Das Pfannen-Deckel-Prinzip. Bianca Nias

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Das Pfannen-Deckel-Prinzip - Bianca Nias


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kaum erwarten, mit der Arbeit endlich richtig loszulegen.

      Frau Rahlbach hat allerdings schon seit mehreren Minuten einen Kunden am Apparat, den sie regelrecht umgarnt, einem Bühnenprogramm zuzustimmen. Da sie ihn mit Tobias anredet und die Rede von einem Podcast ist, weiß ich sofort, mit wem sie gerade spricht. Schließlich bin ich ein Profi. Es kann sich bei ihrem Gesprächspartner nur um Tobias Kämmerer handeln, der den Podcast Tobis Kämmerlein produziert. Warum sie mich vorhin zu sich gerufen hatte, noch bevor sie das Telefonat begonnen hat, weiß ich nicht, aber ich werde es bestimmt bald erfahren.

      Kämmerer ist ein absolut begnadeter Comedian, der mit viel Witz und einer guten Portion Ironie das Weltgeschehen auseinandernimmt und der Gesellschaft dabei einen Spiegel vorhält. Beim Zuhören wird man nicht nur von seiner warmen, unwahrscheinlich sexy klingenden Stimme eingenommen, sondern muss auch ihm und seinen geistreichen Gedankengängen überwiegend zustimmen. Ich würde nicht so weit gehen, mich als Fan von Tobis Kämmerlein zu bezeichnen, aber die Art, wie sein Macher dieses Medium nutzt und ihm seinen eigenen Stempel aufgedrückt hat, ist wirklich außergewöhnlich.

      Meine Chefin beendet nun das Gespräch und wirft ihr Handy anschließend mit einem wütenden Schnauben auf den Schreibtisch. »Gottverdammte Scheiße!«, flucht sie wenig damenhaft. »Der Kerl raubt mir noch den letzten Nerv!«

      Sie steht von ihrem Chefsessel auf und wandert zum großen Panoramafenster hinüber, aus dem man einen beeindruckenden Blick über die Skyline der Innenstadt hat. Dabei wendet sie mir den Rücken zu und beachtet mich überhaupt nicht mehr, als hätte sie meine Anwesenheit völlig ausgeblendet.

      »Was halten Sie von ihm?«, fragt sie jedoch so plötzlich, dass ich mich unwillkürlich im Raum umsehe, um festzustellen, ob sie tatsächlich mich meint oder mit jemand anderem spricht.

      »Äh… von Tobias Kämmerer?« Verblüfft drehe ich mich in ihre Richtung und muss sofort wieder mit dem Gleichgewicht kämpfen, um nicht von diesem verflixten Stuhl zu fallen.

      »Ja.« Sie seufzt vernehmlich und verschränkt die Arme vor der Brust, während sie weiterhin aus dem Fenster schaut.

      Ich räuspere mich verhalten. »Nun ja, er ist…«

      »… als Kunde eine absolute Vollkatastrophe«, fällt mir Frau Rahlbach ins Wort. Ihre Stimme klingt dabei reichlich frustriert. Nun aber dreht sie sich wieder zu mir um und winkt energisch ab. »Möchten Sie etwas trinken? Einen Kaffee? Espresso?«

      Ihrem plötzlichen Themenwechsel kann ich nicht ganz folgen, schüttele aber abwehrend den Kopf.

      »Nein, danke.«

      »Ich brauche jetzt aber was.« Sie setzt sich wieder hinter ihren Schreibtisch, greift zum Telefonhörer und drückt eine Taste. »Merle, bringen Sie mir bitte einen doppelten Espresso und einen Cognac. Oder… ach, nein, eher andersherum. Einen Espresso und einen doppelten Cognac.«

      Ich kann ein Schmunzeln kaum unterdrücken. Meine neue Chefin, die ich als äußerst kompetent und energisch kennengelernt habe, ist anscheinend vollkommen durch den Wind.

      Die Tür zum Büro öffnet sich und Frau Rahlbachs Vorzimmerdame, Merle Zimmermann, kommt herein. Ihre mörderisch hohen Absätze versinken im dicken Teppich, mit dem das Büro ausgelegt ist. Zudem trägt sie einen knallengen Bleistiftrock, mit dem sie kaum einen Schritt vernünftig laufen kann. Sorgenvoll beobachte ich sie aus den Augenwinkeln, während sie uns entgegentippelt und das Tablett mit dem gewünschten Cognacschwenker und dem Kaffeetässchen zum Schreibtisch balanciert. Da der cremefarbene Teppichboden keinerlei Flecken aufweist, scheint sie diesen Balanceakt zu beherrschen, sonst sähe es hier ganz anders aus.

      Ehrlich, ich werde nie verstehen, warum sich manche Frauen so ein Outfit überhaupt antun. Merle ist eine sehr hübsche Frau, sie hätte es nicht nötig, sich derart aufzudonnern und auch noch pfundweise Make-up aufzutragen.

      Trotz der schwierigen Aufgabe, das Tablett unfallfrei über den Teppich zu jonglieren, lächelt mir Merle zu und schenkt mir einen koketten Augenaufschlag. Ich presse die Lippen aufeinander, schaue runter auf mich und wische nebenbei einen Fussel von meinem Knie.

      Herrgott, vom ersten Tag an hat Merle mir schöne Augen gemacht, wie man so schön sagt. Dass ich dagegen immun bin, ist ihr sicherlich nicht aufgefallen, weil ich noch nicht dazu gekommen bin, das klarzustellen. Als schwuler Mann hat man es in der Arbeitswelt nun mal nicht leicht, egal, in welchem Job man arbeitet. Zunächst muss man beweisen, was man draufhat, bevor an ein Outing überhaupt zu denken ist. Die Erfahrung habe ich zumindest beim ersten meiner bisherigen Arbeitgeber machen dürfen, danach bin ich vorsichtiger geworden.

      »Danke, Merle«, sagt Frau Rahlbach.

      Ich schaue wieder auf – und meiner Chefin genau in die Augen. Erst jetzt merke ich, dass sie mich die ganze Zeit über aufmerksam beobachtet haben muss. Ihr Gesichtsausdruck wirkt seltsamerweise triumphierend, was ich gerade nicht richtig einordnen kann. Trotzdem wartet sie, bis Merle das Tablett abgestellt und den Raum wieder verlassen hat.

      Frau Rahlbach greift nach der Espressotasse und nippt genüsslich daran. »Nun, Herr da Silva«, beginnt sie dann sachlich. »Ich denke, Sie haben meine Agentur, das Team und unsere Arbeitsweise in der letzten Woche bereits ein wenig kennenlernen dürfen.«

      Ich nicke knapp, obwohl es keine Frage war.

      »Bestimmt haben Sie dabei festgestellt, dass wir um einen sehr engen, freundschaftlichen und auch vertrauten Kontakt zu den Künstlern bemüht sind«, fährt sie fort.

      »Ja, das habe ich tatsächlich gleich zu Beginn gemerkt«, räume ich ein.

      Neben mir sind vierzehn weitere Mitarbeiter dafür zuständig, nicht nur die Verträge auszuhandeln, Termine zu organisieren und alles rund um die Events zu planen, sondern auch deren Durchführung zu begleiten und sicherzustellen, dass es den Künstlern und Schauspielern auf Konzerten, Tourneen, Modenschauen oder bei Dreharbeiten an nichts fehlt. Genau so, wie ich mir die Arbeit bei einer solch großen und bedeutenden Künstleragentur immer schon vorgestellt habe.

      »Normalerweise sind meine Klienten dankbar, dass wir nicht nur die Verhandlungen mit den Auftraggebern und Vertragspartnern führen und damit ihre Karriere in Schwung bringen, sondern sie auch bei ihren Auftritten begleiten und uns um alles kümmern«, fährt sie ernst fort. »Alle – bis auf Tobias Kämmerer.«

      Ich hebe fragend eine Augenbraue. Frau Rahlbach scheint langsam auf den Punkt zu kommen und ich ahne, dass mir nicht unbedingt gefallen wird, was als Nächstes kommt.

      »Was wissen Sie von Kämmerer?«, fragt sie nun.

      Verhalten zucke ich mit den Schultern. »Ich kenne seinen Podcast, weiß allerdings nicht, was er davor schon alles getan oder veröffentlicht hat. Seine wöchentlichen Beiträge haben zu recht viele Fans, sie sind echt klasse. Außergewöhnlich scharfsinnig, witzig und unterhaltsam.«

      Meine Chefin nickt bei jedem meiner Worte, macht dann aber eine abwehrende Handbewegung, die mich zum Verstummen bringt.

      »Ja, ja, das ist genau das, was jeder Podcasthörer sagen würde. Was ich aber meinte, ist: Was können Sie mir über die Person Tobias Kämmerer erzählen?«

      Ich runzele perplex die Stirn. Ist das eine Fangfrage? Oder testet Sie mein Wissen? Verdammter Mist, ich muss zugeben, dass ich über den Comedian rein gar nichts weiß. Ich habe nicht einmal ein Bild von ihm im Kopf.

      »Genau das ist das Problem.« Frau Rahlbach hat mir leider sofort angesehen, dass ich keinen Plan habe. Sie lächelt jedoch entspannt, legt die Fingerspitzen aneinander und lehnt sich mir ein Stück entgegen. »Keine Sorge, ich mache Ihnen keinen Vorwurf, dass Sie diese Frage nicht beantworten können. Niemand weiß etwas über ihn. Weder wie er aussieht noch wie alt er ist, wo er zur Schule gegangen ist oder welches Auto er fährt. Nicht einmal, dass er hier in der Stadt wohnt.«

      »Er hält sein Privatleben geheim?«, frage ich, obwohl die Antwort auf der Hand liegt. »Nun gut, das machen einige Promis. Die meisten wollen damit ihre Familie und ihre Kinder aus der Öffentlichkeit heraushalten, um sie zu schützen.«

      »Richtig, das wäre ein


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