Das Pfannen-Deckel-Prinzip. Bianca Nias

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Das Pfannen-Deckel-Prinzip - Bianca Nias


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      Ja, das Teil ist nicht nur riesig und hat eine sehr gewöhnungsbedürftige Farbe, man meint auch, es stamme direkt aus der Hello Kitty-Kollektion oder einem Barbie-Puppenhaus. Vielleicht ist es wie im Film von einer Geheimwaffe bestrahlt und hundertfach vergrößert worden, wer weiß. Trotzdem liebe ich den Kühlschrank heiß und innig, ich würde ihn nie wieder hergeben wollen.

      Dass meine Mama die dazu passende Tapete mit den winzigen, grünen und rosafarbenen Blümchen ausgesucht hat, verschweige ich besser mal. Die Küchenschränke mit den eierschalenfarbenen Fronten und der altertümlich aussehende Gasherd, die alle zum Stil der Fünfzigerjahre gehören, sind schon ungewöhnlich genug.

      Luíz

      Ich finde es immer wieder faszinierend, die Leute zu treffen, die man sonst nur aus Film, Fernsehen oder von den großen Bühnenshows her kennt. Dabei bin ich von deren wahren Persönlichkeiten schon oft überrascht worden, sowohl angenehm als auch weniger angenehm – aber Tobias Kämmerer ist mit Abstand die bislang größte Überraschung.

      Vielleicht, weil ich mangels eines offiziellen Fotos ein ganz anderes Bild von ihm im Kopf hatte. Unbewusst habe ich mir den Mann, dessen Stimme ich im Podcast als sehr angenehm und äußerst männlich empfunden habe, als zwei Meter großen, bärtigen und muskulösen Schrank vorgestellt. Umso erstaunter war ich, als Kämmerer die Tür geöffnet hat.

      Er ist so klein!

      Also, nicht gerade winzig oder zu klein für einen Mann. Er ist fast einen Kopf kürzer als ich und hat eine drahtige Figur, einen hellblonden Wuschelkopf, blaue Augen und ein paar Sommersprossen auf der zierlichen Nase. Von einem Bartwuchs ist auf seiner Haut mit dem ebenmäßigen, sehr blassen Teint nichts zu sehen. Hätte ich ihn nicht an seiner Stimme erkannt, wäre ich davon ausgegangen, vor dem Falschen zu stehen.

      Im Augenblick macht er einen sehr reservierten und zurückhaltenden Eindruck auf mich, daher muss ich zusehen, wie ich am besten sein Vertrauen gewinnen kann.

      »Keine Sorge, ich finde die Küche wirklich toll. Echt stylisch, so etwas sieht man heute nicht mehr oft«, versichere ich ihm wahrheitsgemäß. »Wollen wir den Kaffee nicht hier trinken?«

      Tobias Kämmerer antwortet nicht, sondern stellt beide Tassen unter den Ausguss des Vollautomaten, drückt auf eines der Knöpfchen und das Gerät rasselt sofort laut los, um die Bohnen zu mahlen. Gleich darauf rinnt dampfend heißer Kaffee in die beiden Tassen und das Aroma breitet sich in der Küche aus.

      Erst als die Maschine fertig ist und die letzten Tröpfchen in die Tassen fallen, schaut er wieder auf. Sein Blick wandert unschlüssig zwischen mir und dem kleinen Tisch, der zusammen mit zwei Stühlen am Fenster steht, hin und her.

      »Ja, das können wir machen«, stimmt er zurückhaltend zu, nimmt die beiden Kaffeetassen und geht zum Tisch hinüber.

      Während ich ihm folge, lasse ich erneut meinen Blick durch den Raum schweifen. Hier sieht es aus wie in einem Möbelhaus. Nicht wegen der ungewöhnlichen Kücheneinrichtung, sondern eher, weil nichts herumsteht oder -liegt. Keine privaten Dinge. Rein gar nichts. Alles ist aufgeräumt und so sauber, dass ich mich in den Hochglanzfronten der Schränke spiegeln und sicherlich auch problemlos vom gefliesten Boden essen könnte. Jetzt erst wird mir bewusst, dass dies in Flur und Wohnzimmer genauso war, auch da ist alles tadellos in Ordnung. Die vielen Bücher in dem Regal im Wohnzimmer sind sogar nach Farben und innerhalb diesen nach der Größe sortiert. Ob er die alle gelesen hat? Bestimmt, denn seinem Podcast merkt man an, dass er sehr gebildet ist.

      Bei mir zu Hause sieht es dagegen ganz anders aus. Da liegt eben die Fernsehzeitung auf dem Wohnzimmertisch oder auch die Schlüssel auf der Kommode im Flur. Neben dieser stehen jede Menge Schuhe, die nicht mehr in den Schrank gepasst haben oder die ich oft und gerne anziehe. Auch in der Küche ist es nie dermaßen aufgeräumt, meistens steht irgendetwas auf der Spüle und die unerledigte Post liegt auf dem Küchentresen. Man wohnt schließlich in den eigenen vier Wänden, dementsprechend sollte es auch danach aussehen.

      »Äh... möchten Sie Milch oder Zucker?«, fragt mich Kämmerer nun und reißt mich aus meiner stummen Betrachtung.

      Ich schüttele den Kopf. »Nein, danke. Ich trinke ihn schwarz.«

      Wir setzen uns und ich probiere einen Schluck von dem dampfenden Gebräu, das eine perfekte, dicke Schicht Crema hat. Kämmerer dagegen lehnt sich in seinem Stuhl zurück und starrt stumm auf die Tasse vor ihm.

      »Der ist echt gut«, lobe ich betont ungezwungen, suche dabei jedoch krampfhaft nach einem unverfänglichen Gesprächsbeginn.

      Der Mann mir gegenüber nickt, schaut kurz zu mir auf und senkt dann jedoch sofort wieder den Blick, ohne zu antworten oder seinen eigenen Kaffee anzurühren. Zwischen uns breitet sich eine unangenehme Stille aus, die lediglich vom Ticken der altmodischen Uhr an der Wand unterbrochen wird.

      Madre de Dios, ist das mühselig! Ehrlich, das habe ich nicht erwartet. Immerhin habe ich es hier mit einem Stand-up-Comedian zu tun. Sind das nicht für gewöhnlich total extrovertierte Typen, die einen Gag nach dem anderen heraushauen?

      »Irina Rahlbach hat mich beauftragt, Ihr Management zu übernehmen«, beginne ich wohlüberlegt. »Ich mag übrigens Ihren Podcast, daher hat es mich gefreut, Sie zukünftig betreuen zu dürfen.«

      Kämmerer verzieht für einen winzigen Moment den Mund, presst dann aber seine Lippen aufeinander und nickt lediglich knapp.

      »Wie sind Sie überhaupt auf die Idee mit Tobis Kämmerlein gekommen?«, frage ich, um überhaupt irgendeine Reaktion zu provozieren.

      »So nebenbei.« Er zuckt verhalten die Schultern.

      »Neben Ihrer anderen Arbeit?«, hake ich spontan nach. Schließlich kann man zumindest am Anfang, wenn man so etwas wie einen Podcast beginnt und er noch nicht bekannt ist, kaum davon leben. Er muss also noch einen anderen Job haben oder gehabt haben.

      Endlich hebt er den Blick und schaut mir in die Augen. Dabei huscht ein Stirnrunzeln über sein Gesicht, das mir zeigt, dass er mir keineswegs vertraut und unschlüssig ist, welche Informationen er preisgeben soll.

      »Hat sich so ergeben«, weicht er mir jedoch erneut aus.

      Oh Mann, wenn das so weitergeht, beiße ich hier gleich in die blank polierte Tischplatte!

      »Tobias, ich will Sie hier nicht aushorchen«, mahne ich, obwohl ich natürlich genau das vorhabe. »Ich denke bloß, wenn wir zukünftig zusammenarbeiten und ich Ihre weitere Karriere vernünftig begleiten soll, sollte ich vorab ein paar Dinge über Sie wissen.« Er reagiert nicht, daher setze ich meinen geübten Dackelblick auf und lege noch mal eine Schippe drauf. »Ich bin, wie gesagt, beauftragt worden, mich um Sie zu kümmern. Das bedeutet, dass ich mich ab sofort mit Ihren Anliegen beschäftigen und rund um die Uhr für Sie erreichbar sein werde. Egal, ob bei Tag oder in der Nacht. Ich bin für Ihre Ideen offen und hoffe, Ihnen dafür im Gegenzug meine Vorschläge unterbreiten zu dürfen. Das sind allerdings immer nur Empfehlungen. Was Sie daraus machen, überlasse ich ausschließlich Ihnen. Sie sind zu nichts verpflichtet, aber ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie sich meine Ratschläge anhören und zu Herzen nehmen würden.«

      Ich mache eine kleine Pause und lasse ihn in Ruhe nachdenken. Zwar kann ich sehen, wie es in ihm arbeitet, doch er lässt sich wirklich Zeit. Dann jedoch kräuseln sich seine Lippen und er verengt die Augen, als wäre ihm ein Gedanke gekommen.

      »In Ordnung. Sie erzählen mir drei Funfacts zu Ihrer Person, die ich eventuell in einer Podcastfolge verwerten darf, dafür zeige ich Ihnen, womit ich hauptberuflich meine Brötchen verdiene«, schlägt er bierernst vor.

      »Funfacts? Zu meiner Person?« Ich hebe erstaunt die Augenbrauen. Damit habe ich nicht gerechnet.

      »Ja, Sie wissen schon.« Für den Bruchteil einer Sekunde huscht ein Lächeln über sein Gesicht, seine ernste Miene entspannt sich sichtlich. »Irgendwelche außergewöhnlichen Dinge, die Sie betreffen. Etwas, das Sie von anderen Leuten unterscheidet.«

      »Ich trinke meinen Kaffee schwarz«, kontere ich trocken und deute auf die halb geleerte Tasse.

      »Oh


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