Seewölfe Paket 35. Fred McMason
Читать онлайн книгу.Kontrast zu dem schwarzen Haar stehenden eisblauen Augen. Der Riese unterschied sich noch durch eine Narbe im Gesicht und silbergraue Schläfen. Das Erscheinungsbild dieses Mannes wirkte auf den Kaufmann gefährlich. Er sah jedoch einen verbindlich lächelnden Mann vor sich.
„Willkommen“, sagte der Seewolf. „Die jungen Gents sind meine Söhne. Ich bin Philip Hasard Killigrew.“
Der Kaufmann verneigte sich erneut und ging mit seinem Schreiber an Bord.
Der Schreiber wurde ebenfalls vorgestellt.
„Ich bin hier, um Ihnen zu danken, Senhor Killigrew“, sagte der Kaufmann. „Gehe ich fehl in der Annahme, daß sie vorhatten, mich aufzusuchen?“
Die Verblüffung lag jetzt bei Hasard. Überrascht blickte er in schwarzbraune Augen.
„Das hatte ich allerdings vor, Senhor Chand. Aber wie konnten Sie das wissen?“
„Es ist eine logische Schlußfolgerung, nichts weiter.“ Die Worte wurden von einem aufrichtigen Lächeln begleitet. „Ich habe alle Vorgänge hier im Hafen natürlich genau beobachtet, möchte Ihnen ganz einfach danken und versuchen, mich zu revanchieren.“
„Ich wollte Sie tatsächlich um etwas bitten“, sagte Hasard.
„Die Bitte ist jetzt schon gewährt“, entgegnete der Kaufmann. Er saß jetzt auch im Schatten unter dem Sonnensegel neben seinem Schreiber, der sehr aufmerksam zuhörte.
„Sie kennen meine Bitte noch gar nicht.“
Hasard fühlte sich, als sei er bei einem Hellseher, der ihm die Zukunft voraussagen konnte.
„Sie möchten ein paar Elefanten“, sagte er schlicht. „Das ist ganz naheliegend und nur natürlich.“
„Ich muß gestehen, daß ich trotzdem verblüfft bin, Senhor Chand.“
Der Kaufmann lächelte wie einer, der wirklich alles wußte.
„Sie und dieses andere Schiff“, sagte er etwas ernster, „haben uns von einer ziemlich üblen Plage befreit. Spanier und Portugiesen hatten offenbar vor, sich hier niederzulassen, doch das ist zum Glück noch rechtzeitig verhindert worden. Sie wurden bereits aufdringlich und fühlten sich als die Herren schlechthin. Ihre Söhne haben mir eine Menge erzählt. Jetzt haben Sie sich das zurückgeholt, was man Ihnen gestohlen hat. Das war nichts weiter als Ihr gutes Recht. Ich konnte sie bei dieser Aktion leider nicht unterstützen, was ich hiermit tief bedaure. Aber Sie haben Ihr Eigentum noch nicht ganz zurück.“
„Es ist nicht mein Eigentum, die Ladung ist für den Sultan von Golkonda bestimmt, der sie an Akbar weiterleiten wird.“
„Auch das weiß ich von Ihren Söhnen. Der große Ischwar Singh hat sie Ihnen anvertraut. Wieviel fehlt Ihnen jetzt noch?“
„Zweiundzwanzig Kisten, vierzehn Fässer und zwölf Ballen“, zählte der Seewolf auf. „Aber das ist vermutlich bereits nach Kandy gebracht worden, wie ich annehme, oder zumindest auf den Weg dorthin.“
Der Kaufmann schüttelte sehr bestimmt den Kopf. Mit seinen Händen vollführte er eine beschwichtigende Bewegung.
„Es sollte ursprünglich nach Kandy gebracht werden, Senhor Killigrew. Doch ich habe erfahren, daß die heiligen Männer ihren Vorsatz geändert haben. Der heilige Zahn ist in Kandy nicht mehr sicher. Man wird ihn nach Anuradhapuraya bringen, einen Ort im Norden der Insel. Dorthin wird man auch das Gold transportieren. Es soll vorübergehend in das ehemalige Kloster Jetavana Dagoba gebracht werden, einstmals ein Kupferpalast und neungeschossiger Klosterbau. Dort gibt es noch heute unter den großen Steinsäulen geheime Gänge und Anlagen, die nur Eingeweihten bekannt sind.“
„Woher wissen Sie das so genau?“ fragte Hasard.
„Ich habe überall meine Zuträger, die mich immer auf dem laufenden halten. Ich weiß über so gut wie alles hier Bescheid. Der Weg ist natürlich weitaus kürzer als der nach Kandy zum Tempel des Zahns. Sie müssen wissen, Senhor Killigrew, daß dieser Weisheitszahn Buddhas das größte Heiligtum darstellt und hoch verehrt wird. Ich bin sicher, daß die heiligen Männer es nicht auf Ihr Gold und Silber abgesehen haben.“
„Sie haben sich aber so benommen“, sagte Hasard.
„Das war ihre verständliche Aufregung. Was die Reliquie betrifft, so versteht man hier keinen Spaß und würde die Frevler bedenkenlos töten. Es sind Fanatiker, und sie sind mitunter sehr unberechenbar.“
„Ja, das haben wir bemerkt“, sagte Hasard etwas erbittert.
Hasard ließ den beiden Männern Kokosmilch bringen, die auch dankbar angenommen wurde.
„Ich möchte Ihnen einen Vorschlag unterbreiten, Senhor Killigrew“, begann der Kaufmann, nachdem er einen kleinen Schluck getrunken hatte.
„Sie sind mir keinen Dank schuldig, Senhor Chand.“
Hasard sprach das Portugiesisch bedachtsam und so langsam, daß der Mann alles einwandfrei verstehen konnte. So gab es auch keinerlei Verständigungsschwierigkeiten.
„Ich bin Ihnen mehr Dank schuldig, als Sie glauben“, widersprach der Kaufmann. „Diese Fremden haben mich nicht nur betrogen, um enorme Summen übrigens, sie haben auch meinen Ruf geschädigt und Mißtrauen zwischen mich und andere gesät. Sie sind jetzt also bemüht, Gold und Silber zurückzuholen. Ich stelle Ihnen zehn Elefanten zur Verfügung, dazu die entsprechenden Mahauts und Männer, die den Weg genau kennen und ebenfalls über alle Geschehnisse informiert sind. Also Männer, die mit den heiligen Männern reden können, um den Sachverhalt zu klären.“
Hasard war erleichtert, daß alles so leicht zu gehen schien.
„Ich möchte das aber nicht unentgeltlich haben“, sagte er schnell. „Betrachten wir es als ein Geschäft.“
Der Inder wehrte hastig ab und wedelte mit den Händen. Dabei blitzten ein paar Steine seiner Ringe grell im Sonnenlicht auf.
„Sie wollen mich doch nicht beleidigen, Senhor.“
„Um Gottes willen, nein“, wehrte Hasard ab. „Ich bin Ihnen natürlich sehr dankbar für Ihre Hilfe.“
„Das freut mich. Sie haben mich vor unendlichem Schaden bewahrt. Ich schlage vor, daß wir heute noch aufbrechen, um den Vorsprung zu verkleinern. Die Männer haben nur zwei Elefanten dabei. Sie werden einen großen Teil der Kostbarkeiten zwangsläufig mit sich herumtragen müssen. Das hält dementsprechend auf, weil der Marsch durch den Regenwald geht. Ich halte es aber für besser, wenn wir alles klären, denn bei den Tempeln in Anuradhapuraya kann es Komplikationen geben. Die heiligen Männer dulden in ihrem Heiligtum keine Fremden.“
„Das verstehe ich“, sagte Hasard.
„Sie brauchen nicht sehr viele Ihrer Männer mitzunehmen“, sagte der hochgewachsene Ceylonese. „Ich gebe Ihnen für jeden Elefanten einen ausgebildeten Mahaut mit sowie die anderen versprochenen Leute.“
„Würde ein halbes Dutzend meiner Männer ausreichen?“ fragte der Seewolf.
„Ganz sicher. Das sind sechs Männer, nicht wahr? Das müßte wirklich genügen.“
In Hasard keimte für kurze Augenblicke Mißtrauen auf, und er schämte sich deshalb.
Dieser Kaufmann schien wirklich einer von der ehrlichen Sorte zu sein, der auf seinen guten Ruf bedacht war. Wäre er hinter dem Gold und Silber selbst hergewesen, dann hätte das nicht das geringste Problem für ihn bedeutet. Er hätte seine Elefanten nehmen und sich das Zeug unter den Nagel reißen können.
Er schob das Mißtrauen rasch beiseite.
„Ich bin einverstanden und nehme dankend an, Senhor Chand. Ich werde mich selbst bei der Suche beteiligen, meine beiden Söhne sowie drei weitere Männer mitnehmen, die ich noch auswähle. Wir sind jederzeit bereit, aufzubrechen.“
„Ja, wir sollten wirklich keine Zeit mehr verlieren“, sagte der Kaufmann. Dann wandte er sich an seinen Schreiber und sagte etwas in seiner Sprache.