Asiaten! Ein Liebesroman aus zwei Welten. Artur Hermann Landsberger
Читать онлайн книгу.erwiderte sie und verbeugte sich tief. Aber gleich darauf fuhr sie fort: „Dann sind Sie also frei und haben für niemanden zu sorgen.“
„Das bin ich. — Ich habe niemand außer Omasan und Onkel Yamakana.“ Sie blickte zu Omasan hinüber. Ihre Augen trafen sich — und Omasan sah, daß sie an Taizo Hodsumi dachte.
Die Friseurin, die Matsu Shuto, wohl versehentlich, einmal bei ihrem Vornamen Shima nannte, fuhr fort: „Wie wäre es, wenn Sie das Kind mir überließen? Sie ist bei mir besser aufgehoben.“
„Wo denken Sie hin!“ erwiderte Matsu Shuto, gab aber Omasan ein Zeichen, mit Shima hinauszugehen.
Sie schob Shima und Omasan in den Nebenraum und schloß hinter ihnen die Tür zu. Zu Hana gewandt, sagte sie:
„Sie kommen gleich zurück.“
Nebenan begann Shima das Gespräch:
„Wenn Ihnen an der Zukunft des Kindes liegt, so sagen Sie „ja“. Ich kenne jedes öffentliche Haus und bessere Teehaus in Yokohama und Tokio. Durch mich hat schon manches Mädchen sein Glück gemacht.“
„Was haben Sie denn für einen Charakter?“
„Einen schlechten, denn ich will verdienen.“
„Das will ein jeder.“
„Gut gesprochen! So kommen wir schnell zu einer Verständigung. Was verlangen Sie?“
„Aber ich kann mir das Kind doch nicht abkaufen lassen. Es gehört mir ja nicht.“
„Wem denn?“
„Niemandem.“
„Dann werde ich es mir einfach aneignen.“
„Sie geht nicht von mir, wenn ich es nicht will. — Im Uebrigen: was sie ist, ist sie durch mich.“
„Sie irren. Das Talent ist ihr angeboren. Genau wie ihre Schönheit.“
„Ich habe Furcht, daß Sie nur den Zweck verfolgen, Kapital aus ihr zu schlagen.“
„Davon können Sie überzeugt sein. Je mehr, umso besser! Aber mit Verstand. Sie ein paar Jahre lang in ein öffentliches Haus stecken und sie dann zu Hausarbeiten verwenden, dazu reicht es schließlich bei jeder. Aber dabei springt nichts heraus. Eine Frau wie die, muß man als Geisha lancieren, und zwar so, daß sie ein Jahr lang Gesprächsstoff in jeder Gesellschaft Tokios ist.“
„Als was?“
„Als die schönste Geisha. — Dann kann sie sich die Männer aussuchen. — Auch heiraten, wen sie will.“
„Mir scheint, daß ich nicht das Recht habe, nein zu sagen.“
„Das scheint nicht nur — es ist so!“
„Ich werde mit ihr sprechen.“
„Erst müßten wir uns über die Bedingungen einig sein.“
„Ein Mensch ist doch kein Kaufobjekt.“
„Daß man hübsche Kinder armen Eltern abkauft, um Geishas aus ihnen zu machen, ist eine alte Sitte in Japan.“
„Weder bin ich die Mutter, noch ist Hana ein Kind.“
„Das erhöht Ihren Anspruch. Denn Zeit und Kosten für die Ausbildung werden gespart.“
„Hanas Ausbildung weist noch Lücken auf.“
„Anmut und Takt gleichen sie aus.“
„Sie hat nie bei einem Bankett serviert.“
„Und wird es nie tun. — Die Zeiten haben sich geändert. Zum mindesten für schöne Frauen. Sie bedienen nicht mehr. Sie werden bedient! Und eine Frau, die nie bedient hat, steht heute höher im Wert als eine, die es nicht mehr nötig hat, zu bedienen.“
„Irgend etwas sträubt sich in mir gegen diesen Handel. — Machen Sie es mit ihr selbst ab. Sie ist klug und alt genug, um über Dinge, die nur sie angehen, zu entscheiden.“
„Sie reden daher wie eine Europäerin. Im übrigen will ich Ihnen verraten, daß ich das längst getan hätte, wenn nicht die Gesetze des Staates dagegen ständen.“
„Was geht das den Staat an?“
„Er schützt die Minderjährigen. — Ein Vertrag, den ich mit dem Kinde schlösse, wäre nichtig und strafbar!“
„Ja, darf denn ich das?“
„Hat die Familie ....“
„Sie besitzt nur einen Onkel.“
„Also: hat der Onkel Ihnen das Recht übertragen, an seiner Statt für die Zukunft Hanas zu sorgen?“
Omasan zog ein Schreiben aus dem Aermel ihres Kimonos.
„Er hat es mir schriftlich gegeben.“
„Ich bitte darum, es lesen zu dürfen.“
Omasan entfaltete das Blatt und reichte es ihr. Shima las es. Ueber ihr Gesicht glitt ein Lächeln.
„Das ist ja ausgezeichnet,“ sagte sie. „Sie schreiben einfach darunter: die mir aus diesem Schreiben zustehenden Rechte übertrage ich an Shima Mataumoto. — Sofort nach der Unterschrift zahle ich Ihnen fünfhundert Yen. Das ist ein schönes Stück Geld. Aber ich werde schon auf meine Kosten kommen.“
„Ich möchte sie doch wenigstens fragen,“ sagte sie.
„Ueberlassen Sie mir das.“ — Im selben Augenblick war sie auch schon durch die Schiebetür hindurch im Nebenzimmer.
Da stand Hana, noch immer beglückt durch die neue Frisur, in einem Kimono von weißer Seide, über dem ein Ko-Uschiki (Ueberkleid), mit roten und blauen Blumen bestickt, lose herabfiel. Um die Mitte war ein rotes Seidentuch geschlungen. Sie lächelte bezaubernd und bewegte sich, einen Tanz andeutend, eben von der Tür aus zurück zum Spiegel.
„Sechshundert Yen — tausend,“ dachte Shima Mataumoto bei diesem Anblick. Die alte Matsu Shuto schob sich in ihre Nähe und flüsterte ihr zu:
„So etwas haben wir noch nicht gehabt. — Sieh’ dir den weißen Fetzen an! Was sie daraus gemacht hat! Er lag zusammen mit anderem Kram in der Ecke für die Nesan. Aus einem Dreck macht sie eine Staatstoilette.“
Hana stand jetzt wieder vor dem Spiegel, verschob die Schärpe ein wenig, nestelte an der Seide herum — und bot ein völlig anderes Bild, das abermals vollendet war.
„Sie sind das schönste Fräulein aus ganz Japan,“ sagte die Alte.
Hana erwiderte lächelnd:
„Heute gefalle ich mir selbst.“
„Sie müssen sich alle Tage gefallen,“ sagte Shima. „Und wenn Sie unter meinem Schutze stehen, werden Sie noch immer schöner werden.“
„Wo ist Omasan?“ fragte Hana.
Shima wies auf das Nebenzimmer und sagte:
„Sie wartet auf Sie. — Aber sie möchte, daß ich zuvor mit Ihnen spreche. — Omasan ist ein vorzüglicher Mensch. Um Sie besorgt, zittert sie um Ihre Zukunft. Sie sieht nun, daß sie nicht die Möglichkeit hat, Ihre Schönheit und Ihre Gaben in das richtige Licht zu setzen. Daher hat sie mich gebeten, mich Ihrer anzunehmen.“
„Und Sie wollen es tun?“
„Würden Sie sich mir denn anvertrauen?“
Hana, das erste Mal in ihrem Leben vor eine Entscheidung gestellt, wurde unsicher. — Shima Mataumota entging es nicht.
„Die Frage ist einfach die: wollen Sie schön und reich sein?“
„Gewiß will ich das!“
„Oder ziehen Sie es vor, nach einem Leben der Enttäuschungen arm und verachtet zu Ihrer Familie zurückzukehren?“
„Nie täte ich das!“
„Dann