Asiaten! Ein Liebesroman aus zwei Welten. Artur Hermann Landsberger
Читать онлайн книгу.sich drehen sah. „Langsam! Langsam! Erst hört einmal zu, wer das ist, mit dem ihr da umgeht, als sei es ein ganz gewöhnlicher Mensch. Das ist eine Prinzessin, eine aus Norden, die vor einem ganz richtigen Prinzen, den sie nicht leiden mochte, zu uns geflohen ist!“
Die Mädchen ließen Hana los, machten ernste Gesichter, traten zur Seite und verbeugten sich.
Hana lächelte allerliebst und spielte die Rolle vorzüglich. Sie richtete sich auf und nahm den Gang einer Königin an. Dann öffnete sie den Obi und ließ den Kimono schleppen. Mit hoheitsvoller Gebärde gab sie den Mädchen ein Zeichen. Die hoben den Saum des seidenen Gewandes vom Boden auf und trugen ihn mit wichtiger Miene hinter Hana her. Diese setzte sich mit königlicher Würde auf die Matte und hieß die Mädchen, sich in einiger Entfernung von ihr niederzusetzen.
Shima lachte laut auf — und nun lachte auch Hana. Aber die beiden Mädchen sahen sich ängstlich an und wußten nicht, was sie glauben sollten. Shima stellte sie Hana vor:
„Das da, hohe Prinzessin, ist meine Tochter Isa, die mit verbundenen Augen den Tee bereitet und serviert und dabei gegen keine der Zeremonien verstößt. Die furchtsame Kleine daneben ist meine Tochter Kohana, die Blüte. Es gibt in ganz Shin-Bashi kein Mädchen, dessen Haut zarter und dessen Schultern schöner geformt sind. Mit euch dreien, Kinder, kann ich ganz Japan auf den Kopf stellen.“
„Tue das!“ riefen Isa und Kohana, nahmen Shima bei den Händen und führten mit ihr denselben Tanz auf. Hana griff nach einer Samise, die auf dem Boden an der Wand stand, und begleitete sie. Schon nach wenigen Tönen hörten die drei auf zu tanzen, um auf der Matte hockend, Hanas Musik zu lauschen.
Als Hana geendet hatte, sprang Shima auf und rief:
„Kuchi sunasanasy!“ (Gib mir einen Kuß!) — und schloß Hana in die Arme. Isa und Kohana taten dasselbe.
„Spiel du!“ befahl Shima und legte die Samise in den Arm Kohanas. „Und du, Hana, tanze!“
Isa trat zurück und machte Hana jede Bewegung nach. — Es war der Tanz für eine gute Ernte. Wenn ihre Arme sich langsam vom Boden hoben, sah man die Saat förmlich auf dem Felde aufgehen. Und wenn sie die Arme hängen ließ, um den Regen, der die Saat befruchtet, anzudeuten, hatte man zum mindesten das Gefühl, daß eine segnende Kraft sich über die Erde breite. Stärker noch kam das zum Ausdruck, wenn sie, um Sonnenstrahlen vorzutäuschen, die Arme ausbreitete. Dann strahlte der verzückte Körper Wärme aus, die sich auf Menschen übertrug, die in der Nähe waren.
„Nie im Leben habe ich ähnliches gesehen!“ rief Shima Mataumoto, und ihr kam ein Gedanke, der über das Schicksal Hana Tatsumis entscheiden sollte.
„Was brauchen wir Asakusa und Mukojma?“ rief sie übermütig. „Sie brauchen uns! Yoshiwara und Aehnliches ist eine Angelegenheit für das Volk. Für dich, Hana, mein Schatz, sind Könige und Fürsten gerade gut genug. Wir selbst werden in einem meiner Häuser ein Teehaus für die Oberen Zehn errichten. Wer meine Lieblinge singen hören und tanzen sehen will, muß aus den ersten Familien Japans sein. Wem ihr den Tee reicht und die Schale mit Sake füllt, der muß erst beweisen, daß er eurer würdig ist. Wer sich hoch einschätzt, der wird auch hoch geachtet werden. — Morgen, Kinder, gehen wir an die Arbeit. Und damit keiner von euch zu kurz kommt, machen wir heute noch die Verträge.“
6
Shima hatte den drei Mädchen die Verträge, die sie unterschreiben sollten, vorgelesen. Aus ihnen ging hervor, daß sie, mochten sie auch als Geishas gelten, dem Gesetz gegenüber Oirans waren. Sie hatten dabei so viel Allotria getrieben, daß sie kaum auf das, was Shima ihnen vorlas, hinhörten. Sie verstanden es auch gar nicht und dachten, es werde schon richtig sein.
Und wirklich war es auch nichts anderes als das übliche, vorgedruckte Formular, in das nur Daten und Zahlen aufgenommen wurden.
Shima hatte auch gar nicht die Absicht, sie zu übertölpeln oder gar Unrechtes von ihnen zu fordern. Im Gegenteil: sie setzte Bedingungen ein, die milder als üblich waren. Sie wollte den ahnungslosen Mädchen vielmehr die trübe Sachlichkeit selbstverständlicher Abmachungen ersparen. Sie sollten nicht das drückende Gefühl haben, wie Ware behandelt zu werden. Schon die Aufgabe ihrer persönlichen Freiheit, die diese Kinder ja eigentlich noch nie besessen hatten, schien ihr bitter. Ihr menschlicher und geschäftlicher Instinkt sagten ihr, daß diese als Freudebringerinnnen bestimmten Mädchen selbst frohen Herzens sein müßten, wenn sie wirkliche Wärme auf andere ausstrahlen sollten.
Der mit Hana abgeschlossene Vertrag lautete:
„Da ich mittellos und gewillt bin, mit obrigkeitlicher Genehmigung den Beruf einer Kurtisane zu ergreifen, so habe ich mir von dem Inhaber dieser Urkunde 1500 Yen geliehen, deren Zinsen nach dem üblichen vorgeschriebenen Zinsfuß berechnet werden sollen, und ich erkenne mich ferner bereit, mich den folgenden Vorschriften zu unterziehen:
1 Ich richte mich streng nach dem Reglement für Kurtisanen.
2 Ich beginne meinen Beruf am 25. 3. 24 und setze ihn bis zum 25. 3. 27 fort. Nach Ablauf dieser drei Jahre gebe ich die Lizenz der Regierung zurück. Sollte ich in der Zeit krank und in das Yoshiwara-Hospital transportiert werden müssen, so habe ich die Zeit, die ich dort verbracht habe, nachzudienen. Sollte ich ferner nach dem Ablauf des Kontraktes nicht in der Lage sein, meine Schulden zu bezahlen, so verpflichte ich mich, einen neuen Kontrakt einzugehen.
3 Ich verpflichte mich, das Darlehn aus meinen Einnahmen zu bezahlen und treu und fleißig zu arbeiten, um das Geld zusammenzubringen. Ich werde ohne zwingenden Grund meinen Beruf nicht vernachlässigen oder irgend etwas unternehmen, was dem Geschäft meines Gebieters von Nachteil sein könnte.
4 Die Steuer bezahle ich aus meiner eigenen Tasche.
5 Meine Einnahmen werden in zwei Teile geteilt. Die eine Hälfte ist für die Zimmermiete und meine Nebenausgaben bestimmt. Von der anderen Hälfte sind 15 % als Abschlagszahlung für das Darlehn und die restierenden 35 % für mich selbst bestimmt. Sollte die erste Hälfte sich als nicht ausreichend erweisen, so bin ich trotzdem nicht verpflichtet, den Ausfall aus der zweiten Hälfte zu ersetzen.
6 Zahlungen habe ich zweimal im Monat zu leisten, und ist hierüber vom Besitzer und von mir genau Buch zu führen. Am Ende des Monats werden die Bücher verglichen und von beiden Seiten quittiert. Alle meine Kleider usw. gehören dem Hausbesitzer als Sicherheit für das gewährte Darlehn.
7 Ich darf mich nicht eher aus dem Hause entfernen, als bis durch mich oder von anderer Seite meine gesamten Schulden beglichen worden sind.
8 Um Zwistigkeiten bei der monatlichen Abrechnung (6) vorzubeugen, sollen die Bücher dem Direktor der drei ständigen Professionen unterbreitet werden, der sie mit dem Amtssiegel zu versehen hat.
Als Hana, Isa und Kohana unterschrieben hatten, vermied es Shima, die nächste Stunde von dem, was nun folgen müßte, zu sprechen. Erst am nächsten Morgen begann sie, die ‚Prinzessinnen‘ ihrer persönlichen und damit menschlichen Würde zu entkleiden.
Sie machte sie zunächst darauf aufmerksam, welch großer Vorteil für sie darin läge, daß sie nicht mit ihrem Impresario von einem Haus ins andere zu wandern und dort ihre Handtücher und Sakeschalen mit ihrem Namen abzugeben brauchten. Die Schande, an diesem für ihr ganzes Leben so wichtigen Abend nicht engagiert zu werden, bliebe ihnen erspart.
Kohana meinte:
„Davor hätte ich keine Furcht gehabt“, und Isa stimmte zu und sagte:
„Ich auch nicht!“
Aber Shima Mataumoto belehrte sie:
„Es kommt nicht nur auf eure Schönheit und euer Können an. Auch auf die Protektion von Freunden. Diese fehlen euch, ihr Unschuldslämmer. Ja, wenn es gerecht zuginge auf dieser Welt, dann würde man euch morgen in den kaiserlichen Palast holen. Denn es gibt in ganz Japan keine Geishas, die schöner sind als ihr.“
„Das findest du“, sagte Hana.
„Das muß jeder finden, der Geschmack hat“, erwiderte Shima. „Aber eure übertriebene Bescheidenheit ist daran schuld, wenn ihr noch immer