. Der Major Farkas setzte seinen Zwicker auf und beugte den schnurrbärtigen Graukopf über den Fabrikstempel.

      „Ist ein englisches Lee-Metford-Gewehr!“ entschied er in seinem harten Ungarisch-Deutsch. „Ist nicht die neueste Marke. Vielleicht fünfzehn Jahre alt. Aber höchst brauchbar für Gebirgskrieg! Magazin hat Platz für zehn Patronen!“

      „ . . . und die Munition paschen s’ wieder woanders herein!“ brummte der Ritter von Rizzi.

      „Wo kriegen denn nur die Lumpazi alleweil wieder die Schiessprügel her?“ Der Oberleutnant Kienhofer warf wütend seine ausgerauchte Zigarette wie ein Glühwürmchen hinter sich in die bosnische Nacht.

      „Ist kein Kunststück, nachdem die englische Regierung ihr neues Lee-Gewehr in Staatsfabrik in Enfield herstellt!“ belehret in seinem pedantischen Armeedeutsch der sachkundige Major Farkas. „Lee-Enfield kommt nicht in Handel. Um so leichter kann man ausrangiertes Metford-Modell in Birmingham kaufen und in Liverpool verfrachten!“

      „Aber das müsste doch verboten sein!“

      „Bitte: steht jedem frei!“

      „Darf also jeder hier stänkern, wenn er nur a Geld hat!“ sprach der Kienhofer erbittert.

      „Aber wer hier im Land das Geld für so was hergibt!“ Der Rittmeister von Rizzi furchte grüblerisch die buschigen Brauen, „Sapperdibix — ja!“

      „Kann Geld auch von auswärts kommen!“

      Die Offiziere sahen sich sorgenvoll an. Auch die Damen waren aufgestanden. Alles betrachtete die Waffe, die still auf dem Tisch neben den Resten eines Rahmstrudels lag.

      „No — Schlägl! . . . Dich interessiert das Ding schient’s gar net?“ fragte Thaddäus Kabusch.

      „Ja — was hilft’s denn, Herr Hauptmann, wann ich die Bescherung auch anguck’!“ Der Leutnant Niki fuhr aus seinem Brüten auf. Die Ladislaja Kienhofer neben ihm schüttelte den Kopf.

      „Weisst: so wie dich stell’ ich mir ’nen Nachtwandler vor.“

      „Ja — wenn das Gewehr reden könnte, wo’s herkommt und wo’s hingehört!“ Ihr Mann verstummte. Auch die anderen schwiegen. In die tiefe Stille zeterte in den Garten hinaus durch die offenen Fenster des Speisezimmers eine helle, zänkische Fistelstimme. Es klatschte jemand ungeduldig in die Hände.

      „Nü! Sluga! Diener! Kellner! . . . Sind Sie nur für den Herren Offiziere da, Gjorgje? Hab’ ich die Preisermässigung wie die Herren Offiziere? Zahl’ ich nicht fünfzehn Prozent mehr? Sind meine Kronen und Heller stinkig? Werd’ ich mich einmal durch ein Brieflich beschweren beim fünfzehnten Armeekorps in Serajewo! Was ich haben will? Nü: werden Se mir bringen ä kleines Püls und ä halbes Gulasch!“

      Der Kellner machte mit einem Kopfnicken durch das Fenster in den Garten den Gendarmeriekommandanten darauf aufmerksam, dass da drinnen der Bitterwasserreisende Nute Pistinner sass. Der Ritter von Rizzi trat beiseite und winkte seinen Wachtmeister unter den Nachtschatten einer breitästigen Weissbuche. Er schürzte sich mit der Linken seinen mächtigen Vollbart in die Höhe und fuhr sich darunter mit der flachen Rechten über den Adamsapfel.

      „Ich hab’s dicke bis dahin, Wachtmeister!“ sprach er. „Es muss etwas dagegen geschehen, dass man mir hier auf der Nase ’rumtanzt! Riskieren wir’s halt in Gottesnamen! Der Pistinner hat doch drüben im Hof seine Kisten mit leeren Flaschen stehen.“

      „Wie ich heut’ im Morgengreuen weggeritten bin, sind’s noch dagewesen, Herr Rittmeister!“

      „Ist recht! Holen S’ mal gleich einen Hammer und ein Brecheisen und ein paar Leut’ und machen S’ die Kisten auf! Wollen doch mal sehen, ob da wirklich nur leere Flaschen darin sind!“

      „Jetzt bin ich doch recht sehr gespannt!“ wandte sich, als das Säbelrasseln des Wachtmeisters verhallt war, der Gendarmeriekommandant zu den Offizieren vom 5. bosnischen Infanterieregiment und ihren Damen. Er unterdrückte mühsam sein Aufregung. „Wann wir nix finden täten, das wär’ fad! Aber ich hör’ schon im Geist das Waihgeschrieen von meinem Freunderl Pistinner!“

      „Der bleibt seelenruhig da drinnen vor seinem Gulasch sitzen!“

      „Ja — und da sind S’ schon wieder?“ Der Rittmeister von Rizzi wandte sich zu dem Wachtmeister. „Ja — was is denn?“

      „Melde gehorsamst: die Kisten sind nicht mehr da!“

      „Uijegerl!“ Der Kienhofer pfiff durch die Zähne.

      „Heute morgen haben die Zigenner die Kisten auf Weisung des Pistinner auf Tragtiere geladen und weggeschafft. Zu dem Mandelbaum — dem Gastwirt drüben in Grahovo — der das Beissl zwischen dem Militärlager und der Türkenstadt hat!“

      „Schreib’ nur gleich an unseren Oberleutnant-Anditor dort im Regimentsstab, Herr Rittmeister, dass er die Kisten beschlagnahmt!“

      „Und da drinnen lacht unterdess der Pistinner auch noch über sein ganzes Gefriess!“

      Nute Pistinner hatte seine dürftige Gestalt vom Stuhl erhoben und schlurfte unbefangen an den Tisch der Offiziere heran.

      „Darf m’r die Waar’ auch mal betrachten?“ fragteer neugierig und nahm ohne weiteres die Waffe in die Hand. „Ä feines Gewehr! Ä neues Gewehr!“

      „Gleich legen S’ das Ding wieder hin!“

      „Werd’ unter hundert Gülden nix zu haben sein — das Gewehr!“

      „Der ia mal z’wider!“ sprach die Maruschka.

      „Unter der Hand noch teurer! Nü is der Schmuggler im Schlamassel!“ Pistinner zog kränklich-bedauernd die Schultern hoch. „Freut mich für die Herrn Offiziere! Freut mich für den Herrn Wachtmeister, dass er dem schlechten Menschen das Geschäft verdorben hat!“

      „Sagen S’ mal: von welchem Greisler beziehen S’ eigentlich Ihre Keckheit?“ fragte der Oberleutnant Kienhofer. Der Reisende in Bitterwasser bettete mit einer Grimasse des Abscheus das Gewehr wieder auf den Tisch.

      „Es könnt’ geladen sein!“ sprach er. „Ich bin ein ängstlicher Mensch. Schiessgewehre sind nicht meine Branche! Nü — verzeihen Sie, wenn ich jetzt wieder geh’! Mein Kompliment den Herrn Offizieren! Meine Verehrung den Damen!“

      Und im Abmarsch mitleidig und halblaut zu dem Kellner Gjorgje:

      „Ich hab’ mich nix länger mehr von den Offizieren dabehalten lassen! Der Verkehr passt mir nicht! Was heisst so ä Überheblichkeit! Wer zahlt denn Jennen die Gage? Zahlen Sie! Zahle ich! Zahlen wir alle!“

      Die drei jungen Offiziersfrauen hatten die ungelenkvertrauliche Verbeugung des Pistinner mit einem frostigen Blick zum Mondscheinhimel hinauf übersehen. Die Maruschka Schlägl verstand nichts von Waffen. Aber sie hielt es für passend, Anteilnahme an den k. u. k. Sorgen zu zeigen. Sie nahm das stumme Stahlrohr aus Birmingham in die Rechte. Sie hantierte ungeschickt damit. Sie hörte neben sich ein leises, tiefes Lachen. Die Sina Kabusch nahm ihr mit ihren starken, schön geformten Händen das Gewehr ab. Ihre weissen Finger holten sachkundig das leere Stahlblechmagazin heraus und schoben es wieder in das Verschlussgehäuse und betätigten, obwohl keine Patronen losgehen konnten, mechanisch den Sicherungshebel. Dabei hielt die Sina Kabusch eine Zigarette schief im Mundwinkel ihres


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