Seewölfe Paket 35. Fred McMason

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Seewölfe Paket 35 - Fred McMason


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Leben, die Stille der Einsamkeit erdrückte.

      Er roch Fisch, der in der Hitze des Tages allmählich zu stinken begann, und frisch gebackenes Brot. Am Wegesrand trocknender Kuhdung vermischte sich mit dem Aroma verschiedener Gewürze, Wolken buntschillernder Fliegen stürzten sich auf ihn, als hätte er etwas an sich, das sie in Schwärmen anlockte.

      Verschleierte Frauen, die vor den Häusern Teig kneteten, bedachten ihn mit scheuen Blicken. Er hörte, daß sie sich hinter seinem Rücken Bemerkungen über die seltsame Kopfbedeckung zuflüsterten.

      Und dann, er hatte eine der beiden mit Steinen gepflasterten Straßen erreicht, die vom Hafen aus zum Tempel und sogar noch einige Meilen weit nach Norden führte, standen plötzlich Kinder vor ihm. Sie riefen, schrien und redeten wild durcheinander, aber sie kreisten ihn so zielstrebig ein, daß er sofort die Absicht dahinter erkannte.

      Zwei Dutzend junge Burschen waren es, einige bestimmt schon dreizehn oder vierzehn Jahre alt.

      „Verschwindet!“ herrschte Malindi sie an.

      Die Meute achtete nicht darauf. Als er sich den Weg erzwingen wollte, sprangen sie ihn johlend an.

      Malindi Rama hatte Mühe, sich der Vielzahl von Fäusten und Füßen zu erwehren, die ihn traktierten. Zugleich versuchte er, den Lederbeutel zu schützen. Wie eine Bande von Straßenräubern fielen die Burschen über ihn her.

      Jemand zerrte ihm die bunte Wollmütze vom Kopf, die so ganz anders war als ein Turban. Auf sie hatten es die Kinder abgesehen.

      Dann erklang ein Schrei: „Seht doch! Seht euch seinen Kopf an!“ Daß so etwas geschehen könnte, hatte Malindi nicht erwartet.

      „Das ist eine Karte!“

      „Von Ceylon und Kandy!“

      Er schaffte es nicht, die Wollmütze wieder an sich zu bringen. Dazu war er nicht mehr gelenkig genug. Und das lauter werdende Geschrei lockte Erwachsene an.

      Einige von ihnen waren Buddhisten. Sie verstanden vielleicht nicht, wer er war und was geschehen war, aber die Kandy-Rufe ließen sie hellhörig werden.

      „Haltet ihn auf!“ gellte es zwischen den Häusern.

      „Er ist ein Frevler, der gewagt hat, Buddha Schande anzutun!“

      Malindi Rama begann zu rennen wie nie zuvor. Er wußte, daß er um sein Leben lief.

       2.

      Ein begehrliches Funkeln trat in die Augen des Hauptmanns, als ihm Hasard die geöffnete Hand hinhielt. Sichtlich zufrieden betrachtete er die kleine Goldmünze, ehe er sie lächelnd an sich nahm und zur Probe darauf biß.

      „Gut?“ fragte der Seewolf.

      Chandras Blick verriet, daß er mehr von diesen Beweismitteln sehen wollte. Er spreizte die Finger der rechten Hand, wobei er den Daumen an den Ballen drückte. Seine Rechenkünste waren eindeutig.

      „Vier Soldaten, Dad“, bemerkte Philip junior. „Die Leute hier haben gesalzene Preise. Hoffentlich ist die Gegenleistung das Gold wert.“

      „Wir werden sehen.“ Philip Hasard Killigrew brachte vier weitere Münzen zum Vorschein. Der Hauptmann nahm sie nacheinander entgegen, prüfte jede und nickte zufrieden.

      „Wir sind keine Betrüger“, sagte Hasard.

      „Natürlich“, bestätigte Bose.

      „Und jetzt?“

      Der Inder löste die Lunte, schnippte sie über Bord und schulterte die Flinte.

      „Sie und Ihre Männer sind willkommene Gäste, Senhor. Sprachen Sie nicht davon, daß Sie viele Waren brauchen?“ Er wartete die Antwort nicht erst ab, sondern klatschte befehlend in die Hände und rief einige Sätze, deren Sinn die Zwillinge nur halb verstanden. „Wir halten das Schiff nicht länger besetzt“, sagte er entschuldigend zu Hasard. „Das bleibt nun anderen überlassen.“

      Wen er damit meinte, wurde klar als seine Leute die Schebecke verließen und mit den wartenden Händlern redeten.

      „Dad“, sagte Philip argwöhnisch, „wir sollten uns auf eine Invasion einstellen.“

      Damit traf er den Nagel auf den Kopf. Als nämlich gleich darauf die Inder das Schiff stürmten, schlug sogar der Profos entsetzt die Hände zusammen.

      „Mann, o Mann!“ ächzte er. „Eine Horde wilder Affen ist nichts gegen diese Rübenschweine.“

      Arwenack, der Bordschimpanse, reagierte gekränkt. Er schimpfte und zeterte von der Großrah herab, fletschte die Zähne und zeigte Carberry mit einer solchen Ausdauer einen Vogel, daß der Profos am liebsten aufgeentert wäre, um ihm Manieren beizubringen. Allerdings wußte Carberry zu gut, daß er Arwenack nie erwischen würde. Deshalb beließ er es bei dem Gedanken und stellte sich lieber den „verrückten Indern“ entgegen, die an ihm wie an einem Wellenbrecher vorbeifluteten.

      Jeder wollte der Erste sein. Jeder hatte die besten und billigsten Waren und bemühte sich, seine Konkurrenten durch Lautstärke aus dem Feld zu schlagen.

      Das Chaos war nahezu perfekt.

      Die Arwenacks feixten. Wie es aussah, wollte keiner der Heimsuchung die Stirn bieten. Im Gegenteil. Alle warteten darauf, daß der Kutscher oder Mac Pellew ein Machtwort sprach. Schließlich war es deren Sache, die Proviantlast zu füllen.

      Der Kutscher verschaffte sich schließlich Gehör, indem er sich auf das Gangspill zwischen Kombüse und Kuhlgräting schwang und laut um Ruhe bat. Das betreffende Wort der indischen Sprache hatte er mittlerweile gelernt.

      Der erste Koch und Feldscher der Arwenacks stand plötzlich im Mittelpunkt des Geschehens.

      „Weiter, Kutscher!“ rief Luke Morgan.

      „Oder hat es dir schon die Sprache verschlagen?“ fragte Bob Grey scheinheilig.

      „Was heißt ‚schöne Frauen‘ auf Indisch?“ Sam Roskill grinste erwartungsvoll.

      Jung Hasard rettete die Situation, bevor Mac Pellew – oder gar der Kutscher selbst – auf die Idee verfiel, die Mannschaft auf halbe Ration zu setzen. Wer den Kopf voll dummer Sprüche hatte, brauchte sich nicht zu wundern, wenn später sein Magen knurrte.

      „Wir wollen vor allem Früchte“, sagte Hasard zu den Händlern. „Bananen, Zitronen, und falls ihr Melonen beschaffen könnt, auch davon. Außerdem Salat. Und dann Fleisch, gepökelt oder gedörrt. Eier und ein paar lebende Hühner wären auch nicht schlecht.“

      „Die Schebecke ist kein schwimmender Stall, wie die ‚Respectable‘ einer war“, maulte Old Donegal Daniel O’Flynn. „Die Hühner müssen gerupft sein, Junge, sonst handeln wir uns Ärger ein.“

      „… und Arbeit“, sagte Will Thorne, der Segelmacher.

      Hasard junior hörte schon nicht mehr zu. Zum zweitenmal betete er seine Litanei herunter. Die Händler, die ihn immer noch nicht verstanden hatten, wurden von den anderen aufgeklärt.

      Die Kuhl der Schebecke verwandelte sich in einen orientalischen Basar, zumindest was die Lautstärke und die Farbenpracht betraf. Es dauerte nicht lange, bis Helfer der Händler die ersten Körbe an Bord schleppten.

      Ballen feinster Seidenstoffe wurden über die Gräting ausgerollt. Daneben bot ein greiser Mann mit schütterem, weißen Ziegenbart Krebse an. Und ein Jüngling – vermutlich sein Enkel, denn er trug die gleiche unverwechselbare Manneszierde – holte aus einem hölzernen Kübel Kugelfische hervor.

      Der Anblick der heftig schnappenden Meeresbewohner rief bei Old Donegal unangenehme Erinnerungen wach.

      „Weg mit dem Viehzeug!“ rief er. „Soll ich etwa wieder scheintot umfallen, hä?“

      Der Jüngling, in der irrigen Annahme, einen entschlossenen Käufer gefunden zu haben – nachdem alle anderen Engländer zwar herzhaft gafften, aber


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