Die schwarze Schlange. Rudolf Stratz

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Die schwarze Schlange - Rudolf Stratz


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der Pater Simeon, der da vorbeikommt — aus naher Ordensniederlassung!“

      „Wir tragen die Schnurrbärte noch von der Türkenzeit her, wo wir als Türken verkleidet gehen mussten, um nicht vom Volk erschlagen zu werden!“ sprach schmunzelnd der braune Mönch, und die maruschka erwiderte verwirrt:

      „Ach so! K’ss d’ Hand, Hochwürden!“

      Ihr Gatte hatte sich inzwischen bei dem Major und dem Hauptmann, strammstehend mit der Rechten am Tschako, als in das 5. Bosnische Infanterieregiment, 13. Kompanie 4ten Bataillons, transferiert gemeldet und dann ihnen und allen k. u. k. Kameraden und dem Tükenbeg und dem Franziskanerpater und dem Spaniolen die Hand geschüttelt. Nun wandte er sich zu den Damen. Mit der Ladislaja, der Frau seines Freundes Kamillo Kienhofer, nannte er sich gleich „du“. Dann küsste er der Sine Kabusch die Rechte. Sie erwiderte es mit einem liebenswüdigen Hädedruck des Willkommens. Auch er lähelte unter dem feschen Schnurrbart.

      „Sie kommen aus Wien, Herr von . . . Mein Gott . . . jetzt hab’ ich wieder Ihren Namen vergessen . . .“

      „Schlägl, Gnäigste!“

      „Richtig! Der Herr von Schlägl! Haben Sie eine gute Reise gehabt?“

      „Danke der Nachfrage! Es war schon mordsschön!“

      „Das hör’ ich gern!“

      „Die Herrschaften werden sich jetzt auf ihre Zimmer zurückziehen!“ Der Major Farkas trat hinzu. „Und nach dem heissen Ritt a bissel restaurieren. Auf Wiedersehen nachher! Da nachtmahlen wir alle z’sammen draussen im Garten!“

      4.

      Das Volk von Vrbica stand auf dem Platz vor dem ärarischen Hotel. Eine bunte Musterkarte des Morgenlands. Alte bosnische Hirten in ärmellosen Jacken und roten Leibbinden und junge Bauernmächen mit gestickten Schürzen und Türkinnen in schwarzen Stoffglocken und weissen Gesichtsschleiern und braune Zigeunerinnen in grellen Lumpen und kleine Türkenmädchen in blauen Höschen und mit Rattenschwänzchen von Zöpfen. Das Volk von Vrbica sah zu, wie die herrschenden Gewalten des Landes, Schwab, Möch, Moslim und Spaniole, voneinander Abschied nahmen. Der schnurrbäige Franziskanermöch, der Pater Simeon, schritt in seiner braunen Kutte auf seinen Holzsandalen dem fernen kleinen Ordenshaus in den Bergen zu, der mohammedanische Leutnant Haidukowitsch wandte sich nach dem Haus des Imam, des Dorfgeistlichen, neben der Moschee, bei dem er als Moslim wohnte und mit dem er —elbstverständlich ohne die Gesellschaft der drei Frauen des Hodscha — nach den Vorschriften des Korans speiste. Der kleine stille Spaniole. Moise Sabbatai, der in Gegenwart der vornehmen Herren k. u. k. Offiziere und ihrer Damen immer etwas Gedrücktes hatte, zog sich unauffällig, den Hut in der Hand, zurück. Der Hadschi Fehim Beg war der einzige, der den Gruss des Teppichfabrikanten nicht erwiderte. Er, der Grossgrundbesitzer des Landes, der Nachkomme der tükischen Eroberer, verachtete tief solch einen Spaniolen wie den Moise Sabbatai. Er humpelte, auf seinen Stock gestützt, zu seinem Reittier, um rasch nach seiner mittelalterlichen Burgruine Mogorelo in der Nachbarschaft zu gelangen. Dort war eben, mit der heutigen Tragtierpost, eine Sendung französischen Champagners für ihn eingetroffen. Ob er den denn trinken dürfe? Der Beg drehte sich entrüstet um, schon den Pantoffel im Steigbüel, und die Sina Kabusch übersetzte lachend seine Antwort: Champagner, diese brausende süse Limonade, habe es zur Zeit des Propheten — Lob ihm! — noch nicht gegeben, und was Sidi Mohammed den Gläubigen nicht verboten habe, das sei erlaubt!

      Nachdem die Sina Kabusch das übersetzt, schritt, ohne auf ihren Mann zu warten, die schö, grosse, dunkle Faru in Weiss in ihrem fremdartig weitausgreifenden, federnden Gang hastig dem äraischen Hotel zu. Die Maruschka Schlägl rief hinter ihr her:

      „Sina! Lauf uns doch net fort! Wart’ doch a bissel! Wir kommen ja mit! Warum hast’s denn so arg eilig?“ Sie wandte sich lachend zu ihrem Mann, dem Leutnant Niki: „Sie hört;s nicht — die Kabusch! Weg is sie! No — wir sehen sie ja nachher!“

      „Wir sehen sie nachher!“ sagte geistesabwesend der Leutnant Edler von Schlägl und trat mit seiner jungen Frau in die beiden einfachen, ärarischen, als Wohu- und Schlafzimmer angewiesenen Gemächer. Dort wartete schon der eingeborene bosnische Offiziersdiener. Das Ehepaar musste mit ihm hauptsächlich durch Zeichenverkehren. Die Maruschka hatte sich schon in Wien auf einem Zettelchen ein paar der wichtigsten Worte aufgeschrieben: „Voda — Wasser — Sapun —Seife — Peskir —Handtuch —Brzo — Mach schnell!“ und unterbrach sich und horchte und sagte zu dem düsteren und schwegisamen Niki:

      „Du — das is mal nett! Gerad’ Tür an Tür mit uns wohnen die Kienhofers! Ich hör’ der Ladislaja ihre Stimme durch die Wand!“

      „Red’ doch schon leiser!“ sagte gleichzeitig der Oberleutnant Kienhofer nebenan zu seiner Gattin, der kleinen molligen Ladislaja. „Was du da raustrompeten willst, das scheint doch nur für mich bestimmt!“

      „Ja freilich!“ Seine Frau dämpfte ihre aufgeregte Stimme. „Du — hör mal . . .“

      „Also raus damit . . . Druck’ net so!“

      „Was is denn das um Gottes willen mit der Sina und dem Niki Schlägl?“

      „Was soll denn sein? Die beiden kennen sich ja gar net!“

      „Meinst?“

      „Die Maruschka hat mir selber erzält, sie und ihr Mann hätten erst heute mittag im Truppenlager durch den Regimentskommandanten gehört, dass die Sina überhaupt auf der Welt und die Frau von seinem Hauptmann ist!“

      „Aha! Und du bist halt so ein guter Kerl, Kamillo, und glaubst, was man dir vorred’t!“

      „Geh’, Tschaperl!“ sprach der Oberleutnant Kienhofer mitleidig. „Weisst du’s denn besser?“

      „Ich net. Mich geht’s nix an! Aber die Sina!“ flüsterte die Ladislaja Kienhofer. „Die Sina hat doch den Arm um mich gelegt gehabt, wie wir vor dem Hotel gestanden sind und gewartet haben, und wie sie plötzlich um die Ecke von dem Platz den Niki Schlägl hat daherreiten sehen, da is sie doch zusammengefahren . . .“

      „Leise . . .“

      „ . . . zusammengefahren — sag’ ich dir — dass es mir einen Schreck gegeben hat! Sie hat ja immer so einen weissen Teint zu ihrem schwarzen Haar. Aber jetzt war ihr das letzte Blutströpferl aus dem Gesicht gewichen!“

      „Ich hab’ nix gemerkt!“ sprach der Kamillo Kienhofer in Gedanken. Er war sehr ernst geworden.

      „Sie hat sich auch gleich wieder derfangen, und er, dein Freund Niki, hat sich überhaupts nix anschauen lassen — no ja — er hat’s ja schon gemusst, dass er sie treffen würde —und die beiden haben sich ganz manierlich begrüsst, wie andere Christenmenschen auch! Aber irgend was is da los, Kamillo! Die zwei — die haben schon mal was miteinander gehabt!“

      „Das gibt zu denken!“ Der Kamillo schüttelte seinen braungebrannten, dunkeläugigen Tiroler Kopf. „Das gibt schon zu denken . . .“

      „Ja — was soll man denn denken? . . . A eing’frorene Liebschaft von früher — natürlich . . . Wie ihr halt alle seid! Da gibt keiner dem andern was nach! Und dem Schlägl — dem geht ja schon so ein Ruf voraus!“

      „Wann’s net mehr is als so ein alltägliches G’frett!“ Der Oberleutnant Kienhofer sprach in Gedanken halb zu sich. „Ich fürcht’, da zieht sich gerad’ hier, in dem Nest, dem Vrbica, a Gewitter zusammen. Ich kann mir nicht helfen! Mir ist unheimlich zumut!“

      Aus dem einen Nebengemach klang Kindergeschrei. Die Ladislaja sprang auf.

      „Jesses — die Fratzen!“ rief sie und rannte zu ihren Buben. Ihr Mann stand eine Weile in Gedanken. Dann stieg er die Treppe hinab und trat, nach etwas suchend, vor das Hotel.

      Dort klirrten Sporen. Der Gendarmeriezugskommandant Ritter von Rizzi und der Hauptmann Thaddäus Kabusch schritten da auf und nieder.

      „Ich werd’ dir jetzt erklären, Kabusch“, sprach der Rittmeister in tiefem Bass, „warum du mir den Platzhirsch aus Galizien,


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