Asiaten! Ein Liebesroman aus zwei Welten. Artur Hermann Landsberger

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Asiaten! Ein Liebesroman aus zwei Welten - Artur Hermann Landsberger


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Fenster und glaubte deutlich ihren Atem zu vernehmen. Er fand nicht den Mut, an das Holz des Fensters zu klopfen oder das Gesicht dem Glas zuzuwenden, so daß sie ihn, falls sie wach war, hätte sehen können. Er war ja ohne Plan und Absicht. Wie es auch jetzt eigentlich nicht bedacht, Vielmehr Ausbruch des Gefühls, das ihn beherrschte, war, als er den Mund an die Scheibe preßte und inbrünstig „Hana!“ sagte.

      „Ich komme!“ klang eine Stimme. Es war Hanas Herz, das sprach. Kaum, daß ihr Mund die Lippen bewegte.

      Sie öffnete und beugte den zarten Körper aus dem Fenster. Taizo Hodsumi breitete die Arme aus. „Komm!“ sagten die. Sie legte den Kopf in seine Hände. Er fühlte die Lippen und die heißen Tränen und das Schluchzen eines armen Herzens. Er sah das weiße Gesicht sich heben, sah schmerzverzerrte Züge, sah ein Lächeln ohne Hoffnung, den schmalen Körper, der ohne Leben schien, zitternde Hände, die das Fenster schlossen, einen Schatten, der den Kopf bewegte und zurück ins Zimmer schwebte.

      Taizo Hodsumi stürzte fort. Die Brust gepreßt zum Zerspringen. Er lief durch die Straßen — in den Wald — den Fluß entlang. Als er nach Stunden heimkehrte, brannten in Yamakanas Haus die Kerzen.

      Die Kerzen im ersten Stock beleuchteten den Raum, dessen einziger Schmuck der Butsudan (Hausaltar) war. Er stand im Halbdunkel in einer Ecke und war stets verschlossen. Nur der alte Yamakana und seine Nichte Hana besaßen einen Schlüssel. Der Schrank war aus rotem Lack. In der Mitte seines altarförmigen Innern saß ein Buddha aus Alt-Cloisonné. Rechts und links von ihm standen die Ihai, die Tafeln der Toten. Kleine Grabsteine, auf denen die Namen der verstorbenen Verwandten standen. Deren Geister erfüllten den Raum und blieben auch nach dem Tode im Kreise der Familie. Ihnen galt alle Sorgfalt und Liebe. Auch Hana war in Anbetung der alten Gesetze der Lotusschriften erzogen. Sie kniete vor den Tafeln ihrer Eltern und nahm Abschied.

      3

      Omasan benutzte die Reise nach Osaka, um Hana Tatsumi über die Nutzanwendung von dem, was sie in all’ den Jahren gelernt hatte, aufzuklären.

      „Für die japanische Frau erschöpft sich der Sinn des Lebens darin, dem Manne zu gefallen“, sagte sie.

      „Welchem Manne?“ fragte Hana.

      „Jedem, der sich um ihre Gunst bemüht.“

      „Wenn es nun viele sind?“

      „Um so besser für sie. Je mehr Männer, um so mehr Ehre.“

      „Man kann doch aber nur einem dienen.“

      „Man dient allen. Wenn man Glück hat, ist einer darunter, der einen heiratet — dann freilich dient man nur ihm.“

      „Wenn man ihn aber nicht mag?“

      „Darin eben besteht die Kunst, es ihn nicht fühlen zu lassen.“

      „Und wenn man an einen anderen denkt?“

      „Dann wird man alt und elend.“

      „Ich werde immer an einen andern denken.“

      Omasan glaubte, falsch zu hören.

      „Erst mußt du doch mal unter Menschen kommen.“

      „Und wenn ich noch so viele kennen lerne — ich werde doch nur immer an den einen denken.“

      „Du hast ihn dir also schon ausgemalt, deinen Märchenprinzen?“

      „Es ist Taizo Hodsumi.“

      Omasan lachte laut auf.

      „Der Bettelprinz aus Schikotsu?“

      „Der Gold- und Silberschmied“, erwiderte Hana.

      „Ich weiß! ich weiß!“ rief Omasan belustigt. „Der für zwölf Yen die Woche Bäume und kleine Vögel auf Schalen und Zigarettendosen kritzelt. Und du glaubst wirklich, daß ich dich sieben Jahre lang tanzen und singen, Blumen binden und Tee bereiten gelehrt habe, damit du dich mit deinen Gedanken an diesen Bettelprinzen hängst?“

      „Es ist aber so — ohne, daß ich etwas dazu tue.“

      „In acht Tagen wirst du ihn vergessen haben.“

      Hana lächelte nur. Sie wußte, daß es nicht so war.

      Sie befanden sich an Bord der „Akita maru“. Der Dampfer hatte nur Japaner an Bord, die nach der Hauptstadt fuhren.

      Es fiel Hana auf, daß Omasan sich bei dem Obersteward des Schiffes nach den Namen verschiedener Passagiere erkundigte. Am Abend unterhielt sie sich mit zwei älteren Herren, die im Smoking waren und während des Gesprächs mehrmals zu Hana, die am offenen Fenster des Musiksalons stand, hinübersahen. Der Obersteward stand in der Tür und begann mit Hana ein Gespräch über das Meer. Es sei um die Jahreszeit sonst weit stürmischer. Er meinte, die Ruhe diesmal habe man wohl dem Umstand zu danken, daß sich unter den Passagieren der Baron Iwasaki befände. — Auf Hanas Frage, ob er denn der Wettergott sei, erwiderte er: daß der Baron in der Tat ein Liebling der Götter sei. Alles, was er begänne, führe er zum Erfolg. Jeder, der mit ihm in Berührung komme, werde vom Glück begünstigt. Hanas Frage, welcher von den Passagieren der Baron sei, beantwortete der Obersteward, auf einen älteren Herrn im Smoking weisend, der neben Omasan stand:

      „Gefällt er dir?“

      „Ich würde sehr froh sein, wenn er mit mir spräche.“

      In diesem Augenblick kam Omasan mit den beiden Herren auf sie zu. Der Obersteward trat zur Seite, verbeugte sich und sagte:

      „Die kleine Dame, Herr Baron, hat den Wunsch, Ihre Bekanntschaft zu machen.“

      „Da begegnen sich unsere Wünsche“, erwiderte er. Alle verbeugten sich mehrmals. Der Baron trat dicht an Hana heran.

      „Man hat mir viel Gutes von Ihnen erzählt.“

      „Sie sind sehr gütig, so mit mir zu sprechen.“

      „Gewiß ist Ihnen diese Reise nicht leicht gefallen?“

      „Ich danke Ihnen, daß Sie so viel Anteil an mir nehmen.“

      „Sie verstehen es gut, eine Unterhaltung zu führen. Da Sie auch schön sind, so wird der Erfolg mit Ihnen sein.

      „Wüßte ich nur, wodurch ich so viel Lob verdiene!“

      „Sie sind so artig, daß Sie eine Zierde für jedes Teehaus bedeuten.“

      „Und wäre doch viel lieber in Schikotsu geblieben.“

      „Für Sie ist Tokio grade groß genug.“

      „Ich fürchte mich, daran zu denken.“

      „Ich will Ihnen Bilder zeigen aus Tokio und Kyoto. Sie werden sich nicht mehr fürchten. Sie werden sehr froh sein.“

      „Ich wünsche es mir.“

      Er nahm sie bei der Hand und führte sie in die Kabine. — Omasan und der Steward sahen sich an. — Der Freund des Barons kehrte ihnen — nicht zufällig — den Rücken.

      *

      Zwei Stunden später schwebte Hana wie ein Vögelchen mit gebrochenen Flügeln scheu den Kabinengang entlang, schob sich die schmale Treppe zum Deck hinauf und verschwand da in der Dunkelheit.

      Die Passagiere lagen längst in den Betten. Nur im Rauchsalon war noch Licht — und bei Omasan, die aufgerichtet auf ihrem Lager saß und auf Hanas Rückkehr wartete.

      Hana lief das Verdeck entlang, bückte sich, als sie an den hellen Fenstern des Rauchsalons vorüberkam, erschrak vor ihrem eigenen Schatten, der gespensterhaft neben ihr herglitt, ins Riesenhafte wuchs und zur Reeling strebte, als wollte er sich kopfüber ins Meer stürzen.

      Sie lief die Treppe zum Zwischendeck hinunter, scheuchte Leute, die nachtsüber im Freien lagen, aus dem Schlaf und hockte sich vorn am Bug des Schiffes nieder. Sie merkte weder, wie heiß ihr Körper war, noch wie der Wind hier pfiff. Sie fühlte nichts und hatte nicht die Kraft, zu denken. Nur fort von den Menschen wollte sie. Allein


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