Die schwarze Schlange. Rudolf Stratz

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Die schwarze Schlange - Rudolf Stratz


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trug einen dunkelgrünen Waffenrock und hechtgraue Reithosen. Ein schwarzer Federbusch wehte ihm vom Hut. Er salutierte und fragte in tiefem Bass:

      „Siehst du sie schon, Herr Major?“ und dessen Fingerzeig folgend: „Ah freilich! Die sind schon auf dem halben Berg!“

      „Der Grüne, der wie ein Räuber aus den Abruzzen ausschaut“, sagte im vorsichtigen Abwärtsreiten Kamillo Kienhofer, „das ist unser Gendarmeriezugskommandant, der Rittmeister von Rizzi. Auch ein Hagestolz und dicker Freund von dem Farkas. Jetzt da schau hin, Niki: der, wo eben aus dem ärarischen Hotel kommt, das is der Unserige — der Kompaniekommandant.“

      „Der Kabusch?“

      „Der Thaddäus Kabusch! Recht a langweiliger Mensch — kann ich dir nur sagen! Nix wie der Dienst und im Dienst nix wie der Gamaschenknopf . . .“

      „Wo hat er denn seine Frau?“ rief die Maruschka.

      „Die Sina ist noch net da! Die Sonne wird erst noch aufgehn!“

      Der Hauptmann Kabusch war mager und mittelgross. Sein längliches, nüchternes Gesicht war glattrasiert. Seine Bewegungen hatten nichts von der österreichischen Leichtigkeit. Da war eher etwas Hölzernes, wie er vor dem Major die Rechte an die Tschakorandung legte, und der lachte:

      „Die passt, scheint’s, dein neuer Kompaniezuwachs nicht, Kabusch, weil du gar so grantig hershaust. Aber ich denk’ mir, der Oberst hat so einen feschen jungen Herrn wie den Schlägl gerade deswegen zu dir in die Kompanie gesteckt, dass er von dir einen rechten dienstlichen Ernst und Eifer lernt.“

      „Ach — ’s is mir nicht um das Wiener Früchtl zu tun!“ sagte zurücktretend der Hauptmann Kabusch zu dem Gendarmerierittmeister und schaute ärgerlich an der Front des ärarischen Hotels empor. „Mich sekiert was anderes! Wer ist denn der ekelhafte Kerl da oben, der schon wieder seinen Kopf aus dem Fenster steckt. Das muss die Gendarmerie doch wissen!“

      „Die Gendarmerie weiss alles!“ sprach der schwarzbärtige Rizzi. „Das ist ein gewisser Nute Pistinner irgendwo aus Galizien, Reisender in ungarischem Bitterwasser bis in die entlegensten Bergdörfer. Insofern macht sich der rothaarige Mensch ganz nützlich! Denn wie sehr die Leut’ bei der Hitz’ und dem Wassermangel a Bitterwasser brauchen — das kennst ja!“

      Nute Pistinner war ein noch junger schmächtiger Mann zu Anfang Zwanzig in einem zweifelhaft weissen, sommerlichen Leinenanzug, mit zwei schmalen Backenbartstreifen nach englischer Art und einem ebensolchen Zahnbürstchenschnurrbart unter der scharf wie ein Krummsäbel vorspringenden Nase. Er beugte den sommersprossigen Kopf noch weiter über das Fensterbrett vor und spähte, als ob er etwas erwartete.

      „Mir gefällt das Stück galizischer Ghetto nicht!“ sagte der Hauptmann Kabusch.

      „Ja — glaubst denn, mir?“ meinte der Rittmeister von Rizzi. „Im Vertrauen: den und sein Bitterwasser hab’ ich schon lang auf dem Strich. Ich mein’ immer, der hat ganz was anderes hier an der Grenze vor. Ich lass’ ihn schon die ganze Zeit heimlich beobachten. Aber was der Schlemihl dich angeht . . .“

      „Kerl hat die Dreistigkeit“, der Kompaniekommandant Kabusch sprach das langsame, nachdrückliche, Silbe für Silbe betonende Armeedeutsch, durch das sich zwischen Salzburg und dem Eisernen Tor die k. u. k. Offiziere im Dienst ihren ungarischen, böhmischen, galizischen, kroatischen, slawonischen, mährischen, krainerischen, dalmatinischen, bukowinischen, küstenländischen Mannschaften verständlich machten. Aus Thaddäus Kabuschs Mund klang dies vorshriftsmässige Deutsch noch pedantischer. „Kerl hat die Dreistigkeit“, wiederholte er, „meine Frau auf dem Flur anzureden, ein gesticktes Jackerl überm Arm, und zu fragen, ob er da ein echtes altes albanesisches Stück gekauft habe, indem die Frau Hauptmann doch aus der Gegend dort herum zu stammen beliebten!“

      „Und deine Gnädige?“

      „Die Sine hat gelacht und geantwortet: Ja — das sei gute, alte Arbeit aus dem Stamm der Dukatschi, und hat nachher noch weiter mit dem Schächer gered’t. Aber ich verbitt’ mir das! Dös is kein Umgang für meine Frau!“

      Der Hauptmann schaute zornig nach dem Bitterwasserreisenden Nute Pistinner, der unverfroen auf ihn herablächelte, und dann nach dem Berghang. Die Reitergruppe war schon nahe dem Talboden. Die junge Frau von Schlägl machte grosse Augen.

      „Da kommt ja einer von euch von dem Minarett her und trägt statt dem Tschako einen roten Fez auf dem Kopf. Ja — jetzt is doch net Fasching!“

      „Der hat in der Moschee seine Abendandacht verrichtet!“ erklärte der Tiroler Kienhofer. „Das is einer von unseren mohammedanischen Leutnants in der Reserve der bosnischen Regimenter — und sonst, wenn er keine Offiziersübung macht, Advokat in Serajewo für die Verhandlungen mit den Kadis, den Scheriatsrichtern für Koranangelegenheiten im Land! So: mit dem Lautnant Haidukowitsch Ibrahim Beg ist jetzt die k. u. k. Garnison vollzählig zu eurem Empfang versammelt!“

      „Aber die Sina Kabusch fehlt!“ drängte die maruschka. „Auf die bin ich doch gerad’ so g’spannt. Die interessiert mich!“

      „Siehst net die plötzliche Bewegung vor dem Hotel?“ Der Oberleutnant Kienhofer lachte. „Jetzt kommt a Leben in die k. u. k. Streitmacht! Die schöne Sine geruht, aus dem ärarischen Hotel zu treten. Da siehst du sie — gross und schlank — sie hat so was Schreitendes in den Bewegungen wie ein Hirsch — und immer den Kopf im Nacken . . .“

      „Ganz weiss ist sie angezogen!“ Die Blicke der Maruschka von Schlägl ruhten neugierig auf der fernen fremden Frau.

      „Immer. Alle Albanesen. Ihre verstorbene Mutter war doch eine Albancsin — eine katholische Mirditin aus Durazzo! Die sind alle so gross und schlank!“

      „Und der Vater is auch einer aus dem Balkan?“

      „Der alte Volo stammt eigentlich aus Malta. Das is dort schon ganz eine verdrehte italienisch-arabische Blutmischung. Davon hat die Sina das strenge klassische Profil und die blauschwarzen Haare! . . . Und a Geld!“ setzte der Kamillo Kienhofer hinzu. „Der Genario Volo is durch seine Heirat aus Albanien in den Sandschak Novibasar hinübergekommen und hat’s in Plewlje schon ordentlich zu was gebracht. Er war schon einmal hier und hat seine Tochter besucht. Mit Kleinigkeiten gibt sich der kleine, vierschrötige, pechschwarze Kerl nicht erst ab! Das ist ein Gewaltmensch. Der betreibt seinen Grosshandel mit europäischen Waren . . .“

      „Ja — kaufen denn die Leut’ drüben so was?“ unterbrach die Maruschka.

      „Ja — was halt die Halbwilden so brauchen — Petroleumlampen, Zucker, bunte Stoffe, Reibhölzeln, Spiegel, Schmucksachen — also das schafft er mit seinen Maultierkarawanen im Sandschak bis in die entlegensten Bergdörfer. Den Volo kennen die Spitzbuben dort alle. Dem tut keiner was, weil sie ihn zu nötig haben. Den zählen s’ schon halb zu den Ihrigen!“

      „No — ich freu’ mich recht auf die Ladislaja, dein Frauerl, Leutnant Kienhofer!“ sprach oben am Berg aus dem Sattel die Maruschka.

      „Gleich sagst: Kamillo!“

      „Alsdann: ich freu’ mich recht auf die Deinige, Kamillo. Und auch auf die Sine Kabusch. Die wird einem was erzählen können. Eine Frau, die alle Geheimnisse von dem wilden Bergland hier kennt!“

      „Die spricht so gut serbisch und albanesisch und italienisch wie deutsch!“

      „ . . . und dabei doch eine militärfromme, östreichische Leutnantsfrau! Das is schon ganz merkwürdig.“ Die junge Frau von Schlägl drehte den hübschen Blondkopf nach rückwärts. „Niki — warum hältst denn da hinten mit deinem Gaul? So mach’ doch voran!“

      Ihr Mann hörte es kaum. Er starrte über den Pferdekopf hinunter in das schon nahe Dorf. Auf dem Platz vor dem ärarischen Hotel schimmerte ein schlanker, weisser Strich. Um ihn herum war blaues und grünes Uniformgeglitzer.

      „Wie die Fliegen um den Honig!“ lachte der Kienhofer.

      „Niki — so komm doch!“

      Der Leutnant Niki von Schlägl strich sich mit der Hand über die Stirn.


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