Das Herz siegt. Auguste Groner

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Das Herz siegt - Auguste Groner


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aller Augen auf sie. Auch die ernsten, ruhig blickenden Augen eines Mannes, der die Uniform eines brandenburgischen Hauptmannes trägt, haben sich ihr zugewandt, und langsam, ganz langsam kommt etwas wie Freudigkeit in das Gesicht des Offiziers.

      Der Hausvater und die anderen älteren Herrschaften sitzen in feierlicher Gemütlichkeit um einen ovalen Tisch, die jüngeren Leute, eine liebliche junge Frau, der brandenburgische Offizier, ein schlanker, blasser Mönch und ein junger Mann in der schwarzen Tracht der Hochschullehrer, stehen in einer der tiefen Fensternischen beieinander.

      Eva kann es mit einem Blick sehen, daß Lascienski noch nicht anwesend ist. In ihrer sicheren Art die Gesellschaft begrüßend, entschuldigt sie sich wegen ihres späten Erscheinens. Ein Mann, der sich von den Dienern unten nicht hatte abweisen lassen, war ihr bei ihrem Gang nach dem Saal entgegengetreten und hatte sie um eine Unterredung gebeten. Da war sie in das nächste, in das Speisezimmer gegangen und hatte ihm geheißen, ihr zu folgen. Sie wußte nämlich, daß sowohl Muhme Barbara als auch die Liesl dort noch beschäftigt seien, daß sie also mit dem ihr ein wenig seltsam erscheinenden Fremden dort nicht allein sei. Aber der junge, schwarzhaarige Fremde hatte kaum die Schwelle überschritten, als er einen Schrei ausstieß und nach dem mit den Nelken überstreuten Tisch schaute, ihr selber dann die Blume, die sie am Leibchen trug, entreißen wollte, daran aber von der Liesl gehindert wurde. Daraufhin eilte der Fremde aus dem Zimmer. Die Liesl, das beherzte Ding, erreichte ihn noch und wollte ihn an dem Ende seines langen Mantels festhalten, da stach der Flüchtende mit einem Messer oder Dolch nach ihr und verletzte sie an der Hand. Danach entkam er ungehindert. Wie in den Erdboden war er verschwunden. Peter, der Pförtner, der aus seinem Stübchen rannte und ihm folgen wollte, konnte ihn nirgends mehr entdecken. Und dann hatte man ihr etwas, das der unheimliche Fremde verloren hatte, übergeben. Denn wer als dieser sollte eine Agraffe just im Momente seiner Flucht im Flur verloren haben?

      Dies berichtete Eva und nun konnten die, denen sie es erzählte, begreifen, warum sie noch ein wenig blaß und erregt hereingekommen war. Sie legte den Fund vor ihren Vater hin. Indessen er ihn kopfschüttelnd zur Hand nahm und betrachtete, ließ er sich den Fremden beschreiben, Aber Eva konnte nur angeben, daß dieser jung und vornehm aussähe.

      Als sie sich dann zum Fenster wandte, um die dort Stehenden zu begrüßen, kam ihr Magister Josef Schmutz mit dem Hauptmann entgegen. Er stellte ihr diesen vor. Er war sein Vetter, war ein Freiherr und hieß Wolf Dietrich von Thorgau. Er war mit einem Schreiben des Kurfürsten an den Hofkriegsrat nach Wien gesandt worden und wollte hier die etlichen Wochen seines Urlaubes zubringen.

      „Gestern abends“, fuhr der junge Gelehrte fort, „kam er hier an, mein Vetter. Da fragte ich mich geziemend bei Euerem Vater an, ob mein werter Gast in seinem Hause freundliche Aufnahme finden könne und da hieß es, ich solle Wolf Dietrich gleich heute mitbringen.“

      „Was, Ihr, Herr Magister, denn auch zu meiner Freude getan habt“, sagte Eva, dem Hauptmann die Hand reichend. Der Freiherr zog diese schöne, wohlgepflegte Hand an seine Lippen.

      „Diese Hand ist kalt, Fräulein“, sagte er, „noch wirkt der Schreck in Euch nach. Ich bin zu bedeutsamer Stunde in dieses Haus gekommen!“

      „Es scheint so zu sein, Herr von Thorgau“, erwiderte Eva. „Wenigstens für mich war der Vorfall bedeutsam, denn er zeigte mir, daß ich einen Todfeind habe.“

      „Gewöhnlich kennt man seine Todfeinde oder wenigstens die Richtung, in der man sie zu suchen hat.“

      „Ich kenne den nicht, der mich bis zum Morden haßt.“

      „Seltsam! Wenn man nicht annimmt …“ Der Hauptmann konnte seinen Satz nicht zu Ende führen, denn Evas Aufmerksamkeit galt einem, der soeben eingetreten war. Thorgau trat ein wenig hastig zurück, weil er sah, daß in die Wangen des schönen Mädchens eine zarte Röte kam.

      Wie magnetisiert von der Schönheit und dem eigentümlichen Reiz, den der Edelmann sichtlich auf alle hier Anwesenden ausübte, ging Eva ihm einige Schritte entgegen.

      Einer Königin glich sie in diesem Augenblick, nicht einem liebenden Mädchen. „Wer ist dieser schöne Mann?“ fragte der Hauptmann seinen Vetter, während Graf Lascienski an Evas Seite den Hausherrn und dessen ältere Gäste lebhaft begrüßte.

      Magister Schmutz, der junge Universitätslehrer und Vetter Thorgaus, warf einen scharfen Blick hinüber und antwortete: „Eben ein schöner Mann. Du hast seine Haupteigenschaft sofort herausgefunden. Nebstbei ist er ein Graf Lascienski und erzählt gern, daß er ein Günstling des Polenkönigs sei.“

      „Ist er in politischen Angelegenheiten hier?“ erkundigte sich der Hauptmann.

      Der Magister zuckte die Schultern. „Was ich von ihm weiß, ist nur, daß er sich seit etwa einem halben Jahr vortrefflich hier unterhält und auf ziemlich großem Fuße lebt; daß er bei allen Festen zu finden ist und dabei den Frauen die Köpfe verdreht. Eva ist’s nicht anders ergangen als den anderen, aber diesmal sitzt auch er fest. Man erwartet mit Recht, daß er um Eva werben wird.“

      „So!“

      „Was der Eitelkeit dieses ganzen Hauses ungeheuer schmeichelt.“

      „Ei! Ist man hier so eitel?“

      Magister Schmutz wurde plötzlich ernst.

      „Weißt du“, sagte er, „es nimmt sich nicht gut aus, Übles zu reden über die, deren Gastfreundschaft man genießt. Meine schnelle Zunge hat aber nicht gelogen. Ja — die Bauernfeinds sind alle eitel und hoch hinaus. Das ist aber auch ihr einziger Fehler, denn sonst sind sie ein tüchtiges, ehrbares Geschlecht und gerechterweise hoch angesehen, weit über unsere Stadtgrenze hinaus.

      „Und jetzt sag’ mir noch, wie es kommt, daß ein Bruder der stolzen Eva Mönch geworden ist?“

      Der Hauptmann sah bei dieser Frage auf den jungen Mann in dunkler Kutte, der neben des Magisters Frau im Fensterwinkel stand.

      Der Magister zuckte die Achseln. „Er ist eben einer von den Äpfeln, die weit vom Stamme fallen“, sagte er dann und ein weicher Zug kam in sein frisches, männliches Gesicht, als er weiter redete: „Einem einfacheren Menschen, als es Konrad Bauernfeind ist, der jetzt Bruder Anselmus heißt, bin ich noch nicht begegnet. Es hat ihn völlig hinausgetrieben aus dem Glanz und dem ewigen gastlichen Lärm dieses Hauses.“

      „Welchem Orden gehört er an?“

      „Kamaldulenser ist er und lebt nun schon seit drei Jahren im Kahlenberger Kloster. Nur selten, so bei Familienfesten ähnlicher Art, wie das heutige eines ist, sieht man ihn hier. Nun! Was haben denn die dort?“

      Schmutz schaute zu dem Tische hin, um dessen weites, ovales Rund die älteren Besucher des Baumeisters gesessen und die sich bei des Grafen Herankommen erhoben hatten, um die nun beiderseitige Vorstellung mit geziemender, dem Adel nachgeahmter Steifheit zu absolvieren.

      Ambrosius Bauernfeind, selber eigentümlich steif, machte den Grafen mit den anderen Gästen bekannt. Darunter war auch der Apotheker Martin Livonius, ebenfalls ein alter Freund des Hauses. Es war ein lieber, kluger Mann, dessen Interesse für wirklich Interessantes leicht geweckt war. Nebst Bauernfeind hatte e r sich am meisten über den seltsamen Angriff, dem eben vorhin Eva ausgesetzt gewesen und über den man soeben noch gesprochen, erregt.

      Als Lascienski das Gemach betrat, hatte Livonius die Agraffe, welche Evas Angreifer verloren, soeben zur Hand genommen, um sie zu betrachten. Mit ihr trat er dem jungen Edelmann entgegen.

      Sie wollten einander die Hand reichen, wobei Livonius sagte: „Seht, Herr Graf, was da einer verloren hat, der unserer Eva ans Leben wollte.“ Und er hielt ihm die Agraffe hin.

      Da geschah, was den Magister Schmutz zu jenem Ausruf veranlaßte.

      Lascienski vergaß ganz darauf, die dargebotene Rechte anzunehmen. Bleich werdend, wich er einen Schritt zurück, starrte auf die Agraffe und murmelte: „Ans Leben wollte? Was heißt das? Ans Leben wollte!“ Und während ihm mit wenigen Worten erklärt wurde, was soeben vorhin geschehen war, starrte er noch immer auf das Schmuckstück und wiederholte immer wieder: „Es ist unglaublich, unglaublich!“ und er griff mit bebender


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