Letztes Blind Date - Norwegen-Krimi. Magnhild Bruheim

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Letztes Blind Date - Norwegen-Krimi - Magnhild Bruheim


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jemanden zu treffen, mit dem man mehr als ein paar Tänze teilen konnte. Eine der Annoncen, die Tone ausgeschnitten hatte, zierte eine Wurfscheibe mit einem Pfeil, der genau ins Schwarze traf. Sie sagte ihr Teil darüber aus, was die Leute erwarteten.

      Die Sendung begann mit der von ihr aufgenommenen Tanzmusik. Nach fünfzehn bis zwanzig Sekunden wurde sie leiser und die Stimme von Svein-Åge Sule erklang: »Die Hoffnung ist doch die, dass ich eine Frau finde, weil ... das Leben ohne Frauen ein bisschen einsam ist. Es ist schön, jemanden zu haben, mit dem man alles teilen kann. Ohne Frau ist es einsam auf einem Hof. Ohne sie gibt es keine Kinder. Niemanden, der alles weiterführt. Die Alten sind ja eines Tages nicht mehr da. Und man steht mit allem alleine da. Das hat keine Zukunft, wissen Sie ...«

      Svein-Åge war zusammen mit einem Freund aus Valdres zu der Tanzveranstaltung gekommen. An den Wochenenden besuchten sie oft solche Veranstaltungen, erzählten sie. Sule war Anfang fünfzig, schätzte sie. Ein wenig füllig, aber nicht dick. Eher kräftig. Er hatte blondes, lockiges Haar und ein rundes Gesicht. Er trug seinen Sonntagsanzug und roch stark nach Rasierwasser. Seine Schlichtheit und Aufrichtigkeit rührten Tone. Keine Spur von Prahlerei.

      Danach kam die weibliche Hauptperson zu Wort: »Zu so einem Treffen kommt man schon mit einigen Erwartungen, es kann ja sein, dass sich etwas ergibt. Obwohl man mehrere Beziehungen hinter sich hat, ist man auf der Suche. Das muss ich schon zugeben.«

      Als Tone die Sendung jetzt hörte, ärgerte sie sich, dass sie das unpersönliche ›man‹ nicht durch ›ich‹ ersetzt hatte. Leider war ihr das während der Aufnahme nicht aufgefallen. Anne Lomen fiel das Erzählen leicht. Tone war auf Anne und ihre Freundin gestoßen als sie, jede mit einer Zigarette in der Hand, dasaßen und lange Blicke auf die Tanzfläche warfen. Die eine war dunkel, die andere blond. Die Dunkle hatte braune Augen und war kräftig gebaut, die Blonde zierlich. Die Blonde machte ihr klar, dass sie an einem Interview nicht interessiert war, und ignorierte Tone daraufhin. Die Dunkle war entgegenkommender. Fand, dass nichts dabei war.

      Ihre Freundin hatte nur gleichgültig mit den Schultern gezuckt und sich eine neue Zigarette angezündet, während die Dunkle sich bereit erklärte, auf die Fragen zu antworten. Auf der Tanzfläche war die Blonde gefragter. Svein-Åge Sule war einer derjenigen, die über die Tanzfläche kamen und sich vor ihr verbeugten.

      Tone sah Sule vor sich, wie er mit der Blondine vorbeischwebte. Sein Gesicht war konzentriert und glänzte vor Schweiß. Seine Tanzpartnerin sah starr vor sich hin. Sie war attraktiv, sah aber ungesund aus und etwas verlebt.

      Irgendetwas dämmerte Tone. Die Frau, die sie hier sah, hatte Ähnlichkeit mit einer anderen, die sie heute in den Zeitungen gesehen hatte. Und an dem Fluss. Die tote Frau. Deshalb war sie ihr bekannt vorgekommen. Es war die Freundin von Anne Lomen, den Namen hatte sie sich auf der Tanzveranstaltung nicht gemerkt. Nun wusste sie ihn. Sofie Lyse. Die Frau hatte mehrere Tänze mit Sule getanzt.

      »Gibt es so etwas wie Romantik auf diesen Tanzveranstaltungen? Ist Amor mit seinen Pfeilen unterwegs?«, Tone hörte ihre eigene Stimme. Die Frage war an Svein-Åge gerichtet.

      »Das kommt vor ...«, sagte Svein-Åge verlegen. Tone erinnerte sich, dass er zu seinen Kameraden geschielt hatte, als er das sagte.

      »Erzählen Sie«, munterte sie ihn auf. »Erzählen Sie von den romantischen Erlebnissen.«

      »In den letzten Jahren habe ich zwei, drei Frauen kennen gelernt, mit denen ich mich öfter getroffen habe.«

      »Und die haben Sie beim Tanzen kennen gelernt?«

      »Ein paar von ihnen ...«

      Sie hatte wenig Konkretes erfahren, weil einer der vorwitzigen Kameraden eingegriffen und Sule aufgefordert hatte, von der letzten Berta zu erzählen. Der Kommentar hatte bei dem Rest der Gruppe für Heiterkeit gesorgt. Der Vorwitzige hatte Tone angesehen und mit den Händen etwas illustriert, was wohl die Körperformen der besagten Frau sein sollten. »Ja, wenn es nach ihr gegangen wäre, wäre der arme Svein-Åge jetzt ein verheirateter Mann«, hatte er gesagt, und Tone hatte auf den Pausenknopf gedrückt. Das war nicht für die Aufnahme geeignet.

      Tone konnte sich nicht länger auf die Sendung konzentrieren. Sie nahm die Stimmen wahr, ihre eigenen Kommentare. In Gedanken war sie bei jenem Abend. War da noch mehr passiert, woran sie sich erinnern müsste?

      Da war noch ein anderer Mann gewesen, der Interesse an Sofie Lyse gezeigt hatte. Als Tone am späteren Abend die Tanzenden beobachtete, hatte plötzlich ein Mann vor ihr gestanden und sie aufgefordert. Er war dunkel und kräftig gebaut. Das bemerkte sie, als sie zu tanzen begannen. Sie hatte ablehnen wollen, aber keine brauchbare Entschuldigung gefunden. Außerdem sah er nicht übel aus, ganz im Gegenteil. Sie tanzten einen Gesellschaftstanz. Er tanzte nicht besonders gut und es war anstrengend, ihm zu folgen. Im Gegensatz zu den Männern aus Valdres war er nicht frisch rasiert. Er trug auch nicht seinen Sonntagsanzug, sondern eine schwarze Samthose und eine dunkelgraue Jacke. Ein etwas lässigerer Stil, der der Situation im Grunde genommen angemessener war. Er sagte nichts, wirkte eher abwesend und desinteressiert. Machte nur die Schritte, die nötig waren, dass ein Tanz daraus wurde. Tone fragte sich, warum er sie überhaupt aufgefordert hatte.

      »Sind Sie oft auf solchen Veranstaltungen?«, hatte sie ihn gefragt, nur um etwas zu sagen.

      »Nicht sehr oft«, antwortete er, ohne ihrem Blick zu begegnen. Und Sie?, hätte er fragen können. Aber das tat er nicht. Sie hätte ihm gerne erzählt, dass sie hier war, um eine Radiosendung zu machen. Vielleicht könnte sie ihn interviewen? Sie beschloss zu warten und zu sehen, ob er noch einmal mit ihr tanzen würde.

      »Sollen wir noch einmal?«, fragte sie deshalb, als die Musik zu Ende war.

      »Gerne«, antwortete er. Aber sein Blick suchte noch immer das Lokal ab. »Sind Sie mit ihm zusammen hier?«, fragte er plötzlich und nickte in eine Richtung. Tone folgte seinem Blick. Er musste Svein-Åge meinen, der auf dem Weg zum Ausgang war.

      Tone lächelte vor sich hin. Obwohl er glaubte, dass sie nicht allein hier war, hatte er die Chance ergriffen, sie aufzufordern. Sie hatte nichts dagegen, er gehörte bestimmt zu den Besseren, die man auf so einer Veranstaltung treffen konnte. Vielleicht war das doch nicht der schlechteste Ort, nach dem Glück zu suchen?

      »Ich arbeite an einer Radioreportage«, sagte sie. »Den Mann, den Sie gesehen haben, habe ich interviewt. Vielleicht können wir uns auch unterhalten?«

      »Worüber?«

      »Warum man zu diesen Veranstaltungen geht ..., über die Erwartungen ...« Tone fühlte sich unsicher. Die Idee schien zu schrumpfen und ganz klein zu werden. Als wäre das, womit sie sich beschäftigte, idiotisch.

      »Ich denke, da bin ich nicht der Richtige«, sagte er trocken. Woraufhin ihr ihr Vorhaben noch idiotischer vorkam und sie nichts mehr sagte. Als der Tanz zu Ende war, bedankte er sich höflich. Er habe eine Bekannte gesehen, mit der er reden müsse, sagte er. Kurz darauf sah sie ihn mit der Blondine auf der Tanzfläche.

      Hatten die beiden lange getanzt? Tone konnte sich nicht daran erinnern. Sie hatte damals nicht weiter darauf geachtet. Sie konnte sich auch nicht erinnern, ob sie die beiden später am Abend zusammen gesehen hatte. Stattdessen tauchte eine weitere Erinnerung an Sofie Lyse auf.

      Nachdem Tone mit allen Aufnahmen fertig war, war sie zum Auto gegangen, um zu überprüfen, ob alle Interviews und Hintergrundgeräusche in Ordnung waren. Es war schon nach ein Uhr nachts und sie wollte nach Hause, vorher aber noch ihren beiden Hauptpersonen Gute Nacht sagen.

      Während sie auf die Eingangstür zulief, tauchte die blonde Freundin von Anne Lomen auf. Tone hatte den Eindruck, dass auch sie aus einem Auto kam. Trotz der Dunkelheit sah Tone, dass sie aufgeregt war, vielleicht sogar geweint hatte. Drinnen verschwand sie auf der Toilette. Tone ging in den Tanzsaal und wechselte ein paar Worte mit Anne. Svein-Åge konnte sie nirgends sehen. Schließlich ging sie, ohne noch einmal mit ihm gesprochen zu haben. Auf dem Weg zu ihrem Auto spähte sie in die Richtung, aus der die Frau gekommen war. In einem der Autos, an denen sie vorbeikam, sah sie die Silhouette eines Mannes hinter dem Lenkrad.

      Wer war dieser Mann? Darüber machte sie sich jetzt Gedanken.


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