Das Herz siegt. Auguste Groner

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Das Herz siegt - Auguste Groner


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in allen seinen Teilen, selbst den Stall und den Schupfen mußte man sich ansehen und wurde dann erst wieder in die trauliche Stube geführt, in welcher Eva zurückgeblieben war.

      Herr von Thorgau, welcher ihrer zuerst ansichtig wurde, erschrak, als er den vergrämten Zug sah, der sich in ihrem Gesichte ausprägte. Sie war so tief in ihren geheimnisvollen Schmerz versunken, daß sie sein Kommen gar nicht gewahrte; da redete er absichtlich laut zu den anderen und vermied es, sie anzusehen.

      Als man sich zur Heimfahrt anschickte, fand man sich in der alten Sitzordnung. Das Wetter war linder geworden. Es fing zu schneien an. Große, weiche Flocken taumelten durch die Luft. Hie und da flog eine Krähe von einem Baumwipfel. Die Wasser der Donau gurgelten leise, zuweilen klatschten ein paar Eisschollen zusammen. Die Pferde schnaubten manchmal.

      Eva war wieder in düsteres Schweigen verfallen.

      Herrn von Thorgaus Blick blieb verstohlen auf ihren heute so starren Zügen haften. Einmal sah er sie erschauern. Er zog die Pelzdecke enger um sie.

      Ein dankbarer Blick traf ihn. „Ihr seid gut“, murmelte Eva wie traumverloren.

      Thorgau atmete tief auf. „Euer Freund möchte ich sein“, sagte er ein bißchen leidenschaftlich.

      „Warum?“

      „Weil ich Euch dann fragen dürfte, was Euch so weh tut. Gestern noch stolz und froh und in wenigen Stunden so voll Trauer. Aber ich bin Euch ein Fremder … ich …“

      „Auch wenn Ihr mein Bruder wärt, könnte ich es Euch nicht anvertrauen, was mich so schwer getroffen hat“, sagte Eva. „Laßt mich für Euere Teilnahme danken und … Herr von Thorgau, ein Fremder seid Ihr mir nicht mehr …“

      „Nur eines laßt mich wissen“, bat der Freiherr, „kennt Ihr den, der Euch gestern anfiel?“

      „Nein.“

      „Und wißt noch immer nicht, warum die Tat geschah?“

      „Noch immer nicht.“

      „Vor doppelt Unbekannten kann Euch auch Euer Vater nicht schützen!“

      „Nein; keiner kann mich schützen, denn keiner weiß …“

      „Meint Ihr das wirklich?“ fragte Thorgau scharf.

      Eva sah ihm verwundert in die Augen. „An wen denkt Ihr?“ fragte sie hastig.

      „An den Grafen Lascienski.“

      „An ihn? Warum?“

      „Er hat gestern die Agraffe nicht zum erstenmal gesehen.“

      „Herr von Thorgaul“

      „Ihr und auch alle anderen habt ihn nicht so beobachtet wie ich; und so sah keiner sein Erschrecken. Er erkannte die Gefahr, in der Ihr geschwebt seid, und weiß, wer Euch anfiel.“

      Eine Weile starrte Eva vor sich hin, dann hob sie den Kopf und sagte hart: „Es ist möglich, daß Ihr recht habt. Seit gestern abends gibt es nichts, das ich nicht für möglich hielte. Nur begreife ich nicht …“ sie stockte.

      Der Hauptmann vollendete den begonnenen Satz: „Der Graf, der Euch zweifellos leidenschaftlich und zärtlich ergeben ist, hat selber mit der Tat nichts zu tun … aber … vielleicht geschah sie just seinetwegen? Euer Anbeter, Fräulein Eva, ist ein selten schöner Kavalier. Kann nicht Eifersucht den Mann von gestern gedungen haben?“

      „Es kann sein“, gab Eva seltsam gleichmütig zu. „Graf Lascienski ist tatsächlich ein so glänzender Kavalier, daß man ihn mir vielleicht nicht gönnt.“

      Sie lachte. War es nicht Hohn und Bitterkeit? Thorgau beugte sich vor, um in Evas Augen sehen zu können. Sie hatte eine pelzverbrämte, haubenartige Kopfbedeckung, die ihr Gesicht halb verhüllte. Als er dieses schöne Gesicht mit seinem Blick erreichte, erschrak er. Es war von Bitterkeit ganz entstellt und in den Augen funkelten Tränen.

      „Eva!“ murmelte er. „So kommt Euer Leid von dem, den Ihr liebt?“

      „Nie habe ich ihn geliebt. Nur meine Eitelkeit hat ihm zugestrebt, so lang ich ihn nicht kannte. Jetzt aber — jetzt …“

      „Seid Ihr frei von ihm?“ Thorgaus Stimme war voll von Innigkeit, sein Herz voll Glanz.

      Eva trocknete sich eine Träne. Ihr Gesicht wurde blaß und starr, als sie sagte: „Nein, ich bin nicht frei von ihm. Ich werde, wenn er es will — seine Frau werden.“ Auf diese Worte hin herrschte lange Zeit Schweigen.

      In der Dämmerung langte man in Wien an.

      Der Magister Schmutz, bei dem Thorgau schon etlichemale wie auch jetzt wohnte, besaß ein hübsches Haus in der Nähe des Schottenklosters. Als der Freiherr vom Bauernfeindschen Hause wegging, mußte er also ein Stück des Stephansplatzes und dann den Graben überschreiten, dann ging er durch die Naglergasse und wollte schon zur Freyung einbiegen, als er plötzlich stehen blieb. An ihm gingen zwei Männer vorüber. In ein lebhaftes Gespräch vertieft, achteten sie nicht auf die Menschen, welche in ihrer Nähe waren. Sie waren von der Freyung hergekommen und gingen jetzt über den „Hof“. Der Hauptmann folgte ihnen.

      Der eine war Lascienski, der andere war ihm jedenfalls untergeordnet, denn er benahm sich sehr untertänig und wurde vom Grafen mit „du“ angesprochen unid ausgezahkt. Es mußte sich um einen Auftrag handeln, den der kleine stämmige Mann schlecht ausgeführt hatte. Auch von Nelken redete der Graf und dann fiel ein Wort, welches Thorgau aufhorchen ließ.

      „Parkany.“

      Der Freiherr hatte es vorher nur ein einzigesmal gehört. Das war am gestrigen Tage gewesen, während der Audienz, die er bei dem Präsidenten des Hofkriegsrates, dem Markgrafen Hermann von Baden, gehabt hatte.

      Der Markgraf, welchem die Thorgaus vom Reiche draußen schon seit langem bekannt und von ihm hochgeachtet waren, hatte Wolf Dietrich schier wie einen Sohn behandelt und ihn auch bei sich behalten, als andere Herren von dem Hofkriegsrat zu einer Beratung eingetroffen waren. Bei dieser Beratung war das Schloß Parkany bei Eperjes in Nordungarn, als der Sitz eines Grafen Tököli erwähnt worden, als der Wohnsitz eines Mannes, dem trotz seiner scheinbaren Friedensabsichten nicht zu trauen war. Graf Emerich Tököli galt bei den Herren ganz einfach als ein heimlicher Freund und Helfer der Türken.

      Das hatte Thorgau gestern bei seinem Gönner erfahren und die Namen „Tököli“ und „Parkany“ waren in seinem Gedächtnis geblieben.

      Als er dieses Wort jetzt vernahm, erregte es in hohem Grade seine Aufmerksamkeit und es veranlaßte ihn, den beiden zu folgen. Es diente ihm, daß auch jetzt nur wenige Leute hier gingen und daß er in einen langen Mantel gehüllt und heute nicht in Uniform war. Sein Vetter hatte ihm zur langen Fahrt im offenen Schlitten den Mantel und die Pelzkappe aufgedrängt.

      In dieser Tracht brauchte er ein Erkennen kaum zu fürchten, denn er hatte die Kappe tief ins Gesicht gedrückt und den Kragen des Mantels hochgeschlagen. So konnte er es wagen, den beiden, ihm plötzlich verdächtig Gewordenen ganz nahe zu bleiben. Aber er gewann dadurch nichts. Nur die Überzeugung bekam er, daß der kleine Dicke ein Diener des Grafen sei und daß er es gewesen, welcher Lascienski, und zwar auf irgend eine mühevolle Weise die Nelken beschafft hatte, welche gestern des Baumeisters Tafel schmückten.

      Im Freisingerhof entschwanden ihm die zwei. Thorgau kehrte wieder um und befand sich bald im Hause des Magisters. Der Magister und seine Frau waren noch nicht heimgekommen. Nur seine Mutter war da, den lieben Gast zu begrüßen. Von Thorgau dazu veranlaßt, schilderte sie ihm den ihr wohlbekannten Charakter des Baumeisters und seiner Kinder.

      Frau Martha hatte keine böse Zunge, dennoch kam in ihrer Schilderung eigentlich nur der Mönch gewordene Sohn Bauernfeinds ungerügt weg. Eva bekam nur eine einzige Rüge, nämlich, daß sie ein gut Teil der väterlichen Eitelkeit geerbt habe, dieser bei dem Alten riesengroßen Eitelkeit, welche ihn dazu gebracht hatte, oft schon recht unwürdig zu handeln.

      „Weißt du, Wolf-Dietrich“, schloß die alte Frau, „das Protzen und das Großtun versteht man überall, so hab’ ich gehört;


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