Privatdetektiv Joe Barry - Sein Freund der Henker. Joe Barry

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Privatdetektiv Joe Barry - Sein Freund der Henker - Joe Barry


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      Wenn Brown seinen Ärger mit Spott mischte, war das so erfrischend wie eine Ätzdusche mit rauchender Salpetersäure.

      „Setzen Sie sich, Captain“, knurrte Brown. „Seit wann sind Sie bei uns?“

      „Seit zehn Jahren.“

      „Und wie lange Chef der Abteilung II?“

      „Sieben Jahre.“

      „Ist es Ihnen schon einmal passiert, daß ein Mörder, den Sie oder Ihre Leute überführt haben, hingerichtet und hinterher als Unschuldiger rehabilitiert wurde?“

      „Also daher weht der Wind“, brummte Antony und bediente sich aus der Zigarettenpackung seines Vorgesetzten. „Um wen handelt es sich?“

      „Nick Romano.“

      „Ich kenne den Fall. Ich habe Leutnant Myers mit einer Sonderkommission nach Utica geschickt. Er hat ihn geschmissen. Wir saßen Nickboy schon lange auf den Fersen.“

      „Well, was würden Sie dazu sagen, wenn der Mann, der am 15. Mai hingerichtet wurde, überhaupt nicht Nick Romano war?“

      Antony starrte den Attorney überrascht an.

      „Ist das Ihr Ernst?“

      „Cyril Hopkins, der Verteidiger des Hingerichteten, ist rührend darum besorgt, dafür den Beweis zu erbringen.“

      „Hopkins“, murmelte Antony. „Ein gerissener Bursche! Was verspricht er sich davon?“

      „Er scheint von seiner Ansicht überzeugt.“

      „Aber das ist doch Unsinn, Nick Romano wurde einwandfrei von Zeugenwiedererkannt. Er hatte genug Gelegenheit, auszusagen, aber er hat monatelang geschwiegen. — No, Sir, das ist Unsinn.“

      „Zehn Minuten vor seiner Hinrichtung behauptete Nickboy plötzlich, ein anderer namens Dyme Lodge zu sein.“ Browns Stimme wurde immer lauter. „Ich kenne genau die Bedenken, die Sie gegen derartige Storys vorzubringen haben. Was der Mann wenige Minuten vor seiner Hinrichtung behauptet hat, ist überhaupt nichts — kein Beweis, kein Argument — nichts! Aber Hopkins hat den Burschen ernst genommen. Er hat vergeblich versucht, einen Hinrichtungsaufschub zu erwirken. Dann hat er diesen Fall nachgeprüft. Hier sind seine Ergebnisse.“

      Die Faust des Attorney fuhr krachend auf das Aktenbündel vor ihm auf dem Tisch. Dann öffnete er eine Schublade und zog einen Bericht heraus, den er sich vorher bereitgelegt hatte.

      „Und hier sind die Ergebnisse der Ermittlungen Ihrer famosen Leute, Captain, angeführt von Leutnant Myers. Die Ergebnisse, die das Schwurgericht dazu brachten, Nickboy oder wer immer es gewesen sein mag, zum Tode zu verurteilen.“

      Brown gab die Stichworte an.

      „Punkt eins: Nick Romano wird von New Yorker Polizei schon lange gejagt. Da Verdacht besteht, daß ein in Utica wegen Mordverdachts festgenommener Mann mit Nick Romano identisch, Entsendung von Leutnant Myers. Zeugenaussagen bestätigen, daß der Festgenommene tatsächlich Nickboy ist.

      Punkt zwei: Mordprozeß gegen Nick Romano. Nickboy verweigert jede Aussage. Er wird aber von einem Kollegen des ermordeten Bankkassierers wiedererkannt. Alibi kann er nicht nachweisen. Sein beharrliches Schweigen bringt die Geschworenen nicht auf seine Seite. Hopkins versucht vergeblich, die Aussage des Bankmannes zu erschüttern.

      Punkt drei: Es gelingt Myers im letzten Augenblick, einen Mann aufzutreiben, der unter Eid aussagt, früher zu Nickboys Bande gehört zu haben. Dieser Mann bestätigt, daß der Angeklagte Nickboy ist und daß er sich zu dem fraglichen Zeitpunkt in Utica aufhielt und einen Banküberfall, so, wie tatsächlich dann ausgeführt, plante. —

      Nickboy wird verurteilt und hingerichtet.“

      Der Attorney ließ das Blatt sinken.

      „Klingt doch prächtig, oder? Einen lückenlosen Indizienbeweis nennt man so etwas, oder?“

      „Wie wär’s, wenn Sie mal hören ließen, was der schlaue Hopkins herausgefunden hat“, schlug Antony Starr vor.

      „Okay. Hopkins ging von dem Namen Dyme Lodge aus. Wie Sie wissen, hatte Nickboy im letzten Augenblick behauptet, in Wirklichkeit so zu heißen und von dem echten Nick Romano mit Versprechungen dazu gebracht worden zu sein, sich verurteilen zu lassen.“

      „Ich würde sagen, nie war eine Lüge offensichtlicher“, brummte Antony.

      „Das war auch mein erster Gedanke, Starr. Aber manchmal erlebt man die unglaublichsten Geschichten. Hopkins hat herausgefunden, daß es tatsächlich einen Mann namens Dyme Lodge gab, und zwar hier in New York. Dieser Dyme Lodge war ein harmloser Irrer, wenn Sie sich das vorstellen können.“

      „Von der Sorte kenne ich mehrere.“

      „Er war ständig arbeitslos und Dauergast in den Wohlfahrtsheimen der Bowery. Sein Name taucht dort überall in den Listen auf. Nebenbei war er mit der Ginbuddel verheiratet. Dieser Dyme Lodge hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit Nick Romano, den er auch kannte. Nickboy verwendete ihn gelegentlich für kleinere Aufträge, Botengänge und ähnliches. Wahrscheinlich benutzte er auch die Ähnlichkeit, um sich Alibis zu zimmern — nicht für die Polizei, sondern für die Konkurrenz. Nickboy war nämlich ein Außenseiter in der Branche und hatte mit allerhand Schwierigkeiten zu kämpfen.“

      „Wer behauptet das alles?“

      „Seine Frau.“

      Antony stieß heftig den Rauch seiner Zigarette aus.

      „Die hat man gefunden?“

      „Hopkins hat sie gefunden“, betonte Brown und biß die Spitze seiner Zigarre ab. „Ja, Captain, es kommt noch besser. Diese Aussagen wurden von Leuten in der Bowery bestätigt, die Dyme Lodge gut gekannt haben. Offenbar hatte er eine redselige Ader. Well, unterstellen wir mal, daß das alles wahr ist. Erwiesen ist ferner, daß Dyme Lodge nicht gerade das Pulver erfunden hat. Vor zwölf Jahren wurde er mit dem gelben Schein aus der Armee entlassen — als geistig unzurechnungsfähig. Nur weil er harmlos war, steckte man ihn nicht in eine Anstalt.“

      „Die Geschichte finde ich nicht sehr erheiternd“, sagte Antony Starr.

      „Abwarten“, winkte Brown ab. „Wissen Sie, wann Dyme Lodge zum letztenmal gesehen wurde? Am 30. Oktober 1962. Das war einen Tag vor der Ermordung von Steve Forester in Utica!“

      „Und seitdem nicht mehr?“

      „Jedenfalls kennen wir keinen, der ihn seitdem gesehen hat. Seiner Frau hat er erzählt, Nickboy habe einen größeren Auftrag für ihn, der ihm eine Stange Geld einbringen werde. Ein paar Tage später wurde der Mörder von Forester in Utica verhaftet. Was mit dem Mann weiter geschah, ist bekannt. Die Frau von Dyme Lodge dachte erst, ihrem Mann wäre etwas zugestoßen. Deshalb erstattete sie am 6. Dezember Vermißtenanzeige, zog sie aber nach drei Tage wieder zurück.“

      „Warum?“

      „Well, laut Hopkins hat sie Nachricht von einem Mitglied der Romano-Bande erhalten. Nickboy sei hochgegangen und Dyme Lodge werde noch von der Polizei gesucht. Die Gang werde aber für ihn sorgen. Sie solle sich ruhig verhalten und keinen Staub aufwirbeln. Wenn Nickboy erst einmal verurteilt sei, werde das Interesse an Dyme Lodge nachlassen und er käme zu ihr zurück. Sie hat das geglaubt, zumal um die gleiche Zeit die Meldung durch alle Blätter ging, der Mörder in Utica sei Nick Romano. Sie unternahm nichts.“

      „Sie stellte auch keine Nachforschungen an?“

      „Nein, sie wollte zwar erst nach Utica fahren und der Verhandlung beiwohnen, aber sie bekam Nachricht von der Bande, die Polizei werde sie beschatten. Um ihren Mann nicht zu gefährden, unternahm sie nichts.“

      „Well, was so eine treusorgende Gattin ist …“

      „Hopkins hat sie natürlich aufgesucht, ohne ihr den Grund zu verraten. Er zeigte ihr nur ein Foto. Es stellte den angeblichen Nickboy dar, aufgenommen im Zuchthaus Scranton, kurz vor seiner Hinrichtung. Hopkins sagt, die Frau habe ausgerufen: ,Das ist ja Dyme!‘ Was


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