Das Herz siegt. Auguste Groner

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Das Herz siegt - Auguste Groner


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gewahrte.

      Jetzt war er nur mehr der Liebende. „Gott sei tausendfacher Dank, daß Ihr dem ruchlosen Anschlag nicht zum Opfer gefallen seid“, sagte er tiefbewegt und zog Evas Hand voll leidenschaftlicher Zärtlichkeit an die Lippen. Dann richtete er sich auf und fuhr fort: „Und damit ich ein Recht habe, fortan Euch zu schützen …“

      „Herr Graf! Dieses Recht behalte ich mir einstweilen noch selbst vor“, fiel der Hausherr jäh in die Rede und setzte sich sichtlich gewaltsam zur Ruhe zwingend, hinzu: „Und jetzt bitte ich meine lieben Gäste, mit mir zu Tisch zu gehen. Wir werden schon erwartet.“

      Mit zierlicher Verneigung bot der Baumeister einer Dame die Hand, um sie aus dem Zimmer zu führen und wie er, taten die anderen Herren.

      Graf Lascienski sandte Bauernfeind einen düsteren Blick nach, dann wendete er sich Eva zu, die völlig fassungslos die Worte ihres Vaters angehört hatte, und sagte: „Euer Herr Vater ist heute seltsam erregt. Ich will es ihm nicht nachtragen, denn es zittert eben noch die Angst um Euch in ihm nach — sonst …“ In seinen Augen war etwas wie Drohung.

      Auch in Eva war jetzt alles Stolz und hohes Selbstbewußtsein, als sie antwortete: „Herr Graf! Wenn Ihr Nachsicht mit meines Vaters Erregtheit habt, dient diese freundliche Nachsicht unserem fernen Verkehr — denn sonst …“ Auch Eva beendete den Satz nicht. „Und nun gehen wir zu Tisch“, sagte sie lächelnd und legte die Spitze ihrer Finger in Lascienskis ihr rasch gereichte Hand.

      Jetzt standen sie auf der Schwelle des Speisesaales; da hielten sie plötzlich inne. Sie sahen, daß Bauernfeind das Nelkengewinde, welches Eva selber vor einer Stunde um die hohe Lehne seines Stuhles gelegt, hastig entfernte und auf eine Truhe warf.

      Lascienski ließ Evas Hand los. Heiser vor Zorn murmelte er etwas in seiner Muttersprache. Gleich aber fühlte das Mädchen ihre Hand wieder schier krampfhaft umschlossen und hörte seine Stimme dicht an ihrem Ohr: „Und dennoch werdet Ihr mein sein!“

      So laut hatte er es gesagt, daß die zwei Männer, welche. hinter ihm und Eva standen, die Worte hörten. Anselmus’ Gesicht wurde rot und ein sehr weltlicher Zorn blitzte aus seinen Augen. Schon wollte er einen Schritt nach vorn tun — da hielt ihn der Hauptmann von einer Unbesonnenheit ab. „Frater“, sagte er leise, „Ihr müßt erst wissen, ob Eure Schwester vor diesem Manne behütet sein will — dann erst könnt Ihr Euer Bruderrecht üben.“

      IV.

      Die Tafel, welche die wackere Frau Hähnlein und Eva mit Hilfe aller Mägde so köstlich als möglich bestellt hatte, verlief in ganz anderer Weise, als die meisten der Festgäste angenommen hatten.

      Es herrschte heute an dem schier überreich gedeckten Tisch keine frohe Stimmung und das fand jeder begreiflich, denn Evas seltsames unheimliches Erlebnis wirkte eben jetzt noch in jedem der Anwesenden nach. Und völlig unbegreiflich war den Freunden des Baumeisters, daß dieser sich plötzlich so feindlich gegen Lascienski zeigte.

      Eva sprach mit dem Grafen, der ihr linker Tischnachbar war, nur wenig und dieses Wenige in ihr sonst fremder, ganz unsicherer Art. Desto mehr widmete sie sich ihrem Nachbar zur Rechten, dem brandenburgischen Edelmann, der eine zwar nicht lebhafte, aber kluge und angenehme Art zu reden hatte.

      Früher, als geplant gewesen, verließen die Gäste die Tafel. Herr von Thorgau und der Magister mit seiner Frau waren von Eva zu einer Schlittenfahrt für den nächsten Tag eingeladen worden. Eva hatte diese Einladung im Beisein des Grafen an die drei ergehen lassen und ihn nicht mit inbegriffen.

      Den Kopf stolz erhoben, wandte sie sich an ihren gräflichen Verehrer. „Ihr seid morgen bei dem französischen Gesandten, habt Ihr früher erwähnt. Deshalb habe ich meine Einladung nicht auch an Euch gerichtet.“ Sie wollte sofort wieder zu den anderen reden. Lascienski hielt sie jedoch mit dem Blick fest. „Es ist auch noch ein anderer Grund da, dessenwegen meine stolze Herrin mich derzeit nicht gern um sich sieht“, klagte er.

      Da blickte Eva ihm fest in die Augen und erwiderte: „Ihr habt recht, Graf. Es gibt noch einen zweiten Grund, daß Ihr morgen nicht bei uns sein werdet. Ihr habt einen, den ich über alles liebe, beleidigt, habt ihm gedroht …“

      „Nachdem er mich beleidigte“, fiel Lascienski ihr leidenschaftlich in die Rede. „Eva, rechnet Ihr dies für nichts?“

      „Ich weiß nicht, Herr Graf, was zwischen Euch und meinem Vater steht“, sagte sie ernst, „aber eines weiß ich. Er tut keinem ein Unrecht, Wenn er wieder wie früher zu Euch sein wird, dann …“

      Sie redete nicht weiter. Vor Stolz errötend, sah sie auf Lascienski, der sich über ihre Hand gebeugt hatte. Sie fühlte einen heißen Kuß und sah seine tiefe, zeremonielle Verbeugung. Dann schaute sie dem sich rasch Entfernenden lächelnd nach, während der Magister heiter sagte: „Eva, der ließe sich um Euretwillen noch viel mehr gefallen, als was Eurer Vater merkwürdigerweise ihm heute geboten hat. Weißt du wirklich nicht, warum das Unbegreifliche geschah? Wir dachten, dich heute als Grafenbraut zu feiern und die Werbung war ja auch schon im besten Zug, als dein Vater dem Grafen in die Rede fiel.“

      „Ich weiß nicht, was zwischen den beiden vorgefallen ist“, sagte Eva ruhig und änderte, sich zu dem Hauptmann wendend, rasch den Gesprächsstoff: „Ihr werdet also bei uns sein, Herr von Thorgau“, meinte sie voll aufrichtiger Liebenswürdigkeit, „und so werdet Ihr die Schönheit des Wiener Waldes kennenlernen, denn das Ziel unserer Fahrt ist unser Landhaus, das am Fuße des Kahlenberges liegt.“

      Vor dem Hause unten und in dessen weitem Flur ging es dann eine Weile lebhaft zu, denn etliche der Gäste wurden von ihren Schlitten abgeholt.

      Herr von Thorgau und sein Vetter, der Magister, hüllten sich in ihre Mäntel und gingen zu Fuß. Sie redeten über den Verlauf des Festes, dem sie soeben beigewohnt und das zwar glänzend gewesen, dabei sich jedoch keiner seiner Teilhaber so recht wohl gefühlt hatte.

      Natürlich redeten sie auch von Eva, die ja der Mittelpunkt des vornehmen Hauses war.

      „Viel Herz scheint sie nicht zu haben“, bemerkte der Hauptmann.

      Aber Schmutz widersprach ihm. „Du irrst“, sagte er. „Unter armen Leuten mußt du sie schauen, im Spittel, das sie schon seit Jahren regelmäßig heimsucht und darin die Alten und Kranken einen Engel in ihr sehen.“

      „Dann schon einen Erzengel“, lächelte Thorgau. „Hätte sie Flügel und ein Schwert in der Hand, könnte man sie leicht für St. Michael halten.“

      Der Magister nickte. „Richtig! Sie hat etwas Heldenhaftes in sich. Darum wird sie es wohl überstehen, falls sie nicht Gräfin Lascienska werden sollte.“

      Im Hause des Baumeisters fand man nicht so bald den Schlaf. Zwischen Bauernfeind und dem Grafen, der erst viel später als die anderen Gäste gegangen war, hatte es eine stürmische und zwischen Anselmus und Heinrich Traudel eine zwar stille, aber dennoch ebenfalls aufregende Unterredung gegeben. Und so konnten weder Vater und Sohn, noch auch der wackere Geselle bald einschlafen.

      Und Eva? Es war schon gegen Morgen und noch ging sie, geschmückt wie beim Feste, in ihrem Schlafgemach umher.

      Es war ein wunderschöner Raum. Die mit hellem, reichgeschnitztem Holze bedeckten Wände wurden nur durch einige Felder unterbrochen, die mit lichtblauer, flimmernder Seide bespannt waren. Diese reizvollen Wände umschlossen ihnen gleichwertige Wohngeräte, Schränke und Truhen, ein köstliches Himmelbett, umwallt von schwerer, hellblauer Seide und ein Putztisch, auf welchem es von Silber blitzte.

      In diesen Raum paßte Eva Bauernfeind sehr gut und sie war das Schönste darin, war es auch jetzt, da sie bleich und händeringend auf und nieder ging.

      Wiewohl sie sich müde fühlte, wie noch nie in ihrem Leben, konnte sie nicht ruhig bleiben. Mehrmals hatte sie sich, der Müdigkeit nachgebend, auf den Polsterstuhl niedergelassen, der vor ihrem Putztisch stand, aber da hatte ihr Gesicht aus dem Spiegel geschaut, dieses blasse Gesicht, aus dem Leid, Angst und quälende Scham sprachen.

      Dieser Anblick hatte sie wieder durch das Gemach gehetzt, darin sie bis jetzt ihres Lebens und ihrer Schönheit froh


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