Das Pfannen-Deckel-Prinzip. Bianca Nias

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Das Pfannen-Deckel-Prinzip - Bianca Nias


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einem makellosen, dunkelblauen Anzug steckt. Er ist etwa Mitte dreißig, damit vielleicht ein paar Jahre älter und auch ein gutes Stück größer als ich. An Letzteres bin ich allerdings gewöhnt. Bei meinen knapp einen Meter siebzig bekomme ich es überwiegend mit Männern zu tun, die mich locker überragen. Seine dunklen, fast schwarzen Haare trägt er kurz und das Jackett betont seine breiten Schultern.

      Mein Blick wandert automatisch hinunter zu seinen Tretern. Meine Eltern führen ein Schuhgeschäft in der Innenstadt, in dem ich quasi zwischen Turnschuhen, Pumps und edlen italienischen Herrenschuhen aufgewachsen bin.

      Schau dir immer zuerst die Schuhe eines Menschen an, hat mir meine Mutter eingeschärft. Mit derselben Wertschätzung, wie jemand sie behandelt, behandelt er auch dich.

      Hm, er trägt klassische und damit zeitlose, cognacfarbene Derby-Schuhe, die nicht nur sorgfältig gepflegt sind, sondern auch perfekt zu dem Einreiher passen. Geschmack scheint er jedenfalls zu haben – oder eine Frau, die ihm morgens die Klamotten aussucht.

      »Oh, Sie haben eine Katze!«, bemerkt er in diesem Moment und geht schnurstracks auf den Kratzbaum in der Ecke zu, auf dem Duchesse sitzt und wie gewohnt aus dem Fenster schaut.

      »Nein, nicht...«

      Ich will ihn noch zurückhalten, doch da streckt er bereits eine Hand nach meiner Katzendame aus und mir bleibt die Warnung im Hals stecken. Stumm kann ich nur zuschauen, wie er Duchesse zunächst an seinen Fingern riechen lässt und sie gleich darauf vorsichtig im Nacken krault. Und was macht das sonst so unnahbare Katzenvieh? Es kneift die grünen Augen zusammen, blinzelt – und schmiegt den Kopf in die Handfläche des völlig fremden Kerls!

      Mir entkommt ein fassungsloses Ächzen. Das hat sie noch nie gemacht! Duchesse ist normalerweise keine Schmusekatze, selbst ich kann sie höchstens dann gefahrlos anfassen und ihr kurz den Kopf tätscheln, wenn sie es ausdrücklich einfordert und mir um die Beine streicht. Meistens schlägt sie sofort mit ausgefahrenen Krallen zu, wenn man sich ihr nähern will, und verschwindet dann erbost in ein anderes Zimmer.

      Nun aber erklingt ein raues Schnurren, während sie ihren Kopf an der Hand reibt und es sich sichtlich angetan gefallen lässt.

      »Du bist aber eine hübsche Maus«, schmeichelt mein Besucher leise und mit sanfter Stimme, dann dreht er sich mit einem strahlenden Lächeln zu mir um. »Ein Mädchen, nicht wahr? Wie heißt sie denn?«

      »Duchesse«, antworte ich, noch immer reichlich perplex.

      Oh Mann, der Typ streichelt meine Katze und mir stellen sich spontan die Nackenhaare auf, weil ich gerade das Bedürfnis verspüre, von ihm genauso gekonnt und hingebungsvoll gekrault zu werden. Ich schüttele den Kopf, um endlich wieder zur Vernunft zu kommen.

      »Was kann ich für Sie tun?«, beginne ich, um wenigstens ein sachliches Gespräch zustande zu bekommen.

      »Die Frage ist eher, was ich für Sie tun kann«, erwidert da Silva jedoch. Ungeniert schaut er sich in meinem Wohnzimmer um. »Nett haben Sie es hier.« Er deutet auf das Bücherregal, das die gesamte Wand gegenüber der Couch einnimmt. »Haben Sie etwa keinen Fernseher?«

      »Nein.« Ich runzele missbilligend die Stirn. Was soll das hier werden? Wozu die Frage?

      »Okay.« Da Silva zuckt mit den Schultern. »Da Sie mit Ihrem Podcast immer topaktuell sind, vermute ich, Sie beziehen Ihre Informationen aus dem Internet?«

      »Unter anderem«, weiche ich aus, nicke aber dabei. Gut, so langsam finde ich mein durcheinandergeratenes Gleichgewicht wieder. »Warum sind Sie hier, Herr... da Silva?«

      Betont reserviert schaue ich dabei nochmals auf die Visitenkarte in meiner Hand, als hätte ich seinen Namen schon wieder vergessen. Was ich natürlich nicht habe. Irgendwo zwischen meinen Ohren rollt sein wohlklingender Name hin und her, dreht sich im Kreis und will unbedingt von einem entzückten Seufzer kommentiert werden, den ich mir allerdings mühsam verkneife und ihn stattdessen schnell in ein Hüsteln umwandele.

      »Um Sie kennenzulernen.« Er sieht mich mit einem Gesichtsausdruck an, den ich unmöglich deuten kann. »Bitte, nennen Sie mich Luíz. Ich finde, das macht die Sache immer wesentlich angenehmer.«

      Bloß nicht!, wehrt mein normales Ich auf der Stelle panisch ab. Wenn du dich darauf einlässt, bist du innerhalb der nächsten halben Stunde zu allem Überfluss auch noch per Du mit ihm!

      Luuuíííízzzzz, schnurrt dagegen eine andere, reichlich sehnsuchtsvolle Stimme in mir, die total hingerissen ist und mir gleich darauf völlig unangemessene Bilder in den Kopf pflanzt. Mir wird schlagartig heiß und ich hoffe, dass ich nicht puterrot anlaufe.

      Verdammt, der Name ist aber auch wie dafür gemacht, um ihn beim Sex zwischen einem Stöhnen und einem Seufzen zu zelebrieren, als Liebkosung und Aufforderung zugleich.

      »Okay, Luíz. Wie ich heiße, wissen Sie ja«, höre ich mich zu meinem eigenen Erstaunen sagen. Verlegen fuchtele ich mit der Linken in der Luft herum. »Möchten Sie sich nicht setzen?«

      Meine anerzogene Höflichkeit siegt zu meinem Leidwesen über den Wunsch, den ungebetenen Gast schnellstmöglich wieder aus meiner Wohnung hinaus zu komplementieren.

      »Ja, danke.« Er nickt, dreht sich um und lässt sich elegant auf der bequemen, mit hellblauem Stoff bezogenen Couchgarnitur nieder. Überraschenderweise maunzt Duchesse, hüpft postwendend vom Kratzbaum und folgt ihm. Mit einem Satz springt sie auf die Couch, setzt sich neben ihn und blinzelt ihm hoheitsvoll zu.

      Ich sinke auf den Sessel, der mir am nächsten steht, springe aber gleich darauf wie von der Tarantel gestochen wieder auf.

      »Äh... kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Einen Kaffee?«, platzt es aus mir heraus.

      Im nächsten Moment will ich mir schon mit der flachen Hand vor die Stirn schlagen. Verdammt, es ist fast schon Abend und damit sicherlich viel zu spät für eine Koffeinspritze, doch mein Besuch nickt sofort und lächelt erneut.

      »Gerne. Ein Kaffee wäre nett.«

      Ich drehe auf dem Absatz herum und flüchte in die gegenüberliegende Küche. Dort angekommen bleibe ich wie angewurzelt stehen und atme tief durch.

      Mensch, Tobi, jetzt krieg dich wieder ein!

      Ich stelle mich ja an, als hätte ich noch nie einen fremden Kerl in meiner Wohnung empfangen. Habe ich zwar auch schon lange nicht mehr, aber das muss ja niemand wissen. Großer Gott, ich bin völlig durcheinander und total überfordert. Das Einzige, was mir dagegen immer hilft, ist es, den nächsten Schritt anzugehen und vorübergehend alles andere auszublenden.

      Also wackele ich mit noch immer verflucht weichen Knien zum Kaffeeautomaten hinüber, schalte ihn an und hole zwei Tassen mit den dazu passenden Untersetzern aus dem Schrank, während die Maschine das Wasser vorheizt.

      »Oh, das habe ich jetzt nicht erwartet«, erklingt jedoch plötzlich eine Stimme hinter mir, während ich gerade zwei Kaffeelöffel aus der Besteckschublade fische.

      Erschreckt wirbele ich herum, dabei flutscht mir eines der Löffelchen aus der Hand, fliegt zu Boden und hüpft scheppernd über die Fliesen.

      »Was denn?«

      Herrgott, ist das peinlich! Mit nun sicherlich hochrotem Kopf bücke ich mich, um den Löffel aufzuheben, doch Luíz ist schneller. Hastig zucke ich zurück, bevor ich ihn zufällig berühre. Nahezu synchron und im Zeitlupentempo richten wir uns wieder auf und Luíz reicht mir mit einem Grinsen den heruntergefallenen Löffel.

      »Sorry, ich wollte dich... äh, ich wollte Sie nicht erschrecken«, entschuldigt er sich und deutet dann auf meine Küchenzeile. »Ich meinte übrigens die Einrichtung. Sehr... außergewöhnlich.«

      Ich runzele irritiert die Stirn und lasse den Teelöffel in der Spülmaschine verschwinden, bevor ich einen neuen aus der Schublade hole und ihn sicherheitshalber sofort auf dem Unterteller platziere. Wieso außergewöhnlich? Wie hat er das jetzt gemeint? Ist das positiv oder negativ?

      »Ich hab den amerikanischen Retro-Kühlschrank bei einem Preisausschreiben gewonnen. Also blieb


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