Das Pfannen-Deckel-Prinzip. Bianca Nias

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Das Pfannen-Deckel-Prinzip - Bianca Nias


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die Weiterentwicklung seiner Karriere geht. Und ich habe nicht einmal ansatzweise eine Ahnung, warum er das macht.«

      Ich richte mich unwillkürlich auf dem unbequemen Designerstuhl auf und setze mich gerade hin. »Sie meinen, selbst Sie wissen nichts über ihn als Privatperson und seinen persönlichen Hintergrund?«

      Frau Rahlbach nickt energisch.

      »Gar nichts«, bestätigt sie und seufzt erneut. »Das macht es schwer, ihn einzuschätzen und herauszufinden, womit ich ihn locken kann. Er blockt rigoros alles ab, gleichgültig welche Ideen wir bisher für ihn ausgearbeitet haben. Zwar steigt sein Bekanntheitsgrad unaufhörlich, aber wenn wir ihn nicht bald mit einem Bühnenprogramm ankündigen, wird er irgendwann wieder in die Bedeutungslosigkeit abtauchen. Dabei kann ich mich vor lukrativen Anfragen für Interviews, Talkshows und sogar vor einigen TV-Produktionen kaum noch retten!« Sie ringt fassungslos die Hände.

      Ich schlucke trocken und mir entfährt ein missmutiges Brummen. Dieser Tobi Kämmerer scheint ein komischer Vogel zu sein. Viele Künstler sind seltsame Typen und haben jede Menge merkwürdiger Macken. Vielleicht ist das so, wenn man eine kreative Ader hat. Normal und durchschnittlich sind jedenfalls die wenigsten von ihnen, das habe ich zu Beginn meiner Berufstätigkeit, also vor etwas mehr als acht Jahren, relativ schnell herausgefunden.

      »Und genau dafür habe ich Sie eingestellt«, unterbricht Frau Rahlbach meine Gedankengänge.

      »Äh… wofür genau?«, hake ich verblüfft nach.

      »Für die Betreuung von Tobi Kämmerer.« Sie nickt selbstgefällig. »Ich wusste sofort, Sie sind der richtige Mann dafür, ihn aus seinem Kämmerlein heraus und auf eine große Bühne zu bringen.«

      Ich kann gerade noch verhindern, ein frustriertes Stöhnen auszustoßen.

      Oh Mann! Ich dachte, meine Qualifikationen wären gut genug, um endlich mit den Größen des Showbiz zusammenarbeiten zu können! Dabei spreche ich fünf Sprachen fließend, habe einen hervorragenden Abschluss an der Uni hingelegt und kann auf eine mehrjährige Erfahrung in einer mittelständigen Konzertagentur zurückgreifen. Jetzt gleich als Erstes mit einem Comedian arbeiten zu müssen, an den nicht einmal Irina Rahlbach mit ihrer jahrelangen Berufserfahrung herankommt, fühlt sich eher wie eine Bestrafung an.

      »Sehen Sie es als Bewährungsprobe«, mahnt meine Chefin nun auch, die meinen entgeisterten Gesichtsausdruck bemerkt haben muss. »Überzeugen Sie Kämmerer, ein Bühnenprogramm zu schreiben und es spätestens im Sommer in der Stadthalle aufzuführen. Wenn Sie das schaffen, verkürze ich nicht nur Ihre Probezeit, sondern lasse Sie danach an die richtig dicken Fische ran. Wie zum Beispiel an die Konzerttournee der Unborn Killers in den Staaten im kommenden Jahr.«

      Sie zwinkert mir aufmunternd zu, währenddessen entwischt mir ein überraschtes Schnaufen. Die Unborn Killers? Oh fuck, die weltweit bekannte Metalband ist der Oberhammer! Die ist tatsächlich ein dicker Fisch. Ach, was! Die ist eher ein Walfisch!

      »In Ordnung, abgemacht. Ein Bühnenprogramm in der Stadthalle von und mit Tobias Kämmerer.« Ich straffe mich, stehe auf und strecke Frau Rahlbach meine Hand entgegen. Sie erwidert meinen Handschlag fest.

      Nun denn, die Herausforderung nehme ich an. Irgendetwas wird mir schon einfallen, wie ich an Kämmerer herankomme und ihn umstimme. Bisher habe ich noch jedes Problem mit viel Ruhe, guten Einfällen und dank meiner Überzeugungskraft lösen können.

      Das wäre doch gelacht, wenn ich den Mann nicht dazu bringen könnte, seiner Karriere den richtigen Kick zu geben!

      Tobias

      Ich habe gerade die Einkäufe weggeräumt und die Waschmaschine angeworfen, als es an der Tür klingelt. Wohlgemerkt direkt an der Wohnungstür, nicht unten am Hauseingang. Irritiert schaue ich auf meine Armbanduhr. Es ist kurz vor siebzehn Uhr. Wer will denn an einem Samstagnachmittag um diese Uhrzeit noch etwas von mir? Das kann eigentlich nur Frau Schmittmann von gegenüber sein, die sich ein Ei oder eine Tasse Zucker borgen will. Die Frau ist schon weit über achtzig, backt aber noch jeden Samstag einen Kuchen, weil sonntagnachmittags ihre Familie zu Besuch kommt. Nur vergisst sie oft etwas beim Einkaufen, das sie sich dann bei mir borgt. Im Austausch dafür bringt sie mir immer ein Stück von ihrem leckeren Backwerk vorbei.

      Natürlich schaue ich trotzdem durch den Türspion, die Klinke schon in der Hand, um zu öffnen – und halte abrupt inne. Es ist nicht Frau Schmittmann, sondern ein fremder Mann. Aufgrund der Fischaugenperspektive, die man beim Blick durch den kleinen Türspion hat, wirkt sein Kopf mit den dunklen Haaren total verzerrt, als wäre er so groß und rund wie ein Wasserball. Er ist allein, also kann das keiner der Zeugen Jehovas oder ein ähnlicher Klinkenputzer sein. Die kommen eher zu zweit.

      »Ja, bitte?«, frage ich durch die geschlossene Tür hindurch.

      »Hallo, mein Name ist Luíz da Silva von der Agentur Irkko«, antwortet der Mann höflich. »Herr Kämmerer, haben Sie einen Augenblick Zeit für ein Gespräch?«

      Aha. Er kommt also von meiner Agentur. Von der kann kein irrer Fremder oder potenzieller Axtmörder etwas wissen, weil diese Information nicht auf meiner Webseite oder sonst irgendwo im Internet auftaucht. Trotzdem zögere ich. Bisher habe ich immer nur direkt mit Irina Rahlbach Kontakt gehabt. Obwohl, hatte sie nicht in einem unserer letzten Gespräche erwähnt, dass sie mir demnächst einen ihrer Mitarbeiter an die Seite stellen will? Das hätte ich zwar gerne abgelehnt, aber ich kann von Irina nicht verlangen, dass sie sich persönlich um mich kümmert. Als Chefin der Agentur hat sie bestimmt jede Menge anderer Dinge zu tun. Was will aber nun dieser Mitarbeiter von mir? Bestimmt dasselbe, was ich vorhin Irina auszureden versucht habe. Irgendwie muss ich den Kerl schnellstmöglich wieder loswerden.

      Kurzentschlossen öffne ich die Tür – und schaue in die bemerkenswertesten Augen, die ich je gesehen habe. Wie erstarrt halte ich inne und kann den Blick nicht von ihnen abwenden.

      Gütiger Himmel!

      In meinem Kopf überschlagen sich die Gedanken, gleichzeitig bin ich wie gelähmt. Die eine Hälfte von mir analysiert sofort, ob es eher an ihrer schokoladenbraunen Farbe liegt, dass ich die Augen dieses Mannes so faszinierend finde, oder ob es die Form ist. Perfekt unperfekt, einzigartig und außergewöhnlich, weil sein rechtes Augenlid eine winzige Nuance tiefer hängt als das andere. In den Augenwinkeln haben sich einige gut aussehende Lachfältchen in die gebräunte Haut gegraben, die den Eindruck vermittelt, dass er sich häufig im Freien aufhält. Dagegen will die andere Hälfte meines Selbst nur noch einen schmachtenden Seufzer loslassen, den ich mühevoll unterdrücke.

      »Hallo«, bringe ich mit brüchiger Stimme heraus und räuspere mich verhalten.

      »Auch hallo.« Mein Gegenüber scheint zum Glück von meinem inneren Aufruhr nichts mitzubekommen.

      Grundgütiger, der Typ hat eine Ausstrahlung, die mich einfach aus den Socken haut. Wie aus dem Nichts heraus zaubert er plötzlich eine Visitenkarte hervor und hält sie mir unter die Nase.

      »Meine Karte«, sagt er und nickt mir aufmunternd zu, weil ich noch immer wie vom Donner gerührt hier stehe und mich nicht bewegen kann.

      Eher reflexartig greife ich zu und nehme das Kärtchen entgegen. Luíz da Silva, Künstleragent, steht dort in klarer, schnörkelloser Schrift, darunter seine Kontaktdaten bei Irkko und eine Handynummer. Ich schlucke hart und räuspere mich erneut, doch mehr bekomme ich neben Atmen gerade nicht zustande.

      »Darf ich reinkommen?«, fragt er nun und hebt eine seiner wohlgeformten Augenbrauen.

      Herrje, ich stehe hier wie angewachsen und mache mich gerade voll zum Deppen! Bewusst langsam atme ich aus und reiße mich zusammen, um endlich gegen den Totalausfall meiner Muttersprache anzukommen. Statt einer Antwort wedele ich lediglich mit der Hand, in der ich noch seine Karte halte, mache aber gleichzeitig die Tür weit auf und trete einen Schritt zurück, um ihn einzulassen.

      Irinas Mitarbeiter geht an mir vorbei, hält aber nach zwei Schritten wieder an und wartet höflich, bis ich die Wohnungstür geschlossen habe.

      »Bitte.«

      Ich deute auf das linkerhand liegende


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