Das Herz siegt. Auguste Groner

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Das Herz siegt - Auguste Groner


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wird Mustapha Euch mit Geld überschütten, wenn Euer Plan etwas wert ist. Stellt den Leuchter auf den Tisch da und dann wollen wir uns zusammensetzen und Ihr werdet mir alles sagen.“

      „Ja, aber erst, nachdem Erlaucht mir volle Sicherheit gegeben hat“, warf Thanon kurz ein.

      „Natürlich werde ich Euch vorerst mit meinem und Emerich Tökölis Namen Bürgschaft leisten dafür, daß Eueren gerechten Forderungen volle Erfüllung werden wird.“

      „Schriftlich müßten Erlaucht mir dies geben.“

      „Gut: Ihr sollt es schriftlich haben.“

      Lascienski war bereits in den Kleidern. Jetzt fürchtete er sich nicht mehr, denn jetzt konnte er sofort seine Diener an seiner Seite haben. Er öffnete die Tür und rief Andreas herbei. Diesem befahl er, das Frühmahl zu bringen, dann nahm er selber den Leuchter und stellte ihn auf den massigen Eichentisch, an welchem er zu essen pflegte und rückte zwei Stühle zurecht. Thanon war ihm mit dem Plane gefolgt.

      Vor den Fenstern des Gemaches, in welchem sie sich nun befanden, konnte man auf den weiten Platz, „Graben“ geheißen, schauen. Es war nicht anzunehmen, daß aus den gegenüberliegenden Häusern jemand sehen konnte, was man in diesem Zimmer trieb. Dennoch schloß der Graf die Fensterladen, so daß die Dämmerung, welche sich schon zu verbreiten begann, ausgeschlossen war.

      Lascienski schrieb, indes man auf Andreas’ Wiederkommen wartete, einige Zeilen auf ein Papier und drückte daneben in rotes Wachs seinen Siegelring. Dann reichte er es dem Franzosen hin.

      Der las sehr langsam und aufmerksam, faltete dann den Bogen und steckte ihn ein.

      Lascienski beobachtete ihn und ein häßliches Lächeln umspielte dabei seinen hübschen Mund. „Seid Ihr nun zufrieden?“ erkundigte er sich und sah wieder wie ein ganz ehrlicher Mensch aus.

      Thanon verbeugte sich tief. „Erlaucht haben Tökölis und Ihre Ehre mir zum Pfand gegeben.“

      Im selben Augenblick kam Andreas herein und stellte eine Platte auf den Tisch, darauf sich eine Karaffe mit Wein und weißes Brot sowie zwei Gläser befanden. Er schenkte die Gläser voll und entfernte sich dann auf einen Wink seines Gebieters.

      „Trinkt vorläufig nicht zu viel“, warnte Lascienski, „es ist stark gewürzter Wein. Die Klarheit Eures Denkens könnte darunter leiden. Im übrigen: Auf das Gelingen Eures Planes!“

      Die beiden stießen an und Thanon begann: „Ich habe bis vor kurzem nicht viel von der Gelehrtheit gehalten, nun aber bin ich anderer Meinung, denke, daß man nie zu viel lernen kann.“

      „Ihr holt weit aus, Thanon! Wollt Ihr nicht sogleich zur Sache kommen?“

      „Ich bin dabei, bin dicht bei ihr, wenn ich an den hochehrwürdigen und, was mir wichtiger ist, hochgelehrten Pater Alexius denke, der seinen Confratres, wahrlich nicht mir, erzählte, daß da, wo heute der Dom St. Stephan steht, sicherlich einmal zur Zeit, da die Römer hier hausten, oder später, in der völlig dunklen Zeit der Völkerwanderung, eine heidnische Opferstätte gewesen. An derlei Stätten, so sagte der Pater, pflegte man gerne christliche Kirchen zu bauen, um von verschrieenen, durch dunkle Sagen unheimlich gewordenen Orten das Grauen zu bannen und dem einen Gott Verehrung darzubringen da, wo die Heiden zu ihren Götzen gebetet hatten.

      Noch jetzt wissen es gelehrte Leute wie Alexius, daß die Rotenturmstraße ehemals Heidenhainstraße benannt gewesen. Es müssen Heiden also früher einmal da in einem heiligen Hain ihre Opfer dargebracht haben. Zu jener Zeit war immer Feindesgefahr. Nichts sei demnach — so sagte der Pater — natürlicher gewesen, als daß religiöse Handlungen auch unterirdisch vollzogen wurden. Die Christen haben es ja nicht anders gemacht. Und wie die Christen ihre Toten an heimlichen unterirdischen Orten bestatteten, so werden es auch die bedrängten Heiden getan haben. Der ,Stock-im-Eisen‘, dies alte Wahrzeichen Wiens, ist, so sagte der Pater, eine Lärchtanne, das ist ein mystischer Wetterbaum, der, so lange man von ihm weiß, mit der Wurzel nach oben aufgestellt ist, damit sein Zauber gebrochen werde. Auch er befand sich, gleich der Stephanskirche, die vor ihrem Umbau klein und unansehnlich war, einst außerhalb der Stadtmauer. Alexius hat es aus alten Schriften herausgelesen, daß in der Nähe dieses Baumes und bis nahe zur Donau hin, sich tief unter der Erde Gemächer und Gänge befinden, die aus der Heidenzeit stammen und später von den Christen zu Begräbnisstätten benützt worden sind, so gern benützt, daß schließlich eine Erweiterung notwendig geworden ist. Daß in der letzten Pestzeit viel hundert Verstorbene in diesen Katakomben beigesetzt wurden, weiß jedes Kind in dieser Stadt. Nicht jeder aber weiß, was der gelehrte Pater damals berichtete, daß man bei diesen Begräbnissen auf Löcher im Boden gestoßen sei, die in tieferliegende Räume schauen ließen und daß viele der ältesten Häuser der Stadt zwei, ja auch drei Keller übereinander haben, die unter sich und mit den Kellern der Nachbarhäuser sowohl, als auch mit den Katakomben verbunden sind.“ Thanon hielt inne. Er tat einen tiefen Schluck aus seinem Glase und fuhr fort: „Bis zum Zwettelhof und noch weiter, bis zu den Häuschen vor dem roten Turm erstreckten sich die Katakomben“, sagte er jetzt leiser werdend und schaute den Grafen mit flackerndem Blick an. „Es geschah im Frühjahr, daß ich durch den Augustinermönch Kenntnis davon erhielt. Noch weiß ich den Tag. Zu Maria Verkündigung war es, am 25. März, als der gelehrte Herr sein Wissen kundgab und seit diesem Tag ist kein anderer mehr vergangen, an dem der viel verlachte Baron Zwiefel nicht an die Katakomben gedacht hätte.“

      Er wollte wieder eine Pause machen, doch Graf Lascienski drängte ihn, weiter zu erzählen.

      „Im Mai begegnete ich also eines Abends in der Roßau drüben einem Mann in ungarischer Tracht. Es war mir etwas an ihm bekannt — weswegen ich ihn zum zweitenmal schärfer ansah, und da erkannte ich ihn und gewahrte auch, daß er mir winkte. Der war es, der sich heute Achmed nennt und der mit Tökölis Gesandten übermorgen in ungarischer Tracht vor dem Kaiser stehen wird. Damals erfuhr ich, daß er, der ehemalige Kapuziner, in plötzlich erwachtem Freiheitsdrang das Kloster verlassen, sich nach Ungarn begeben habe, in Ofen zum Mohammedanismus übergetreten sei und den Türken Ingenieurdienste leistete. Kennt Erlaucht diesen Mann näher?“

      „Ich habe ihn nie gesehen, aber ich hörte durch Tököli, daß dieser Achmed ebenso schlau als tapfer und mehr als irgendein anderer dazu geeignet sei, die Befestigungswerke dieser Stadt, in der er ja früher gelebt hat, zu skizzieren.“

      „Also kenne ich ihn besser“, fiel Thanon lebhaft ein. „Als er und ich Buben waren, bewohnten unsere Eltern ein und dasselbe Haus. Er war damals schon hier verliebt ins Studium und wenn er schließlich doch nur ein Bettelmönch war, trug seine Mutter daran schuld, die durchaus wollte, daß er Kapuziner werde. Nie hatte ich begriffen, daß dieser Feuerkopf ihr diesen Wunsch erfüllte, wohl aber begriff ich seine Flucht. Er tat keinem weh damit. Seine Eltern lagen, als er aus dem Kloster verschwand, schon auf dem Stephansfriedhof. Nach mehr als zehn Jahren sahen wir uns nun in der Roßau wieder. Ich schämte mich vor ihm — denn er war sichtlich ein feiner Herr geworden und ich — ich war ein armer Teufel. Das aber schien ihm eben recht zu sein. Er holte mich sehr geschickt aus und wußte bald, daß ich mein Erbteil vertan hatte. Es war nicht groß gewesen, denn meine Eltern hatten Frankreich wegen eines Familienzwistes halber fluchtartig verlassen und hatten den größten Teil ihres Vermögens zurücklassen müssen.

      Kurz, er engagierte mich für seine Sache und seither stehen wir in heimlicher Verbindung. Er war es ja auch, wie Erlaucht schon wissen, der mir nahelegte, ich solle mich Euch anschließen.“

      „Was recht geschickt geschehen ist“, vollendete Lascienski. „Aber noch weiß ich nicht, was diese Zeichnung bedeutet. Thanon, Ihr verliert Euch immer in andere Gedanken. Wollt Ihr nicht endlich zur Sache kommen?“

      „Nun gut“, erwiderte der Franzose, näherrückend, „Erlaucht sollen jetzt sehr Wichtiges erfahren.“

      Er beugte sich über den Plan und fing an, leise zu erklären. Es mußte tatsächlich überaus Interessantes sein, was er da, der Zeichnung mit ausgestrecktem Finger folgend, berichtete, denn Lascienski beugte sich immer weiter vor und sein Gesicht, bald blaß, bald rot, zeigte eine gewaltige Erregung. Wohl eine Stunde lang saßen die beiden so da, tief über das Papier geneigt, flüsternd Fragen und Antworten


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