Asiaten! Ein Liebesroman aus zwei Welten. Artur Hermann Landsberger

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Asiaten! Ein Liebesroman aus zwei Welten - Artur Hermann Landsberger


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daß die Gäste der Maneki-Nako nur aus reichen Japanern guter Familie und aus wohlhabenden Europäern bestanden, war wohl verbunden, daß die Mädchen in allen Dingen, die das äußere Leben und das körperliche Wohl betrafen, es gut und mehr als gut hatten. Wenn die Mataumoto nicht von der Idee besessen gewesen wäre, eine neue Frauenmoral in Japan einzuführen, so hätten die neun Mädchen im Teehaus ‚Winkendes Kätzchen‘ das glücklichste Leben von der Welt geführt. So aber, beständig darauf hingewiesen, daß sie die Pflicht hätten, sich die Männer zu unterwerfen, erwachte in diesen, sonst gedankenlosen Geschöpfen das Gefühl einer Moral, das sich durchaus nicht mit dem Leben in einem derartigen Teehaus vereinen ließ. Da die Mataumoto sie dazu anhielt, ihren Beruf nach einem System auszuführen, daß das Gedankliche zum Mindesten nicht ausschloß, so fingen sie an, zu denken. Damit hatte denn auch die übliche Apathie der Mädchen dieser Häuser ein Ende. Sie traten innerlich in eine Opposition zu den Männern, die sie begehrten — ein Gefühl, das den japanischen Frauen sonst fremd ist. Denn selbst den Mädchen aus besten Häusern wird der Mann, mit dem sie sich ehelich zusammentut, von den Eltern bestimmt. Sie sind darin also genau so unfrei wie die große Zahl der in Häusern festgehaltenen Mädchen, während in der Wahl der Liebe frei eigentlich nur die gutbezahlte Geisha eines besseren Teehauses ist. Das ‚winkende Kätzchen‘ war ein Mittelding zwischen einem chaya (Teehaus) und machiai oder Yoraya (verrufenem Haus). Dem Renommee nach konnte sich kein Teehaus mit ihm messen, praktisch aber war es trotz der Künste, die die Geishas boten, ein Haus der Freude und der freien Liebe.

      Hana bewohnte drei Räume, hatte ihr eigenes Bad und zwei Mädchen zu ihrer ausschließlichen Bedienung. Ihre Zimmer waren ein ewig blühender Garten. Sie schlief bis in den Mittag und verwandte den halben Tag unter Shimas Aufsicht auf die Pflege ihres Körpers. Des Abends kam an drei Tagen der Woche ein Prinz des kaiserlichen Hauses, der bis zum Morgen bei ihr blieb. Sie mochte ihn, weil er sanft und voller Rücksicht war und ihr viel Liebes sagte. Vor allem aber, weil er Taizo Hodsumi ähnlich sah und dessen Sprache mit ihr redete. Zweimal in der Woche kam ein Amerikaner, der keine Zeremonien liebte. Er verzichtete auf den Gesang und Tanz und sagte immer dasselbe. Obschon Hana gut englisch verstand und sprach, da sie seit langer Zeit bei einer Miß Loustalot Stunden nahm und ausgezeichnet lernte. Der Amerikaner John Adamson war der Chefsohn einer der größten Exportfirmen in Tokio und hatte von seinem Vater schon in jungen Jahren gelernt, daß sich der Sinn des Lebens in Gelderwerb erschöpfte. Er verdankte seine Bekanntschaft mit Hana einer Wette. In jedem europäischen und amerikanischen Klub wurde seit Wochen von nichts anderem als von Maneki-Nako gesprochen. Nach erfolgter Einführung war es lediglich eine Frage der Reihenfolge und der Bezahlung, die sehr hoch war, sich des Besitzes einer der sehr schönen Geishas zu erfreuen. Denen war von Shima Mataumoto streng untersagt, feste Liebschaften anzuknüpfen. Sie waren, wie Shima Mataumoto sich ausdrückte, das laufende Geschäft. — Und indem sie für die Zukunft der Mädchen sparte, glaubte sie der Moral zu genügen. Auch beruhigte sie ihr Gewissen damit, daß es in sämtlichen anderen Häusern genau so zuging.

      Wenn die Besucher in dem prächtigen Vorraum als ‚genügend legitimiert‘ befunden waren — so nannte es Shima Mataumoto und war stolz auf diese ‚gesellschaftliche Nuance‘ ihres Hauses — so legte man ihnen, sofern sie nicht von früher her einen bestimmten Wunsch äußerten, die sechs Alben mit den Photographien der sechs Geishas vor. Sie entschieden sich dann, mit welcher der sechs sie sich nach dem Tee und den Tanzvorführungen zurückzuziehen wünschten. Denn Maneki-Nako war beileibe keine Anstalt zur Befriedigung der ‚libido‘. — Madame Shima Mataumoto betonte das bei jeder Gelegenheit. ‚Maneki-Nako‘, sagte sie an jedem Tage ein paar Dutzend Male, ist ein Institut zur Pflege der Kunst, wie es in seiner Art ein zweites im ganzen Osten nicht gibt. Es öffnete nachmittags um fünf Uhr seine Pforten. Es wurde Tee gereicht, der vor den Augen der Gäste zubereitet wurde. Und eine entzückende Geisha — Momo-Ko und Humi lösten sich damit ab — erläuterte die Zubereitung, da sich fast regelmäßig unter den Gästen ein paar Fremde befanden.

      Nach dem Tee folgten um sechs Uhr die Tanzvorführungen, an denen sich außer den sechs abwechselnd Isa und Kohana beteiligten. Völlig unauffällig zogen sich nach etwa einer Stunde die Paare, die vorher für einander bestimmt waren, durch verschiedene Ausgänge zurück, während eine ausgezeichnete Kapelle bis nach halb sieben konzertierte. Gegen sieben schloß Maneki-Nako seine Pforten auf zwei Stunden, während denen die Mädchen badeten und ruhten und die Räume gereinigt wurden. Um neun Uhr abends wiederholte sich das Spiel. Mit dem Unterschied, daß die Besuche nicht auf eine persönliche bestimmte, kurze Zeit beschränkt waren. Der Betrieb im Hause dauerte die ganze Nacht. Aber nie wurde einer Geisha mehr als je ein Besucher am Nachmittag und ein Besucher am Abend zugemutet. — Auch darin unterschied sich der Betrieb in Maneki-Nako von allen anderen Betrieben ähnlicher Art. Es war ein Musterhaus, von dessen Insassen jeder Einzelnen bei der nächsten Oiran-Dochu der Preis zufallen mußte.

      Als beim Souper in einem der führenden Klubs Tokios wieder einmal von Maneki-Nako, dem ‚winkenden Kätzchen, die Rede war, stellten mit bewundernswerter Offenheit alle achtzehn Klubmitglieder fest, daß sie zwar sämtlich mindestens eine der sechs entzückenden Geishas — dafür galten sie allgemein — in den Armen gehalten hatten, daß vier sogar einmal bis Isa, zwei bis Kohana vorgedrungen seien, daß aber niemand es bisher fertiggebracht hatte, bis zu Hana Tatsumi zu gelangen. Der Klub setzte einen Preis von 10 000 Yen aus für das Mitglied, das als erstes bei Hana zum Ziele kam. Die Folge war, daß sofort jeder beschloß, Shima Mataumoto zehntausend Yen zu bieten. Der eine war bereit, hundert, ein anderer zweihundert, ein dritter und vierter sogar vier- und fünfhundert Yen draufzulegen. Keiner von ihnen wußte, daß Shima mit den Hausmeistern, Dienern und Portiers sämtlicher führenden Hotels und Klubs ständig in Fühlung war. Sie unterhielt außer dem ‚winkenden Kätzchen‘ noch zwei andere, ebenfalls gut geführte Häuser, die nur als Pacemacher für Maneki-Nako dienten. Beide hatten eine feste Klientel, die nichts bezahlte. Das eine war für die Direktoren der großen Hotels und Klubs, die Offiziere der Transozean-Dampfer, Regierungs- und Polizeibeamten in führender Stellung, das zweite für die diesen Herren untergeordneten Stellen bestimmt. So war es nur natürlich, daß Madame Shima Mataumoto — von den eingeweihten Europäern und Amerikanern auch im Gespräch untereinander bald nur noch ‚Madame‘ genannt — schon am folgenden Morgen von dem Abschluß der Wette orientiert war. Sie rechnete also damit, daß sämtliche achtzehn Klubmitglieder sie in den nächsten Tagen mit ihrem Besuch beehren würden. Sie kannte sie alle mit Namen. Viele auch ihrem Vermögen und dem Charakter nach. Sie wußte längst vor Abschluß dieser Wette, daß John Adamson, der Sohn seines Vaters, als der reichste und berechnendste galt. Sein Erwerbssinn war sprichwörtlich. Für ihn gab es nur Zahlen. Wo er ein Verdienst sah, ruhte er nicht, bis er das Geschäft an sich gerissen hatte. Shima Mataumoto wußte also, daß die verführerischsten Photos, die sie verschiedenen Klubmitgliedern vorzulegen gedachte, auf John Adamson genau so wenig Wirkung ausüben würden, wie die kostbarsten Kimonos und die erlesensten Wohlgerüche. Ihm mußte sie Zahlen bieten. Es war also kein Zufall, daß sie über ihren Büchern saß und rechnete, als John Adamson ihr seine Aufwartung machte. Sie ließ ihn ein paar Augenblicke im Nebenraum warten, in dem, wie zufällig, ein Briefordner aufgeschlagen lag. Obenauf lag die Kopie folgenden Briefes in englischer Sprache:

      Sehr geehrte Herren!

      Damit Sie den weiten Weg von Paris nach Tokio nicht unnütz machen, wiederhole ich nochmals, daß ich unter gar keinen Umständen auch nur um einen Yen von der Ihnen genannten Summe abgehe. Sie stellt ein Minimum dar, bleibt beinahe um die Hälfte hinter dem eigentlichen Werte zurück und deckt sich mit den Zahlen, die Ihre eigenen Sachverständigen aus meinen Büchern errechnet und als ‚äußerst preiswert‘ bezeichnet haben. Ich wiederhole Ihnen also, daß ich bereit bin, Maneki-Nako und die damit verbundenen Häuser für 750 000 Yen (zahlbar in japanischer, amerikanischer oder englischer Währung oder gleichwertigen Staatspapieren eines dieser Länder) abzugeben. Ich halte mich an mein Angebot drei Tage lang gebunden, gerechnet vom Eingang dieses Schreibens an, den Sie mir telegraphisch bestätigen wollen.

      Hochachtungsvoll

      Shima Mataumoto hatte sich nicht verrechnet. Der junge Amerikaner verwendete auf die seltenen Stiche und kostbaren Porzellane, die im Vorzimmer standen, keinen Blick. Er stürzte sich auf den Briefordner und verschlang den Brief — las ihn ein zweites Mal in Ruhe, überlegte,


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