Das Pfannen-Deckel-Prinzip. Bianca Nias

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Das Pfannen-Deckel-Prinzip - Bianca Nias


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Skript zu korrigieren, ist nichts anderes als eine technische Prüfung. Das Lektorat ist anspruchsvoller, doch dort übernehme ich lediglich die Stimme und die Denkweise des Autors. Der Podcast dagegen ist... nur von mir.«

      Bestimmt wirke ich für ihn total konfus, aber ich begebe mich gerade auf ein völlig neues Gebiet, indem ich versuche, Gedanken und Gefühle möglichst unreflektiert in Worte zu packen. Luíz mag die ideale Testperson sein, ob mein Training der vergangenen Jahre im Umgang mit anderen Menschen etwas gebracht hat. Zu meiner Überraschung nickt er, als hätte er mich verstanden.

      »Er ist Ausdruck Ihrer Kreativität und Persönlichkeit«, meint er sogar.

      »Soweit würde ich nicht gehen«, wehre ich ab. »Mir macht es Spaß, den Humor der Leute zu studieren, zu analysieren und auszuprobieren, was als witzig empfunden wird und was nicht. Humor ist etwas, das jedem in die Wiege gelegt wird, mit dem wir geboren werden. Als Kind ist man noch völlig frei und unbeeinflusst, egal, wo auf der Welt oder unter welchen Umständen man aufwächst. Erst im Laufe der Zeit verändern die persönlichen Erlebnisse, das Umfeld und die eigenen Erfahrungen auch den Sinn für Humor.«

      »Also ist Humor für Sie so etwas wie ein Forschungsgebiet?«, fragt Luíz.

      »Ja, so kann man es nennen. Wenn das jemals Studienfach an einer Universität wird, bewerbe ich mich um den Posten als Fachbereichsleiter«, erwidere ich unbekümmert – und bekomme von Luíz ein Lachen zur Antwort. Oh, war das etwa lustig? Interessant.

      »Einen Master in Humorwissenschaften würde ich auch gerne ablegen«, stimmt er mir sogar zu. »Ich glaube, der Studiengang wäre an jeder Uni gnadenlos überlaufen.«

      »Wobei die Durchfallquote ähnlich hoch sein dürfte wie bei einer Epidemie des Norovirus«, spinne ich den Gedanken weiter. »Das Spektrum ist äußerst breit gefächert. Im Studium müsste man einen Schein in der Geschichte des Humors machen, dazu noch welche in Sarkasmus, Ironie, Slapstick, Parodie und Stand-up-Comedy.«

      »Nicht zu vergessen den Magister in schwarzem Humor«, ergänzt Luíz. »Das sind dann die dunklen Künste. Wie bei Harry Potter.«

      »Na, klasse. Jetzt habe ich Professor Snape im Kopf, wie er sich drohend vor Harry Potter aufbaut«, knüpfe ich spontan daran an. »Mr. Potter, haben Sie Ihre Hausaufgaben über die Satire im Mittelalter nicht gemacht?«, ahme ich den strengen Lehrer aus den Potter-Filmen nach.

      Wir lachen gemeinsam laut los. Die anderen Besucher des Cafés drehen uns die Köpfe zu, selbst Jasmin hält mitten im Abkassieren eines Gastes inne und schaut zu mir hinüber.

      Ich erwidere ihren Blick und muss unfreiwillig grinsen. Hey, es gelingt mir immer besser, mich in diesem Gespräch zurechtzufinden. Mir fällt zudem auf, dass ich relativ entspannt bleibe, was keine alltägliche Erscheinung ist.

      Luíz schnaubt nun belustigt und presst die Lippen aufeinander. Anscheinend verkneift er sich nur mühsam ein weiteres lautes Lachen, um die anderen Gäste nicht über Gebühr zu stören. Fasziniert beobachte ich, wie sich sein Gesicht dabei verändert. Seine Augen werden schmal, doch sie glänzen, als hätte sich dort zu viel Tränenflüssigkeit angesammelt. Oh Mann, seine Augen sind für mich wie Ankerpunkte, an denen ich mühelos meinen Blick festmache. Dieser direkte Blickkontakt ist aufregend, vor allem, weil er selbst nach mehreren Minuten nicht unangenehm wird. Ich könnte stundenlang hier sitzen und mich zwanglos mit ihm unterhalten, was für mich zwar ungewohnt ist, sich aber ganz und gar nicht so anfühlt. Eher vertraut.

      »Was ist mit der Biologie des Humors?«, fährt Luíz nun fort. »Ich finde, die körperliche Seite sollte man auch nicht unbeachtet lassen.«

      »Sie meinen, welche Auswirkungen ein guter Witz hat und wie der menschliche Körper darauf reagiert?« Ich grinse amüsiert. Mit der Frage habe ich mich tatsächlich auch schon auseinandergesetzt. »Interessantes Thema. Sogar für einen Podcast.«

      Mit einem Tastenklick aktiviere ich den Laptop, der schon wieder in den Stand-by-Modus gegangen ist. Sehr schön, mein Notizzettel mit Ideen für neue Folgen füllt sich dank Luíz' Mithilfe mühelos.

      »Kann es sein, dass alle Menschen das Gleiche fühlen, wenn sie über einen Witz lachen? Dass die körperlichen Reaktionen immer dieselben sind, egal, welche Art von Humor wir bevorzugen?«, fragt Luíz.

      Ich beiße mir nachdenklich auf die Unterlippe. Seine letzte Frage hat mich davon abgehalten, den Gedanken, den ich eben noch aufschreiben wollte, auf dem Laptop einzugeben. Meine Finger schweben über der Tastatur.

      »Ich bin zwar kein Mediziner, aber sicherlich wird die Reaktion des menschlichen Körpers durch einen Anstieg des Hormonspiegels beeinflusst«, versuche ich, diese ernsthaft zu beantworten.

      »Bestimmt sind es genau die Hormone, die wir auch bei anderen Gelegenheiten ausschütten. Über einen Witz lachen fühlt sich doch ähnlich an wie glücklich zu sein.« Luíz schiebt die Kaffeetasse in die Tischmitte, verschränkt die Arme auf der Tischplatte und lehnt sich mir ein Stück entgegen, um meine Notizen auf dem Laptop mitzulesen. Dabei bekomme ich eine Breitseite seines Geruchs in meine Nase. Herrje, das Aftershave, das er benutzt, riecht fantastisch. Herb, männlich, würzig, mit einer frischen Kopfnote, die mich an irgendwelche Kräuter erinnert. Oder ist das Bergamotte?

      »Hm.« Ich brumme abgelenkt, besinne mich dann wieder und schreibe den Ansatz einer Idee auf, um die Gedanken festzuhalten und in die richtige Reihenfolge zu bekommen.

      Humor → Biologie → Gefühl = Spaß.

      Spaß → Lachen → Glückshormone?

      »Jetzt nimmt die Sache langsam philosophische Züge an«, kommentiert Luíz. »Sie nehmen solche Themen gerne derart auseinander, nicht wahr?«

      »Ich versuche, den Dingen auf den Grund zu gehen und sie empirisch aufzuarbeiten«, weiche ich verlegen aus.

      »Genau das merkt man Ihrem Podcast an«, meint Luíz. Er zuckt mit den Schultern, hebt aber den Kopf, legt diesen schief und sieht mir genau in die Augen. »Er ist einzigartig, gerade weil er an der Wurzel von ganz normalen Alltagsdingen ansetzt, diese aber von einer völlig anderen Seite, aus einer ungewohnten Perspektive heraus, betrachtet.«

      Urplötzlich breitet sich Wärme in meiner Brust aus, geht nahtlos in ein Brennen über und sackt in meinen Magen hinunter, als hätte ich mir gerade einen hochprozentigen Schnaps hinter die Binde gekippt. Instinktiv atme ich tief ein und ganz langsam wieder aus, um diesem Tumult in meinem Inneren Einhalt zu gebieten. Keine Chance. Mein Körper scheint ein Eigenleben zu entwickeln und zu allem Überfluss rutscht das warme Gefühl unaufhörlich tiefer. Ein Prickeln kriecht zeitgleich meine Wirbelsäule hinab, trifft dort auf einen höchst empfindsamen Bereich und geht zusammen mit dieser komischen Hitze in ein Ziehen über. Unruhig verlagere ich mein Gewicht und rutsche auf der gepolsterten Bank herum.

      Verdammte Hacke, Luíz macht mir ein simples Kompliment zu meinem Podcast und ich werde hart?

      Luíz

      Kämmerer antwortet mir nicht, aber seine Gesichtsfarbe vertieft sich und ein Hauch Röte überzieht seine blassen Wangen. Plötzlich weicht er jedoch meinem Blick wieder aus, nimmt die Hände vom Tisch und versteckt sie unterhalb der Tischplatte.

      Verdammt. Ich hatte gehofft, unser Gespräch bald wieder auf das Bühnenprogramm zu lenken, doch just in dem Moment, wo ich den Eindruck hatte, wir würden so etwas wie einen Draht zueinander entwickeln, setzt er diese abweisende Miene auf. Dabei habe ich keine Ahnung, was seinen Stimmungsumschwung hervorgerufen haben könnte. Eben haben wir uns noch ungezwungen und sehr nett miteinander unterhalten, jetzt aber fährt er urplötzlich irgendwelche Mauern hoch.

      »Wie ist die Aufnahme der Podcastfolge heute eigentlich gelaufen?« Ich versuche, mit dieser Frage zumindest beim selben Thema zu bleiben.

      »Gut.« Kämmerer wirkt, als wäre er mit den Gedanken meilenweit von mir entfernt.

      »Ich habe gehört, Sie schneiden die Folgen auch selbst, bevor Sie diese hochladen?« Verzweifelt suche ich nach einem neuen Anknüpfungspunkt, um die vorige Lockerheit in unserer Unterhaltung wiederherzustellen, doch er nickt lediglich


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