Filmgewitter. Rudolf Stratz

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Filmgewitter - Rudolf Stratz


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ein Schaf . . .“

      „Kein Mensch dankt es uns, wenn wir verzichten!“

      „Mir geht es doch so lausig!“ Die Stimme der jungen Frau schwankte in Tränen. „Ich hab’ nicht satt zu essen. Ich leb’ oft nur von Tee und Brot! Wenn das hier jetzt auch wieder nichts wird, muss ich als Statistin zur Revue und mich da vorn vor’s Publikum hinstellen — in einem Kostüm — oder ohne Kostüm . . . pfui . . . .“

      „Ekelhaft . . .“

      „Und . . . du . . .?“ Das „du“ kam holperig, gequält über die Lippen.

      „Ich bin, wenn ich diesen Film nicht mache . . einfach aufgeschmissen! . . .“

      „Also — dann hilft das nichts . . .“

      „Dann sind wir eben vom lieben Gott noch einmal für vier Wochen zusammengespannt . . . .“

      „Das wird grässlich . . .“

      „Wir sehen uns doch nur im Dienst! Für mich bist du einfach das Fräulein Peternell, mit dem ich nach dem Willen der Gesellschaft zu arbeiten hab’. .“

      „. . und du für mich der Regisseur Billing . . . und ich nenn’ dich Sie! Du duzest wahrscheinlich doch alle Damen!“

      „Dich nicht!“

      ,,Also — in Gottes Namen . . . komm . . . .“

      „Da sind wir!“ sagte der blonde Hüne zu Ted Turkowitz und wies auf seine stumme Begleiterin. „Wir haben uns in Gottes Namen in das.Unvermeidliche gefunden!“

      „Nu — warum vorher das Gebarme?“ Der Direktor der „Memoria“ rieb sich geschäftig die Hände. „Geht bloss Zeit in die Brüche! Kommen Sie da nebenan . . .“

      Es war da, im Glashaus, ein ebenerdiges kleines Zimmer für eilige Beratungen und Vertragsabschlüsse. Karikaturen berühmter Filmgrössen hingen an den Wänden. Photographien mit eigenhändiger schwungvoller Unterschrift. Der kleine, gelbliche Mann schob einen Stoss neuer, noch nicht dem Publikum vorgeführter Lichtbilder in die Mitte des Rundtisches, gegen die staubige Wasserflasche, und tunkte eine Feder ins Tintenfass.

      „Unterzeichnen Sie Ihr Todesurteil, liebe Gnädige! . . Lachen Sie doch ’mal . . Sie sind ja noch viel hübscher, wenn Sie lachen! . . Geben Sie sich ’mal Mühe . . Nicht? Wissen Sie: Man muss das Leben nicht so tragisch nehmen! Um halber dreizehn ist alles aus!“

      „Das ist auch noch ein Trost!“ sagte Hansine Peternell und schrieb mit phantastischen Künstlerschnörkeln ihren Namen. „Nur eine Bedingung . . Ihnen kann’s ja gleich sein . . Wir haben’s eben ausgemacht, mein früherer Mann und ich, dass niemand etwas davon erfahren soll, dass wir ’mal miteinander verheiratet waren!“

      „Ehrenwort . .“, nickte Ted Turkowitz feierlich.

      „Grosses Ehrenwort!“ bekräftigte aus dem Hintergrund Dimitrij Senestrys weiche Stimme. Er liess kein Auge von der Peternell. Der schwärzliche kleine Direktor von der „Memoria“ klopfte ihr gutmütig auf die Schulter.

      „Nun gehn Sie nach Hause, liebes Fräulein, und ruhen Sie sich aus, nach so ’nem Schreck! Wo wohnen Sie? Brunnenstrasse 943, Gartenhaus, drei Treppen rechts bei Schneider Wippke? Gott soll bewahren! Es gibt doch viel Elend auf der Welt! Werden Sie morgen ausziehen und in eine vernünftige Pension im Westen, dass man mit Ihnen Staat machen kann! E Star wohnt nicht im Vogtland . . .“

      „Ich möchť mir zähmen einen jungen Star . .“ rezitierte Senestry sinnend.

      „Haha . . Werden wir auch! Die Frau wird noch gross aufgenommen werden! Ich hab’ ’nen Blick! . . Morgen früh um neun geht’s los . . . draussen . . . vor Berlin . . im Buchwitzer Atelier . . Kennen Sie’s.?“

      „Ja, Herr Direktor! . . Ich war schon dort . . da fahr’ ich mit der Stadtbahn um . . . .“

      „Stadtbahn sagt sie!“ unterbrach sie Turkowitz gerührt. „Punkt acht hält das Direktionsauto bei Ihnen in der Brunnenstrasse. Dann trödeln Sie gefälligst nix noch lange ’rum, sondern haben Ihre sieben Zwetschgen schon fix und fertig in ’nem Wäschekorb verpackt — den trägt Ihnen der Chauffeur in den Wagen . . Und dann los!“

      „Was soll ich denn mitbringen?“

      „Sie sind im Film: Die arme Mali. Eine Wiener Baroness“, erläuterte der Regisseur Billing geschäftsmässig mit einem Blick in das blaue Manuskriptheft. „Das sagt schon, dass Ihre Kleidung nicht an sich ärmlich ist, sondern vielmehr abgetragen, verschlissen — aber ehemaligen Wohlstand verratend — vielleicht sogar einstigen Luxus . . .“

      „Das krieg’ ich ohne alle Apparate fertig“, sprach Hansine Peternell mit einem Zucken um die Lippen. „Solche frühere Herrlichkeit hängt bei mir schon noch im Schrank.“

      „Nur . .“ Götz Billing las wieder . . . „das Stück spielt, in Ihren morgigen Bildern, schon vor einigen Jahren. Wir brauchen also eine unmoderne Toilette. Je älter, je besser.“

      „Da hab’ ich gerad’ noch was“, sagte die hübsche Blondine plötzlich eifrig. „Ach — das war seinerzeit reizend . . . kornblumblau . . mit weissem Schwanbesatz . . . und Spitzen . . . jetzt ist’s natürlich ganz schäbig und vermottet. Ich hatt’ es so lieb . . drum hatt’ ich es mir als Andenken aufgehoben . . Ja . .“ Sie wechselte einen raschen Blick mit ihrem ehemaligen Gatten und wurde blass. ,,Das, was Sie meinen, Herr Billing . . . das, was ich damals auf der Hochzeitsreise mithatte.“

      Einen Augenblick schien es, als zuckte es dem andern unter dem blonden Bart. Aber eigentlich veränderte sich sein Gesichtsausdruck nicht. Er sagte, nach einer kurzen Pause, ruhig:

      „Das wird das rechte sein! Ziehen Sie das nur draussen an, Fräulein Peternell! Auf Wiedersehen morgen!“

      Der Regisseur schaute dem flüchtig davonwehenden, schlanken, braunen Komplet-Gewand nach, das kurzröckig um die schmalen, braunseiden bestrumpften Knöchel spielte. Er fuhr sich mit der Hand über die Stirn. Er sagte:

      „Ich möchte übrigens, im Interesse des Rufes meiner verflossenen Frau, betonen: Sie hat sich nichts zuschulden kommen lassen! Sie ist nur einfach eines schönen Tages von mir weg, weil sie behauptete, durchaus nicht mehr mit mir leben zu können!“

      Die Herren schwiegen und nickten.

      „Das waren eben diese grenzenlos leichtsinnigen Kriegstrauungen damals . . Man kannte sich ja gar nicht . .“ begann Götz Billing noch einmal nach einer Weile. „Ich vier Jahre im Feld — verwundet im Offiziers-Lazarett — sie — frisch aus dem Elternhaus — kaum achtzehn, Hilfsschwester. So kam’s . . Ich rede ja sonst nie davon . . Aber wir arbeiten doch nun vier Wochen zusammen. Ich möchte nicht, dass Sie ein falsches Bild von uns gewinnen. Deswegen erzähle ich Ihnen die ganze Moritat! Verzeihen Sie!“

      „Heisst mir ’ne Ehre, Ihr Vertrauen, Herr Doktor!“ sprach Ted Turkowitz. „Werd’ ich Ihnen sagen: Es kommen auch bessere Tage! Das Leben ist wie’n Wasserfall! Bald ’rauf, bald ’runter!“

      Ein glattrasierter Gent — ein lächelndes Modejournal, das Einglas im Auge, trat verbindlich heran.

      „Ich muss die Herren bitten, das Schlachtfeld zu räumen!“ sagte er. „Die Aufnahmen beginnen!“

      Götz Billing bahnte sich durch eine Musterkarte von Pierretten, Maharadschas, Rautendeleins, Apachen und Pagen einen Pfad in das Telephonzimmer. Er läutete sein eigenes Not-Atelier an und beorderte, als er das heisere: „Hier Hilfsregisseur Krause — wat jibt’s?“ vernahm:

      „Krause! Wir drehen morgen ab neun in Buchwitz! Haben Sie Bleistift da? Notieren Sie! Bestellen Sie an der Filmbörse: ’n Dutzend Odalisken . . .“

      „Dutzend Odalisken!“

      „— darunter eine geprüfte Bauchtänzerin! Zwei Eunuchen. Ein blinder Meergreis mit einer Flöte. Ferner: Ich bau’ zwei Dekorationen nebeneinander und lasse abwechselnd photographieren, weil man mich mit der Zeit so drängt . . . Ferner also: einige Lebedamen


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