Seewölfe Paket 35. Fred McMason
Читать онлайн книгу.Faß zum Überlaufen. Er sah plötzlich rot, stürzte sich auf den verdatterten jungen Mann und schüttelte ihn so heftig, daß seine borstigen Barthaare nach allen Seiten abstanden.
„Sieh zu, daß du Land gewinnst, du, du – Scharlatan“, giftete er. „Willst uns umbringen, was? Aber nicht mit mir. Die Fische sind ungenießbar, verstehst du? Un-ge-nieß-bar!“
Der Inder verstand nicht. Er versuchte vielmehr, Old Donegal mit Nachdruck von der Güte seiner Ware zu überzeugen. Letztlich erreichte er damit nur, daß der Admiral explodierte – wie eine Culverine bei der Zündung einer doppelten Pulvermenge.
Der alte Zausel versetzte dem Jüngling einen heftigen Stoß. Der Inder taumelte, prallte gegen das Lukensüll und setzte sich, zum einen auf die feinen Seidenstoffe, die keiner der Arwenacks haben wollte, zum anderen auf einen seiner Kugelfische, den er prompt zwischen seinem Achtersteven und der Seide zerquetschte.
Nicht nur der Stoffballen nahm ihm diese Behandlung übel, auch sein Großvater wirkte alles andere als begeistert. Im Nu standen sich beide wie Kampfhähne gegenüber.
„Hundert Rupien auf den Jungen!“ rief Paddy Rogers begeistert aus. „Wer hält mit?“
„Ich“, sagte Jack Finnegan. „Aber nur zwanzig Rupien.“
Erfreut und auffordernd zugleich blickte Paddy Rogers in die Runde. „Wettet noch einer auf den Tuchhändler und gegen mich?“
„Moment mal“, protestierte Finnegan. „Du verstehst mich falsch.“
„Ich setzte auf den mit den Fischen“, sagte Paddy zur Klarstellung.
„Ich ebenfalls“, erklärte Finnegan, was seinen Freund, der nicht nur gutmütig, sondern auch schwerfällig im Denken war, beinahe überforderte.
„Beide auf denselben ist un…“ Der Rest von Paddy Rogers’ Feststellung geriet zum unverständlichen Nuscheln, weil nämlich just in dem Moment der Jüngling seinen zweiten Kugelfisch Old Donegal schenkte. Das heißt, er warf den Fisch mit einer knappen Armbewegung.
Old O’Flynn dachte gar nicht daran, sich einen stinkenden und in seinen Augen ungenießbaren schuppigen Meeresbewohner andrehen zu lassen. Er tauchte unter dem zappelnden Wurfgeschoß weg.
Paddy Rogers’ Pech war es, daß er nur zwei Schritte hinter dem Admiral stand. Deshalb kriegte er gehörig eine gewischt. Es sah sogar so aus, als schnappe der Fisch nach seiner Nase.
Old Donegal meckerte wie ein Ziegenbock und vergaß dabei völlig, daß eigentlich er der Urheber dieses Durcheinanders war. Er lachte noch, als Paddy den Fisch packte und über Bord beförderte.
„Außergewöhnlich gut Fisch“, erklärte der Händler in miserablem Portugiesisch. „Sehr groß, sehr gut, sehr …“
„… teuer?“ fragte Jack Finnegan scheinheilig.
Der Jüngling mit dem abstehenden Bart nickte eifrig. „Ja, ja“, versicherte er. „Sehr …“ Sein Gesichtsausdruck sprach Bände, denn offenbar dämmerte ihm, daß er genau das falsche Wort erwischt hatte. „Nix!“ rief er sofort. „Gar nix teuer.“
„Wieviel?“ erkundigte sich Philip junior.
„Untersteh dich!“ protestierte Old Donegal. „Von den Fischen will ich keinen in der Pfanne sehen.“
„Der Kutscher schafft es bestimmt, ein schmackhaftes Gericht aus ihnen zu zaubern. Mit einer Kräutersud übergossen …“
„Selbst dann nicht, wenn es Rumsoße dazu gibt.“
Der Inder, obwohl des Englischen nicht mächtig, erkannte immerhin, daß die Diskussion seiner Fische wegen geführt wurde. Böse Geister flüsterten ihm ein, daß ausgerechnet der Alte mit dem Holzbein besonders interessiert sei. Prompt zog er aus seinem Kübel zwei weitere stattliche Exemplare hervor.
„Zwei Cahuns. Ist nicht zuviel.“
Old Donegal atmete tief durch. „Weißt du, was du mich kannst?“
„Sieben Annas.“ Der Inder schraubte seine Preisforderung ein klein wenig zurück.
„Ich will keine Annas“, schnaubte der Admiral. „Schon gar nicht als Dreingabe zu dem Fischzeug. Mary Snugglemouse kratzt mir die Augen aus, wenn ich mit anderen Weibern antanze.“
„Mit Annas zahlt man in Indien“, klärte ihn Hasard junior auf. Old Donegal zog daraufhin verblüfft die Augenbrauen hoch.
„Siebenundzwanzig Pysas“, sagte der Inder.
„Paß auf, Granddad.“ Hasard hielt den Alten fest, bevor der auf dumme Gedanken verfiel. „Eine Rupie sind vier Cahuns. Die entsprechen sechzehn Annas oder vierundsechzig Pysas.“
„Ich will nichts davon hören. Absolut nichts. Von mir aus soll sich an den Fischen vergiften wer will, ich jedenfalls nicht.“ Old Donegal ließ den verblüfften Händler einfach stehen. Und vorbeugend fügte er hinzu, während er zwischen den feilschenden Indern hindurchschritt, die selbst vom letzten Quadratinch der Kuhl Besitz ergriffen hatten: „Ich will keine Seidentücher, kein Obst, keine Schnitzereien, einfach überhaupt nichts.“
Vor dem Backbordniedergang verharrte er, stemmte die Fäuste in die Hüfte und blickte zum Seewolf hinauf, der an der Querbalustrade stand und das bunte Treiben verfolgte. „He, Sir, wie kannst du zulassen, daß die Schebecke in einen Affenstall verwandelt wird?“
„Was hast du gegen eine Abwechslung?“ fragte der Seewolf zurück. „Außerdem brauchen wir wirklich einige Dinge, die wir günstig erstehen können.“
Mac Pellew, der stets sauertöpfische zweite Koch der Arwenacks, nahm sich des jungen Fischhändlers an. „Das Zeug da“, er deutete auf den Kübel, in dem die Kugelfische nach Luft schnappten, „kannst du in den Bach kippen. Keiner will die Viecher.“
Jung Hasard übersetzte wörtlich.
„Frisch ist die Ware auch nicht“, sagte Mac, kaum daß Hasard geendet hatte. „Sie stinkt zum Himmel. Übersetze das genau, Hasard.“
Der Inder starrte ihn wortlos an. Mac bemühte sich, den Blick auf andere Waren zu richten. Er pfiff eine leise Melodie vor sich hin.
„Fünfzig Pysas.“ Der Händler unternahm einen letzten Versuch, seine Fische zu verkaufen.
Mac Pellew schien den Tränen nahe. Stumm schüttelte er den Kopf, sein Blick wanderte in Richtung Kombüse. Die Arwenacks in unmittelbarer Nähe, die diese Geste verstanden, wandten sich daraufhin ab. Der Koch war zufrieden – weniger der Inder, der plötzlich allein dastand.
„Vierzig Pysas, Senhor!“ rief er Mac hinterher.
Der Kombüsenmann konnte seine schottische Abstammung nicht verleugnen. Er vergrub die Hände in den Hosentaschen, bis es beim besten Willen nicht mehr tiefer ging, und pfiff eine schräge Melodie.
„Dreißig …“ Der Inder seufzte, als würde ihm soeben das letzte Hemd ausgezogen.
Langsam drehte sich Mac Pellew auf dem Absatz um. Sein Gesicht wirkte weinerlich.
„Fünf Pysas“, sagte er. „Aber selbst die tun mir in der Seele weh.“
Jung Hasard übersetzte wortgetreu, und der Inder fiel schier aus allen Wolken. Er schluckte schwer, räusperte sich, weil ihm die Stimme versagte, schluckte nochmals und fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund.
„Zwanzig!“ Das klang kläglich.
„Fünf“, wiederholte Mac Pellew. „Und das ist schon mehr, als ich vertreten kann. Warum sollte ich Fische kaufe, die niemand will? Nur weil ich so gutmütig bin?“
Sie feilschten auf Biegen und Brechen. Gegen den Schotten hatte der Jüngling, und mochte er noch so gewitzt sein, nicht den Hauch einer Chance. Mac reduzierte schließlich sein Angebot auf vier und kurz darauf sogar bis auf drei Pysas. Dem Inder stand der Schweiß auf der Stirn, er war blaß geworden und zitterte, als sie endlich handelseinig wurden.
Old