Das Pfannen-Deckel-Prinzip. Bianca Nias

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Das Pfannen-Deckel-Prinzip - Bianca Nias


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grinse verwegen. Egal wie, endlich entwickelt sich so etwas wie ein Gespräch zwischen uns.

      »Hm, lassen Sie mich kurz überlegen«, brumme ich und fange tatsächlich an zu grübeln. Irgendwie fühle ich mich in der Pflicht, jetzt etwas total Abgefahrenes über mich zu erzählen – dabei bin ich bloß ein ganz gewöhnlicher Typ.

      »Ich spreche fünf Sprachen, die sechste lerne ich gerade«, beginne ich.

      »Welche Sprachen?«, hakt er sofort nach.

      »Natürlich deutsch, weil ich hier aufgewachsen bin. Portugiesisch ist meine eigentliche Muttersprache, das wird bei uns zu Hause gesprochen«, erkläre ich frei heraus. »Daneben noch Spanisch, Englisch und Französisch. An meinem Italienisch arbeite ich noch.«

      »Okay, das lasse ich gerade so durchgehen, obwohl ich jetzt so etwas wie Chinesisch oder Japanisch erwartet habe«, unkt Kämmerer und grinst verwegen. Allmählich scheint er lockerer zu werden. »Was noch?«

      »Ich hab mal Micky Krause ohne Perücke gesehen«, platzt es aus mir heraus – und bekomme ein ausgelassenes Lachen zur Antwort. Befreit falle ich darin ein.

      »Das gehört allerdings wohl eher in die Rubrik der traumatischen Erlebnisse als zu den Funfacts«, kommentiert Kämmerer und wischt sich die Lachtränen aus den Augen.

      Ich schmunzele unverhohlen. Es ist schön, ihn lachen zu hören. Ich bin noch immer total fasziniert von seiner angenehmen Stimme, doch sein Lachen ist noch viel netter. Es hat einen unwahrscheinlich melodischen Klang, bei dem man sich wünscht, es öfter zu hören.

      »Der zählt jetzt aber trotzdem«, fordere ich gespielt beleidigt und verschränke die Arme vor der Brust. »Damit bin ich nur noch einen Funfact schuldig.«

      »Okay, okay.« Er winkt lässig ab. »Und was ist Ihre Nummer drei?«

      »Über die muss ich länger nachdenken«, gebe ich zu. Ich erhebe mich von meinem Stuhl und reiche ihm meine Hand. »Bis zu unserem nächsten Treffen ist mir etwas eingefallen. Wann haben Sie denn Zeit?«

      »Morgen nach der Aufnahme.« Er steht ebenfalls auf und ergreift zögernd meine Hand. Seine Finger fühlen sich kühl an, seine Hand ist relativ schmal und zartgliedrig, trotzdem ist sein Händedruck angemessen fest. »Also nach sechzehn Uhr, bis dahin bin ich mit der Folge fertig.«

      »Ist es recht, wenn ich so gegen siebzehn Uhr vorbeischaue?«, frage ich vorsichtig.

      Kämmerer nickt zur Bestätigung. Seine blassen Wangen bekommen plötzlich einen Hauch mehr Farbe, dann entzieht er mir seine Hand und versteckt sie hinter seinem Rücken. Erst in dem Moment fällt mir auf, dass ich diese nicht nur ungebührlich lang festgehalten hatte, sondern auch unbewusst einen Schritt auf ihn zugegangen war und damit den allseits üblichen Höflichkeitsabstand nicht eingehalten hatte. Oh je, das war einfach ungehobelt von mir. Einer nahezu fremden Person rückt man nicht derart auf die Pelle. Ich wollte ihn damit ganz bestimmt nicht in Verlegenheit bringen.

      »Sorry«, murmele ich und trete von ihm zurück. »Dann bis morgen«, verabschiede ich mich höflich. »Ich finde allein raus.«

      »Bis morgen«, antwortet er leise.

      Ich verlasse die Wohnung mit einem seltsamen Wirrwarr an Gefühlen. Einerseits freut es mich, dass Kämmerer ein wenig aufgetaut ist, doch ein paar seiner Reaktionen kann ich nicht genau einordnen und ich weiß noch nicht, wie es weitergehen wird.

      Das wird mir hoffentlich unser nächstes Treffen zeigen.

      Kapitel 2

      Tobias

      Die Wohnungstür wird mit einem leisen Klicken ins Schloss gezogen, doch ich stehe noch immer wie festgewachsen an derselben Stelle und kann mich nicht rühren.

      Probehalber wackele ich zunächst mit dem Kopf, dann kreise ich die Schultern und schüttele die Arme aus, um diese altbekannte und äußerst lästige Starre loszuwerden. Dabei wiederhole ich in Gedanken unser Gespräch, von der Begrüßung bis zum letzten Satz.

      Unglaublich!

      Ich habe tatsächlich ein halbwegs normales Gespräch mit einem völlig fremden Menschen geführt! Und ihm dabei sogar direkt in die Augen geschaut!

      Sicherlich hat es damit zu tun, dass ich Luíz in meinen vier Wänden empfangen habe. Im vertrauten Umfeld meiner Küche ist es mir plötzlich leichtgefallen ihn anzusehen, zu antworten und sogar ganz normal mit ihm zu lachen. Vielleicht hat mir aber auch seine direkte Art geholfen, nicht wie üblich ins Stottern zu geraten und mich dann völlig zu verschließen. Solange sich andere Menschen konkret ausdrücken, habe ich kaum Probleme mit Kommunikation.

      Oh Mann, Jasmin wird stolz auf mich sein. Das muss ich ihr später erzählen. Nein, eher jetzt sofort. Ein Blick auf die Küchenuhr verrät mir, dass es auf achtzehn Uhr zugeht. Ihre Schicht im Rathauscafé endet um sieben, also muss ich auf der Stelle los.

      Duchesse schlendert mit hoch erhobenem Haupt in die Küche, schaut sich um und maunzt enttäuscht.

      »Nein, er ist schon wieder weg«, brumme ich zur Antwort. »Aber er kommt morgen wieder.«

      »Mau-mauuuuu«, klagt sie, setzt sich neben ihren Napf und starrt mich herausfordernd an.

      »Abendessen gibt es erst um neunzehn Uhr«, erinnere ich sie wie so oft. »Ich gehe noch mal weg, bin aber gleich wieder da. Sei schön lieb.«

      Schnell schütte ich den Kaffee aus meiner Tasse in die Spüle, lasse Wasser nachlaufen und trockne das Becken mit dem Handtuch wieder aus, bevor ich das Geschirr in die Spülmaschine stelle. Ich weiß, es ist eine seltsame Eigenart von mir, dass ich mir immer selbst einen Kaffee zubereite, obwohl ich ihn sowieso nicht trinke. Ich mag den Geschmack nicht, will aber auch nicht, dass mein Besuch denkt, es wäre unangemessen, mich um eine Tasse zu bitten. Das mache ich sogar, wenn Mama oder Jasmin zu Besuch kommen, obwohl sie anfangs versucht haben, mich davon abzuhalten.

      Jetzt muss ich mich aber wirklich beeilen. Vollkommen euphorisch renne ich in den Flur, hole meine Schuhe aus dem Schränkchen, schlüpfe in den einen, angele mit dem Fuß nach dem anderen – und falle dabei um wie ein nasser Sack.

      Aua!

      Zum Glück krache ich bloß mit der Schulter gegen die Wand, nicht mit dem Kopf. Trotzdem gehe ich nahezu ungebremst zu Boden und lande auf dem Allerwertesten. Ich stöhne, rolle mich auf die Seite, krümme mich zusammen und warte, bis der Schmerz nachlässt und ich wieder einigermaßen normal atmen kann.

      Verdammter Mist. Das ist mir nicht zum ersten Mal passiert und ich ermahne mich selbst, zukünftig besser aufzupassen und mich beim Schuhe anziehen hinzusetzen. Um meine motorischen Fähigkeiten ist es nicht so gut bestellt, als dass ich auf einem Bein stehen könnte. Wie konnte ich das vergessen! Offenbar bin ich noch immer vollkommen durcheinander.

      Entschlossen mahne ich mich zu mehr Ruhe, rappele mich wieder hoch und ziehe den anderen Schuh im Sitzen an. Anschließend greife ich nach meiner Jacke und vergewissere mich, dass ich alles dabei habe.

      Schlüssel, Brieftasche, Handy. Die Waschmaschine ist mit dem Kurzprogramm zwischenzeitlich fertig und hat abgepumpt, daher gehe ich noch ins Bad und drehe den Hahn wieder zu. Gut, dann kann es ja losgehen.

      Ich verlasse das Haus und wende mich nach links, in Richtung Altstadtviertel. Es regnet ziemlich stark, doch das schmälert meine gute Laune nicht. Bis zum Rathauscafé sind es zu Fuß nur fünf Minuten und ich bin ziemlich durchnässt, als ich dort ankomme. Die getönten Fensterscheiben des historischen Gebäudes sind hell erleuchtet, der warme Lichtschein wirkt richtig einladend. Ich betrete das kleine Café und sauge den altbekannten, vertrauten Geruch in mich ein. Hier duftet es immer gleich, nämlich nach Kaffee, frisch gebackenen Kuchen und den gebohnerten Dielen. Über allem liegt der spezielle Geruch des alten Gemäuers, dem die Geschichte des denkmalgeschützten Hauses anhaftet.

      Bei dem Wetter und um diese Uhrzeit sind keine Gäste mehr hier, doch ich entdecke Jasmin sofort, die die ruhige Stunde nutzt, um die Tische neu einzudecken und für den nächsten Tag vorzubereiten.


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