Das Herz siegt. Auguste Groner

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Das Herz siegt - Auguste Groner


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er sich hier in Wien so still verhält.“

      „Er muß ja nicht mit Trompeten und Pauken aus der Stadt gehen. Könnte er es nicht heimlich tun? — Wie er uns heimlich. schickt! O — wenn sein Herz ihn nach Kapyvar zöge, er hätte längst schon wieder den Weg dahin gefunden. Aber —?“

      „Nun — aber?“

      „Die Frauen hier sind lieblich und manche findet, daß es unterhaltlich ist, mit dem elegantesten Kavalier, der derzeit in Wien lebt, verliebte Blicke zu tauschen.“

      „Ich meine, du bist statt der schönen Ilona eifersüchtig auf unsere Erlaucht.“

      „O! sie ist schon selber eifersüchtig genug. Sie spürt es nur zu deutlich, daß nicht die Politik es ist, die ihren Verlobten so lange an Wien bindet. Wer ihn nur warnen könnte!“

      „Wovor? Vor ihrer Liebe?“

      „Vor ihrem Zorn, vor ihrem Haß. Hast du’s nicht erlebt, daß aus Liebe Haß geworden ist?“

      „So weit wäre Ilonka Tököli schon? Du kannst recht haben. Als ich vor einigen Wochen in Kapyvar war, habe ich auch gemerkt, daß die Gnädige einigermaßen gereizt war und sich oft nach dem Lebenswandel unseres Grafen erkundigte. Freilich, mir gegenüber wird sie nicht so offen gewesen sein, wie gegen dich, ihrem Vertrauten. Und — soeben denke ich zum erstenmal daran — vielleicht hat sie dich ihrem Verlobten nur deshalb mitgegeben, weil er bewacht werden soll, weil sie genauen Bericht von dir will.“ Andreas, seinem Herrn so ergeben, als er eben jemandem ergeben sein konnte, schaute seinen Genossen lauernd an.

      Ferencz lächelte verächtlich. „Meinst du wirklich, daß ich für jemanden anderen noch als für das Vaterland Späherdienste leiste?“ entgegnete er stolz und dann, jäh sich erhebend: „Ich ruhe jetzt ein wenig. Weck mich, wenn seine Erlaucht munter sein werden.“

      Just an der Tür traf er mit einem schnell Eintretenden zusammen: „Ihr, Herr Thanon, schon so zeitlich auf dem Weg?“ fragte Ferencz und trat viel weiter zurück, als nötig gewesen wäre, um das magere Männchen an sich vorbeigehen zu lassen.

      Thanon riß den Dreispitz vom Kopfe und wischte sich die Stirn ab. „Bin von meiner Wohnung bis hieher gelaufen“, murmelte er. „Der Wind hat mir ebenso heiß als kalt gemacht.“ Dabei schielte er nach dem Tisch hinüber, auf dem noch Reste des Frühmahles sichtbar waren.

      Ferencz drehte ihm den Rücken zu und ging. Andreas aber lud den Schmarotzer mit einer übertriebenen Gebärde ein, sich zu Tisch zu setzen und Thanon ging und aß und trank mit großer Gier und dann, als nichts Genießbares mehr da war, erhob er sich gravitätisch, wischte sich mit einem nicht mehr ganz sauberen Tüchlein die Lippen ab und fragte: „Erlaucht haben sich noch nicht vom Lager erhoben?“

      Andreas, seine gezierte Sprechweise nachahmend, antwortete: „Erlaucht geruhen noch zu schlummern. Monsieur Thanon wird sich also gedulden müssen.“

      Dann wurde der Franzose ganz plötzlich ein anderer. Den Kopf stolz zurückwerfend, bemerkte er: „Merk er es sich, Bediente müssen warten. Ich verkehre mit dem Grafen Lascienski zu jeder Zeit, in der es mir. beliebt.“ Und an dem erstaunten Andreas vorübergehend, begab er sich, einen zweiten Raum durchschreitend, nach dem Schlafgemache des Grafen.

      Andreas wagte es nicht, Thanon zu folgen, so herrisch hatte sich dieser plötzlich gegeben. Er wartete aber. Er wartete, den Frechen schnell zurückkehren zu sehen. Allein Thanon blieb lange aus.

      Er konnte also tatsächlich zu dem Grafen kommen, sobald es ihm beliebte.

      Andreas war sehr verwundert und nachdenklich. Plötzlich stieß er einen leisen Pfiff aus. Es war, als habe sich damit seine Verwunderung entladen.

      Als Peter Thanon die Tür zu des Grafen Schlafzimmer öffnete, schlug ihm eine unangenehme Luft entgegen durch künstlichen Wohlgeruch und Öllampenduft. Leise schloß der Franzose die Tür und überblickte den vornehm ausgestatteten Raum. Dunkles Getäfel bedeckte bis weit hinauf die Wände und wo es endete, war hellroter Seidenstoff gespannt und die gleiche Seide umhing in reichen Falten das schön geschnitzte Himmelbett, in dem Graf Lascienski noch im tiefen Schlaf lag.

      Dicht neben ihm stand auf einem Tischchen das noch brennende Nachtlicht, dessen Schein durch ein rötliches Glas auf das Gesicht des Schläfers fiel.

      Eine Weile betrachtete Thanon den Grafen; dann fiel sein Blick auf den Toilettentisch und dessen überreiche Ausstattung. Thanon fand dafür keinen Spott. Er seufzte vielmehr neidisch darüber, daß diesem, von der Natur ohnehin schon so bevorzugten Manne, so viel Hilfsmittel zu Gebote standen, um sich noch besser pflegen zu können.

      Geärgert von diesen Gedanken, trat er rasch an das Bett heran und legte seine Hand auf Lascienskis Schultern.

      Da fuhr der Graf cmpor und crkannte Thanon. „Ach, Ihr seid es? Thanon!“ sagte er gähnend.

      Der Franzose nickte spöttisch. „Ja, Erlaucht. Ich bin es. Nur ich, Euer gehorsamster Diener und Geheimsekretär, der kommt, Euer Erlaucht Wichtiges zu melden.“

      „Wichtiges?“ Lascienski lächelte spöttisch. „Ihr bauscht nur Unwichtiges auf, um Euch selber wichtig zu machen. Also laßt hören, warum Ihr diesmal gar in nachtschlafender Zeit kommt.“

      „Weil es erstens nicht jeder mit anzusehen braucht, daß ich den Herrn Grafen besuche und zweitens, weil ich endlich den Überrumpelungsplan fertig habe.“ Thanons Gesicht, das soeben noch voll Verdrossenheit gewesen, zeigte jetzt einen triumphierenden Ausdruck.

      Lascienski wurde lebhaft. Rasch, sich völlig aufrichitend, sagte er: „Den Plan — laßt ihn sehen. Ihr habt ihn doch mitgebracht?“

      „Hier ist er.“

      „Gebt her. So und jetzt zündet die Wachskerzen an.“

      Thanon tat, wie ihm geheißen worden war. Als er den Armleuchter mit den beiden brennenden Kerzen auf das Tischchen gestellt hatte, zog er sich einen Stuhl an das Bett heran und ließ sich darauf nieder. Der Graf hatte die Rolle, welche Thanon ihm gereicht, schon auseinander getan und schaute interessiert auf die Zeichnung.

      „Erlaucht sollten, ehe Ihr darüber Erklärung fordert, noch nach anderem fragen“, sagte der Franzose nicht ohne Ironie.

      Lascienski schaute auf. „Wonach soll ich fragen? Ob die guten Wiener noch immer keine ernsten Sorgen haben? oder ob man im Kriegsrat endlich nachdenklich zu werden beginnt? Ich meine, zwischen gestern und heute wird sich da nichts geändert haben. Das Volk erfreut sich des trefflichen Weines und hört nach wie vor vergnügt seinen Bänkelsängern zu und die Hohen, die da die Augen am weitesten offen haben sollten, die haben sie nach wie vor fest geschlossen, und so hört kaiserliche Majestät wohl auch heute noch gemütsruhig die drei gewohnten Messen und nach wie vor wird seitens der hohen Räte nichts geredet noch getan werden, das die spanische Etikette, so hier am Hofe herrscht, irgendwie irritieren könnte. Wonach also, mein lieber Thanon, soll ich denn fragen? Oder doch! Nach dem Wetter frage ich. Denn für heute bin ich zur Jagd eingeladen.“

      „Ich meine, Erlaucht werden heute nicht jagen.“

      Der Graf schaute den Franzosen forschend an.

      „Denn Ihr werdet Besuch erhalten.“

      „Ah!“ machte Lascienski und nun saß er ganz aufrecht da. „Heute morgen nämlich, vor etwa einer Stunde, habe ich Besuch erhalten. Achmed ist eingetroffen und — ich glaube, Euer Diener Ferencz, der ebenfalls schon angekommen ist — wird dieselbe Neuigkeit mitgebracht haben, die Achmed mir mitteilte. Er sagte mir, daß untertags Tökölis Gesandte, Szirmay und Janski, sich bei Hofe anmelden werden, was Erlaucht und mich allerdings wenig interessiert.“

      „So ist es, Thanon. Uns interessiert von allen Personen dieser Gesandtschaft nur Achmed, der für ein Anhängsel gehalten wird und welcher doch der Wichtigste darunter ist. Wo hält er sich derzeit auf?“

      „In meinem Bette. Er ist viele Stunden im Sattel gewesen, um den anderen voranzueilen. So wie das Kärntnertor aufgetan worden, ist er in die Stadt gekommen.“

      „Ohne


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